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Raw Frand zu Parschat Kedoschim 5762

Beängstigende Gedanken zu übereilten Schlüssen

Die Parscha (Wochenabschnitt) dieser Woche spricht von einem biblischen Gebot, das oft gar nicht als solches erkennbar ist. Der Talmud [Schawuot 30a] erklärt den Passuk (Vers) "Mit Gerechtigkeit sollst du deinen Nächsten richten" [Wajikra 19:15] auf zwei verschiedene Arten. Gemäss der einen Meinung gibt der Vers den Richtern Anweisungen. Ein Richter muss die beiden Streitparteien bei einem Din Torah (ein Zivilgerichtsfall, der nach den Torahgesetzen entschieden wird) gleich behandeln. Er darf nicht zulassen, dass beispielsweise eine der beiden Parteien steht und die andere sitzt oder eine der Parteien lang reden darf und die andere nicht, und so weiter.

Gemäss einer zweiten Erklärung der Gemara (Talmud) gilt dieser Vers für alle Juden. Diese besagt, dass wir unseren Mitmenschen wohlmeinend beurteilen und im Zweifel zu seinen Gunsten urteilen sollen.

Mit anderen Worten: "Beurteile deinen Nächsten zum Guten" ist nicht "nur" eine Lehre aus den Sprüchen der Väter (Pirkej Awot), sondern ein ausdrücklicher Text der Torah! Beobachten wir, dass jemand einen Fehler begeht, so gibt es ein ausdrückliches biblisches Gebot, diesen Sachverhalt im Zweifel zu seinen Gunsten auszulegen. Von Rambam, Rabbejnu Jona und dem Chafez Chajim lernen wir: Wir müssen einen Menschen, von dem wir wissen, dass er im Allgemeinen richtig und untadelig handelt, zu seinen Gunsten beurteilen. Dies hat nichts mit "Barmherzigkeit" zu tun. Dies ist ein ausdrücklicher Befehl der Torah.

Ausserdem gibt es für denjenigen, der seinen Mitmenschen zum Guten beurteilt, noch einen praktischen Vorteil. Genau wie er seinen Nächsten behandelt und beurteilt so urteilt man auch über ihn im Himmel. Die Mischna [Awot 3:16] lehrt, dass "Nifra’in min ha'Adam mi'Da’ato we'schelo mi'Da’ato" (Ein Mensch wird manchmal so gestraft, dass er versteht, warum, und manchmal so, dass er es nicht versteht.). Der Ba'al Schem Tov erläutert den Gedanken, dass jemand ohne es zu verstehen bestraft wird, wie folgt: Falls jemand einen Vorfall beobachtet und voreilig denkt, dass sein Nächster ein Dieb, ein Lügner oder ein Bösewicht ist, wird er im Himmlischen Gericht auch mit der gleichen Strenge beurteilt.

Rav Pam zitiert die berühmte Geschichte von David HaMelech (König David), der Bat-Schewa zur Frau nahm. Bat-Schewa war ursprünglich die Frau von Urija HaChitti. (Urija gehörte zum Heer Davids, in dem es üblich war, dass Soldaten sich von ihren Frauen scheiden liessen, bevor sie in den Krieg zogen.) Obwohl Bat-Schewa technisch keine verheiratete Frau mehr war, sagen unsere Weisen, dass sich dieses Vorgehen für David HaMelech nicht gehörte.

Nathan HaNavi (Nathan, der Prophet) kam zu David und erzählte ihm eine erfundene Geschichte von einem reichen und einem armen Mann. Der arme Mann besass nur ein kleines Schaf, der Reiche hingegen hatte alles. Der reiche Mann kam und nahm dem Armen dieses Schaf, seinen einzigen Besitz, weg. Nathan bat den König um seinen Richtspruch. "David wurde sehr zornig und sprach: 'So wahr G'tt lebt, dieser Mann hat den Tod verdient!'" [Schmuel II 12:5] Daraufhin antwortete der Prophet: "Du bist dieser Mann." Er gab bekannt, dass über David auf gleiche Weise, wie er in seinem eigenen Richtspruch gesprochen hatte, geurteilt werde. "Genau das Schwert, das du auf ihn gerichtet hast, wird zurückkehren und dich und dein Haus verfolgen."

Genau wie in diesem Zwiegespräch zwischen David HaMelech und Nathan HaNavi, wird es uns in der jenseitigen Welt ergehen. Wir werden vor dem Himmlischen Gericht erscheinen und bekommen einen "erfundenen Fall" zur Beurteilung. Man wird uns sagen: "Es gab einen solchen Menschen und er tat das und das. Er entweihte den G'ttlichen Namen; er war nicht ehrlich; und so weiter. Was soll aus ihm werden?" Wir werden aufrichtig empört sein und die ihm zustehenden Strafen aufzählen. Wir werden sagen, dass er streng bestraft werden muss. Und man wird uns vor Augen führen, dass wir selbst derjenige sind, der alle diese Sünden begangen hat und wir soeben unser eigenes Schicksal besiegelt haben.

So ergeht es uns, wenn wir nicht bereit sind, an das Gute im Anderen zu glauben. Diese Einstellung wird am Ende uns selbst plagen. Die Mischna meint genau das, wenn sie sagt, dass ein Mensch "ohne es zu verstehen" bestraft wird. Wir haben nie davon geträumt, dass die Folgen dieses Charakterzuges auf uns zurückfällt und unser Schicksal besiegelt.

Die Gemara [Schabbat 127b] bemerkt, dass "einer, der seinen Nächsten gnädig beurteilt, seinerseits gnädig gerichtet wird". Dies ist mehr als das Prinzip von "Mass für Mass"; dies erklärt, wie unsere Welt funktioniert. So wie wir andere "richten" ("paskenen"), auf dieselbe Weise, mit denselben Worten, werden auch wir gerichtet.

Wir wollen das nächste Mal, wenn auf den Nächsten ein Schatten des Zweifels fällt, nicht voreilig Schlüsse ziehen, insbesondere wenn es um die verdienten Mitglieder unserer Gemeinschaft – die Rabbiner, die Torahgelehrten oder die Gemeindeführer – geht. Je "höher" jemand steht, desto eher neigen die Menschen dazu, nachteilige Schlüsse zu ziehen, statt im Zweifel zu seinen Gunsten zu urteilen. Diese Neigung kann uns jedoch eines Tages, G'tt behüte, zum Verhängnis werden.


Quellen und Persönlichkeiten:
Mischna: Jüdische Gesetzeslehre aus der Zeit der Zerstörung des 2. Tempels.
Rambam (1135 - 1204): Rav Mosche ben Maimon; Spanien, Ägypten.
Rabbejnu Jona ben Avraham (1200 – 1263): Verfasser ethischer Werke; sein Hauptwerk ist „Scha’arej Teschuwa“ („Tore der Rückkehr“); Gerona, Spanien.
Chafez Chajim: (1838-1933): Rav Jisrael Me’ir HaKohen von Radin. Autor grundlegender Werke zu jüdischem Recht und jüdischen Werten (Halachah, Haschkafah und Mussar).
Ba'al Schem Tov (1698 – 1760): Gründer der chassidischen Bewegung, Medschibosch, Ukraine.
Rav Awraham Pam (verstorben 2001): Führender Gelehrter; Rosch Jeschiwa; Brooklyn, New York.



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