Raw Frand zu Parschat Korach 5773

Nicht alles ist schwarz oder weiss

Wann immer zehn männliche Juden zum Gebet zusammenkommen, sind sie in der Lage, den Namen G-ttes öffentlich zu heiligen, indem sie etwa Kaddisch oder Keduscha aufsagen. Diese weithin bekannte Tatsache wird vom Vers abgeleitet, "WeNikdaschti betoch Benej Jisrael" [Wajikra 22:32]. Der Talmud [Berachot 21b, Megilah 23b] lehrt, dass dies mindestens zehn Juden erfordert. Der Talmud leitet dies von einer Gesejra Schawa (einem Wortvergleich) zwischen dem Wort "toch" (inmitten) in diesem Vers und dem Wort "toch" im Vers des Wochenabschnitts Korach ab: "Separiert Euch aus der Mitte (mi‘toch) dieser sündhaften Gemeinde [Bamidbar 16:21]." Doch um die Lektion abzuschliessen, muss man einen Schritt weitergehen und den Vers in Korach - "aus der Mitte dieser sündhaften Gemeinde (Ejdah)" - mit einen Vers im Wochenabschnitt "Schelach" verbinden, der von den zehn Kundschaftern handelt, die den verleumderischen Bericht über das Land Israel vorgelegt hatten und als "sündhafte Gemeinde" (la'Ejdah ha'ra'a hasot) [Bamidbar 14:27] bezeichnet wird. In anderen Worten: Ejdah bedeutet "zehn" und diese Ableitung kann auf den Vers in Korach übertragen werden, der keine Anzahl von Menschen spezifiziert.

[Dies ist die Ableitung im Babylonischen Talmud und sie ist zugegebenermassen etwas kompliziert. Tatsächlich beinhaltet der Jerusalemer Talmud (Talmud Jeruschalmi) eine andere Ableitung, die sich auf den Vers in Bereschit [42:5] beruft: "Und die Kinder Israels kamen inmitten (be‘toch) jener, die kamen." Dies bezieht sich auf die Ankunft der zehn Brüder Josefs in Ägypten.]

Es ist sicherlich ironisch, dass sich das ganze Konzept der Heiligung von G-ttes Namen in Anwesenheit eines Minjan-Quorums von einer sündhaften Kombination aus Korach und den Kundschaftern in der Wildnis ableitet. Beide haben sich schwerwiegender Sünden schuldig gemacht.

Hier ist eine ähnliche Merkwürdigkeit:

Mosche wird von Korach herausgefordert: Warum hast du dieses Kastensystem errichtet, wo nur die Kohanim (Priester) ein Anrecht auf den
G-ttesdienst haben? In Reaktion auf Mosches Herausforderung, brachte Korach 250 Leute, die alle Ketoret (Räucherwerk) opferten - ein Job, der normalerweise den Kohanim vorbehalten war - und die Menschen wurden alle an Ort und Stelle innerlich verbrannt, was ein himmlisches Zeichen dafür war, dass ihre Herausforderung keine Grundlage hatte und dass Aharon der legitime Kohen war. Was war die Nachwirkung dieses Vorfalls? G-tt bat Mosche, die Pfannen einzuschmelzen, die sich in den Händen dieser 250 Gefolgsleute Korachs befanden, die versucht hatten, das Weihrauch zu opfern und eine Abdeckung für den Misbe‘ach (Altar) zu errichten - als Denkmal für das jüdische Volk.

Wenn wir dort gewesen wären und jemand gefragt hätte, was wir mit diesen Pfannen anstellen sollten - was hätten wir gesagt? Nach aller Wahrscheinlichkeit hätten wir laut gerufen: "Trejf!" (unkoscher). Dies sind die Pfannen sündhafter Menschen, die g-ttliche Bestrafung erhielten. Wir hätten gedacht, dass das eigentliche Werkzeug zur Durchführung ihrer Sünde strengstens zu jeglichem Gebrauch verboten sei. Es sollte begraben oder zerstört werden. Mit Sicherheit aber sollte es nicht zu heiligem Gebrauch erhoben und zu einem Teil des heiligen Altars gemacht werden. Was ist hier los?

Mein guter Freund, Rabbi Jakow Luban, hatte eine einfache Erklärung, die beide Schwierigkeiten adressiert: Wir, als menschliche Wesen, betrachten Dinge als schwarz oder weiss, rein oder unrein, koscher oder trejf. Sie sind entweder das Eine oder das Andere. Der Allmächtige jedoch, in seiner unendlichen Weisheit, sieht manchmal auch positive Motivationen in bösen Taten.

Korach forderte Mosches Führung heraus. Wie Raschi erklärt, gab es ein Element der Eifersucht und einen Versuch, Macht von Mosche und Aharon zu entreissen. Doch es gab in Korachs Kampagne auch ein positives Element, nämlich eine grössere Rolle im Dienst des Allmächtigen zu erwerben. Korach und seine Gefolgschaft empfanden sich selbst als heilig und sie wollten ihr ganzes, vermeintliches Potenzial der Heiligkeit ausschöpfen, indem sie am Tempeldienst teilnehmen würden. Der Talmud [Sotah 13b] bemängelt sogar indirekt Mosches Niederschlagung von Korach und seiner Gefolgsleute, als er ihnen sagte: "Raw lachem (zuviel für Euch)" [Bamidbar 16:7]. Die exakt selben Worte wurden auf Mosche "zurückgefeuert", sozusagen, als er darum bat, in das Land Kena‘an einzutreten, nachdem Haschem seinen Tod noch vor dem Einzug in das Land bestimmt hatte. "Raw lach" [Dewarim 3:26] ist, was ihm gesagt wird. Dies impliziert, dass Korach innerhalb seines Schemas doch ein gewisses Verlangen hatte, Heiligkeit zu erreichen - was nicht völlig ignoriert werden sollte. Haschen erkannte diese Ambitionen an - und sie sind tatsächlich "heilig" und können als Grundlage zur Ableitung des erforderlichen Gebets-Quorums verwendet werden, um Dinge der Heiligkeit zu rezitieren.

Gleichermassen, als 250 Menschen ihr Leben riskierten, um Haschem näher zu kommen und an seinem Dienst teilzuhaben, war auch etwas Gutes an dieser Motivation dran. Es war eine inhärente Keduscha (Heiligkeit) in diesen Pfannen, womit sie den Versuch unternahmen, Teilnehmer am
G-ttesdienst zu werden. Diese Keduscha - in den Augen des Allmächtigen - konnte für eine angemessene Bedeckung des Altars eingebunden werden.

Auch im Fall der Meraglim (Kundschafter) - wie die Kommentare ausführlich erklären - gab es vielfältige Motivationen, die ihren Bericht dazu veranlassten, so zu werden, wie er geworden war. Es gab aber auch positive Absichten in dem, was sie sagten. Nach Meinung einiger, fühlten sie, dass das Volk nicht in der Lage sein würde, die hohen Standards von Erez Jisrael zu erfüllen. Nach Meinung anderer, wollten sie die idyllische Spiritualität beibehalten, die sie in der Wildnis hatten. Was auch immer der Grund war - es lag sicher nicht an einem totalen Ausfall ihres Glaubens an den Allmächtigen. Sie lagen falsch, aber sie waren keine vollkommen bösartigen Menschen.

Die Lehre ist, dass der Allmächtige Keduscha selbst im scheinbar Bösen der Gemeinde Korachs und im Rat der Kundschafter sieht. Selbst von diesen weniger als vollkommen tadellosen Individuen, gibt es Platz, eine Ableitung für die Idee der Heiligkeit innerhalb des jüdischen Volkes zu finden.

Die Lehre ist, dass Menschen sehr komplex sind. Sie tun Dinge aufgrund einer Vielzahl von Gründen und es können Licht und Dunkelheit in ihren Taten und Motivationen vermischt sein.
Der Satmarer Rebbe sagte einmal, dass sein Urgrossvater (der Jismach Mosche) seinem Grossvater (dem Jetew Lew) einmal erzählte, dass er, der Jismach Mosche, dreimal in dieser Welt gelebt hatte. In anderen Worten, durch die Institution von Gilgul Neschamot (Seelenwanderung) kam er zu drei verschiedenen Epochen auf diese Welt. Das erste Mal, da er auf dieser Welt war - wie er behauptete - war zur Zeit der Wildnis, als der Vorfall mit Korach geschah. Nachdem er das hörte, bat der Jetew Lew seinen Vater, ihm über die Ereignisse jener Zeit zu berichten. Der Jismach Mosche erzählte seinem Sohn, dass alle Vorsitzenden des Sanhedrin (des "Hohen Rats") wie auch die Menschenmassen auf der Seite Korachs waren - und nur ein kleiner Teil des Volkes auf Seiten Mosches. Der Jetew Lew bedrängte daraufhin seinen Vater mit der Frage: "Auf wessen Seite warst du?" Er antwortete: "Ich war neutral“, woraufhin der Jetew Lew ihn fragte: "Wie konntest du dich enthalten? - Korach war ja gegen Mosche Rabbejnu und du standest an der Seitenlinie? Wie konnte das sein?"

Der Jetew Lew sagte seinem Sohn: "Ich sehe, dass du keine Ahnung hast, was Korach für ein grosser Mensch war. Wenn du dort gewesen wärst und gesehen hättest, wer Korach war (wie Raschi sagt, war Korach sehr klug und auch einer, der die Bundeslade trug), dann wärst du nicht so schockiert über meine Neutralität. Korach wollte Keduscha. Es gab ein Element des Guten in seinem Streit. Es war schwer, sich auf eine Seite festzulegen.

Dies ist die Lehre, die wir aus der Tatsache lernen, dass die Pfannen zur Bedeckung des Altars verwendet wurden. Menschliche Wesen sind sehr komplex. Die Dinge sind nicht immer schwarz und weiss, sondern häufig auch in Grautönen gehalten.

 

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