Raw Frand zu Parschat Beha'alotecha 5779 – Beitrag 1

Wie eine stillende Mutter, die ihr Baby trägt

Die Thora erzählt, wie das jüdische Volk sich über das Manna beklagte und Fleisch verlangte. Mosche ärgerte sich: Wieso, o G'tt, hast Du Deinem Diener so schlecht getan … die Bürde dieses Volkes auf mich zu laden?" [Bamidbar 11:11] Es ist unglaublich schwierig der Führer des jüdischen Volkes zu sein und es zu tragen "…wie eine stillende Mutter ihr saugendes Baby …" [Bamidbar 11:12].

Mosche Rabbejnu ("unser Lehrer") gebraucht die "stillende Mutter, die das saugende Baby trägt" als Beschreibung für die Jüdische Führerschaft. Für den Talmud ist dies eine Mahnung an die Richter und Lehrer des jüdischen Volkes, dass sie die Menschen ertragen müssen [Sanhedrin 8a]. Der Führer muss imstande sein - wie jeder Mensch in einer Führungsposition - alle verrückten Wünsche und Erwartungen, an sich herantragen zu lassen.

Jeder, der ein Kind grossgezogen hat, hat das folgende Szenario oft genug erlebt: Ein kleines Baby sitzt in den schönsten Kleidern auf dem Schoss der Mutter (die ihrerseits ein schönes Kleid trägt). Die Mutter umarmt es und geniesst die Zeit mit ihrem Kind. Plötzlich macht das Baby, was alle Babys tun müssen. Die Windel erfüllt jedoch die in sie gesetzten Erwartungen nicht.

Was macht die Mutter? Ja, sie ist aufgeregt. Aber, nimmt sie ihr Kind, straft es, wirft es zu Boden und schreit: "Wie konntest du mir das nur antun?"

Sicher nicht! Jede Mutter weiss, dass ein Baby ein Baby ist und nur über beschränkte Intelligenz verfügt. Das Baby begreift nicht, was es tut. Was tut die Mutter? Sie nimmt das Baby, zieht das Baby um, wechselt ihre eigenen Kleider und macht weiter … und dies alles mit einem lächelnden Gesicht.

Das ist das Bild der "säugenden Mutter, die ihr Baby trägt", mit welchem Chasal - unsere Weisen - den Standard für jüdische Führer setzen. Sie müssen imstande sein, Menschen zu ertragen und sogar die Schwierigen zu akzeptieren. Manchmal muss man Menschen näher betrachten und sie nachher mit dem Gedanken entschuldigen: "Naja, sie wissen nicht, was sie tun."

Sie sind wie Babys. Und jetzt? Soll ich sie zu Boden schmettern? Soll ich das Handtuch werfen? Ein Führer zu sein, bedeutet, wie eine säugende Mutter für ihr Kind da zu sein, auch wenn es sie beschmutzt. Dies gilt für geistliche und weltliche Führer.

Das hebräische Wort für Gemeinde "Zibur" (Zadi, Bejt, Waw, Rejsch) kann auch als Abkürzung betrachtet werden für Zadikim, Bejnanim u'Reschaim (Gerechte, Mittelmässige, und Böse). Wenn man es mit einer Gemeinde zu tun hat, trifft man auf einige wundervolle Menschen: Zadikim. Dann gibt es viele, die in Ordnung sind, es sind rechte Leute: die "Mittelmässigen". Zu jeder Gemeinde gehören aber auch die Bösen. Wenn sie auch nicht wirklich böse Menschen sind, so handeln sie doch manchmal, wie wenn sie es wären.

Nun könnte man fragen: "Wofür habe ich das nötig?" Unsere Weisen sagen uns, dass ein Führer damit rechnen muss, die Gemeinde "zu ertragen". Jedesmal wenn wir uns fragen: "Wie weit denn?", "Wohin führt das nur?" müssen wir uns an das Baby erinnern, das das Kleid der Mutter besudelt. So weit geht es.

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Die Bearbeitung der Gedanken dieser Woche erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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