Warnung

JUser: :_load: Fehler beim Laden des Benutzers mit der ID: 62

Rosch Haschana

Das Seil zu Rachav raufklettern: An einem Faden mit der Heiligkeit verbunden sein (Rav Frand zu Rosch Haschana 5767)

Es gibt ein eifrig diskutierte Frage, wieso Rosch Haschana (der Tag des Gerichtes) dem Jom HaKipur (dem Versöhnungstag) vorangeht. Logisch gesehen würde es mehr Sinn machen - und sicherlich zu unserem Vorteil gereichen - wenn die Vergebung für unsere Sünden vor dem Tag läge, an dem wir für diese Sünden gerichtet werden.

Rav Schimon Schwab antwortet auf diese Frage. Um die Antwort zu verstehen müssen wir zuerst das zweite Kapitel des Prophetenbuches Jehoschua (welches als Haftara zu Parschat Schelach gelesen wird) unter die Lupe nehmen. Die erste Stadt, welche Jehoschua, nach dem Betreten des Land Israel eroberte, war Jericho. Jehoschua sandte Kundschafter aus um das Land zu erkunden. Die Spione übernachteten im Haus von Rachav, der Sonah. Es gibt Erklärer, die Rachav als Gastwirtin bezeichnen indem sie das Wort Sonah von Mason (Speise) ableiten. Die Gemara lässt uns jedoch verstehen, dass die einfache Lesart der Pesukim (Verse) darauf hindeutet, dass Rachav eine Frau mit schlechtem Namen war - die übliche Bedeutung von Sonah stammt vom Wort Senut (unsittliches Handeln).

Rachav gibt den Spionen, die Informationen, die sie hören wollen: "Ich weiss, dass Haschem euch das Land gegeben hat und der Schrecken vor euch auf uns gefallen ist und alle Bewohner des Landes vor euch verzagen ..." [Jehoschua 2:9]

Der Talmud [Sewachim 116a] fragt: "Woher wusste Rachav, dass das ganze Land in Todesangst vor den Juden erstarrt war?" Die Gemara nimmt dann Bezug auf Rachavs Aussage, dass "und es blieb in keinem Mann noch ein Quäntchen Mut". Rachav bezeugte den Verlust von Mut und Unternehmungslust aufgrund ihrer eigenen berufsmässigen Erfahrung. Seit dem Alter von zehn Jahren hatte sie ihre Dienste angeboten. Das war ihr Beruf während den ganzen vierzig Jahren, in denen die Juden durch die Wüste zogen. In dieser Zeit gab es keinen Prinz oder Herrscher in dieser Gegend, der nicht ihre Dienste in Anspruch genommen hatte.

Zu dieser Zeit, im Alter von fünfzig, bereute Rachav ihren Lebenswandel und trat zum Judentum über. Sie bekannte gegenüber G'tt, dass sie während ihren sündhaften Jahren drei Hilfsmittel verwendet hatte, um ihre Kunden im Geheimen in ihre Räumlichkeiten herein- und wieder hinauszulassen: Das Seil, das Fenster und die Mauer. Aus diesem Grund verwendete sie die gleichen Dinge, um den Spionen die Flucht aus ihrem Haus zu ermöglichen, ohne dass die Kananiter dies bemerkten. So rettete sie ihr Leben. Sie bat darum, dass ihr ungebührlicher Gebrauch dieser Geräte deswegen vergeben werde, weil sie jetzt ihr Leben aufs Spiel setzte und diese Dinge nun für ein achtbares Unterfangen benutzte. So wird die Gemara in Sewachim gemäss der einfachen Lesart verstanden.

Rabbi Schwab ist mit dieser Deutung nicht zufrieden. Was hat es zu bedeuten, dass sie das Seil, das Fenster und die Mauer dazu gebrauchte, um die Menschen zur Sünde zu verleiten? Vierzig Jahre lang hatte sie ein Haus betrieben, das in schlechtem Ruf stand. Jedermann wusste sicherlich genau, was sich in ihrem Hause abspielte. Es gab keinen Grund für einen geheimen Zugang durch das Fenster mit einem Seil. Wen wollten die Prinzen und Herrscher nach vierzig Jahren noch für dumm verkaufen? Was wollten sie verbergen indem sie die Wand hochkletterten und durch das Fenster einstiegen? Jederman kannte Rachav, die Gastwirtin, und ihre Geschäfte.

Rav Schwab erklärt die Gemara anders. Die Gemara lehrt uns eines der Geheimnisse der Teschuva (Busse, Rückkehr). Was brachte Rachav schliesslich zur Reue? Die Feststellung, dass es nach vierzig Jahren in diesem Geschäft immer noch Leute gab, die sich schämten, durch den Eingang einzutreten, dies bewog sie zu Teschuwa. Es gab immer noch Menschen, die sich so schämten, dass sie nur mittels Seil, Mauer und Fenster eintraten. Es gab immer noch Leute, welche über ein Quentchen Schamgefühl und Würde verfügten. Sie besassen immer noch ein gewisses Mass an Gefühl und Moralempfinden, welches sie davon abhielt, eine Sünde auf eine für alle sichtbare Weise zu begehen. Es gab immer noch einzelne Menschen, welche zumindest ein wenig Schuldgefühl besassen, ein Restchen des "Zelem Elokim" (Ebenbild G'ttes), obwohl die ganze Gesellschaft von Unmoral zersetzt war. Teschuwa (Rückkehr) kann nur unter solchen Begleitumständen beginnen.

Teschuwa kann nur beginnen, wenn ich mich nicht bereits aufgegeben habe. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich vollkommen wertlos bin, kann ich nicht anfangen, mich mit Rückkehr zu befassen. Wenn ich jedoch spüre, dass tief in mir noch die Würde des Menschen vorhanden ist, dass es immer noch einen Funken Heiligkeit in mir gibt, dann kann ich dieses Gefühl nutzen und die Reise auf dem Weg der Rückkehr beginnen. Das war es, was Rachav meinte, als sie vom Seil, dem Fenster und der Mauer sprach.

Die Mischna lehrt: " Werde nicht zum Bösewicht in deinen eigenen Augen." [Avot 2:13] Aus diesem Grund muss Rosch Haschana Jom Kipur vorangehen. Die Erkenntnis, dass man wertvoll ist, bildet die Voraussetzung für den Beginn des Teschuwa-Vorgang. Er muss feststellen: Ich bin ein Kind Israels. Ich habe einen König im Himmel. Ich bin ein Diener des Königs. Ja, ich kann nicht behaupten, dass ich ein besonders guter Diener war, aber immerhin: Ich bin Sein Diener.

Die Erkenntnis, dass es einen König gibt und dass ich Sein Diener und deshalb wertvoll bin, ist eine Vorbedingung für den Teschuwa-Vorgang. Wenn wir die Zehn Tage der Rückkehr nur mit einem Sündenbekenntnis beginnen würden - schlicht mit einer Liste aller Sünden, die wir begangen haben, wären wir von unserer Wertlosigkeit überwältigt und gar nicht imstande zurückzukehren.

An Rosch Haschana erwähnen wir die Worte "al Chet" ("wegen den Sünden ...") oder "Aschamnu" ("wir sind schuldig") nie. Wir schieben die Sünden vorerst beiseite. An diesem Tag muss der Mensch daran denken, wer er ist, sein grosses Potenzial und sein Ziel im Leben. Aus dieser Sichtweise hinaus kann die Rückkehr entspringen.

Der Ba'al Schem Tov bringt eine schöne chassidische Erklärung zum letztwöchigen Wochenabschnitt: "Wenn deine Verbannten an den Enden des Himmels weilen werden, so wird der Ewige, dein G’tt dich dort sammeln und von dort heimholen" [Dewarim 30:4]. Der Ba'al Schem Tov bemerkt, dass wir hätten erwarten können, dass der Pasuk lautet: "Wenn deine Verbannten an den Enden der Welt weilen werden." Der Pasuk sagt jedoch: "... an den Enden des Himmels". Der Ba'al Schem Tov lehrt die gleiche Lehre, die wir schon vorher erwähnt haben: Ein Mensch kann nur dann zurück zu G'tt gesammelt werden, wenn in diesem Mensch seine "Himmlischkeit" noch vorhanden ist. Wenn ein Mensch fühlt, dass er immer noch mit dem Himmel Verbindung hat - trotzdem er sich mit den Freuden der Erde besudelt hat - kann ihn G'tt wieder bei sich sammeln.

Rachav betrieb ihr Geschäft 40 Jahre lang, aber zum Schluss heiratete sie Jehoschua bin Nun, den grössten Menschen seiner Generation. Alles begann mit ihrer Überlegung über die Mauer, das Seil und dem Fenster. Es wurde ihr bewusst, dass der Mensch - trotz all seiner Unzulänglichkeiten - immer noch über einen Funken Heiligkeit verfügt. Das ist der Anfang auf dem Weg zu Teschuwa.

Quellen und Persönlichkeiten
Rav Schimon Schwab (1908 – 1995): Rabbiner der Gemeinde Adat Jeschurun in Washington Heights, New York.
Ba'al Schem Tov (1698 – 1760): Gründer der chassidischen Bewegung, Medschibosch, Ukraine.



Rav Frand, Copyright © 2008 by Rav Frand und Project Genesis, Inc und Verein Lema'an Achai / Jüfo-Zentrum.

Weiterverteilung ist erlaubt, aber bitte verweisen Sie korrekt auf die Urheber und das Copyright von Autor, Project Genesis und Verein Lema'an Achai / Jüfo-Zentrum und auf Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, sowie www.torah.org.

PopFeed: The email recipient specified is either empty or invalid. Please check the plugin options.

Drucken