Raw Ciner zu Paraschat Wa'etchanan – Nachamu 5779

Das zentralste Wort in der Thora

„Höre Israel, Haschem ist unser G’tt, Haschem ist Einzig. Du sollst Haschem, deinen G’tt, lieben, mit ganzem Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Vermögen.“ [Dewarim 6:4-5]

„Du sollst sie (die Gesetze und Rechtsvorschriften) einhalten und ausführen, denn das ist eure Weisheit und Klugheit in den Augen der Völker, welche diese Bestimmungen vernehmen und dann sagen werden: „Tatsächlich, ein weises und kluges Volk, ist diese grosse Nation!“ Denn wo ist eine Nation, mag sie noch so gross sein, die wie wir, einen G’tt hat, der ihm nahe ist, der uns anhört, wie oft wir zu ihm rufen? Und wo ist eine Nation, mag sie noch so gross sein, die so gerechte Gesetze und Rechtsvorschriften hätte, die vergleichbar wären mit der ganzen Torah, die ich euch heute vorlege?““ [Dewarim 4:6-8]

Welches ist das wichtigste Wort – der wichtigste Begriff - in der Torah? Es ist wahr: Alle Wörter sind wichtig! Wenn man jedoch ein Wort hervorheben müsste, welches am nachdrücklichsten betont wird und am häufigsten vorkommt - welches wäre es wohl?

Man stelle sich vor: Dieses Wort ist ein Heilmittel gegen viele Krankheiten; gegen solche, die den Einzelnen, als auch solche, welche die Gesellschaft plagen. Wenn es schwierig ist, die richtige Antwort zu finden, so liegt es wohl daran, dass die Bedeutung verwischt wurde oder weil wir es gründlich missverstehen. Gehen wir gemeinsam auf die Suche.

Ein Jude reiste im Zug quer durch die sibirische Tundra. Neben ihm sass ein Soldat des Zaren. Sein Hass gegen die Juden liess ihn schnauben und innerlich kochen. Nach einer Weile begann er seinen Ärger am nichts ahnenden Juden auszulassen, welcher in eines seiner heiligen Bücher vertieft war. Er bellte: „Was ist es, das euer Volk so klug macht?“

Der Jude erschrak. Es wurde ihm bewusst, dass er sich in Lebensgefahr befand und dass er gut beraten war, die richtige Antwort zu geben. Da hatte er einen Einfall und gab in ruhigem Ton ein Wort zurück: „Hering!“ (Dieser kleine Fisch mit den vielen Gräten.) Der Soldat forschte streng: „Hast du welchen?“ Der Jude gab zu, dass er noch einige Stücke übrig hätte. Der Soldat befahl ihm diese auszuhändigen.

Der Jude nahm ein grosses Risiko auf sich, als er sich weigerte, sie ihm zu geben und bestand darauf, dass die begehrten Heringe 20 Rubel kosteten. Der Soldat warf ihm das Geld hastig hin und nahm den Schatz an sich. Wie ein hungriger Bär verschlang er alle zusammen auf einen Schlag. Nachdem er sich den Mund grob abgewischt hatte, wandte er sich an den Juden, der seine Aufmerksamkeit wieder ruhig seinen Büchern widmete und protestierte: „20 Rubel für diese paar Stücke Fisch? Wenn wir an unserem Ziel angelangt sind, kann ich die fünffache Menge zu diesem Preis kriegen!“ Da drehte sich der Jude ihm zu um und rief aus: „Siehst du, es fängt schon an zu wirken!“

Das ist nicht nur ein Witz. Vielleicht ruht das Geheimnis in einem ähnlichen Wort wie Hering – dem Hören. Was macht euer Volk so klug? Das Zuhören! Höre, O Israel…Dieser Ausdruck beinhaltet am deutlichsten die Aufgabe des jüdischen Volkes, sowohl für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaft. Es dient nicht nur als Erkennungszeichen am Türrahmen eines jeden jüdischen Hauses, sondern ertönt seit Tausenden von Jahren als beständiger Ruf zweimal am Tag aus den ergebenen jüdischen Kehlen. Es ist der Ruf des Universums!

Ist es nicht das, was Frauen ihren Männern oft verzweifelt vorwerfen? Wie oft hören wir die Worte: „Er hört mir nicht zu!“ Das ist es, was Eltern ihren Kindern sagen und was Kinder ihren Eltern vorwerfen. SCHEMA…! Hör’ zu! Lehrer und Schüler hoffen auf gegenseitiges Gehör, damit ihre Zusammenarbeit fruchtet. Am wichtigsten ist, was der Allmächtige Seinem Volk zuruft: „SCHEMA Israel“ – „Höre Israel…“ Das ist es auch, wofür wir täglich beten: “Schema Kolejnu, Haschem Elokejnu“ – „Vernimm unsere Stimme, Haschem, unser G’tt!“

Hier ist ein Gedanke, welchen ich mit meinen Kindern jahrelang vor dem Zubettgehen besprochen habe. Kürzlich sah ich, dass der Wilnaer Gaon [zu Mischlej/Sprüche 4:1] das Wort Schema auf die gleichen drei Arten erklärt. Vielleicht ist mein Zugang eher spielerisch, aber, wie ich entdeckt habe, nicht weniger treffend. Das Wort „SCHEMA“ drückt mit seinen drei Buchstaben  - שמע -drei Gedanken aus, welche uns helfen können, dieses monströse Wort besser zu verstehen.

SCHHH – Höre zu! Halte für einen Augenblick ein! Entferne alle äusseren Einflüsse. Konzentriere dich ungestört. (Nicht so einfach!) MMM – Verstehe! Höre gut zu, was gesagt wird. Lasse die Information sanft und bedachtsam auf dich einwirken. Schliesslich: AAAH – Akzeptiere sie! Lass’ die Wahrheit, die tief in deinem Herzen schlummert, aus dem Dunkel ausbrechen. Ordne dich einem System unter, das grösser ist als du. Stelle dich darauf ein, deine Handlungen damit in Einklang zu bringen und dich darauf einzurichten.

Wenn das Wort „SCHEMA“ doch nur gehört, verstanden und vorbehaltlos anerkannt und verwendet würde, was für eine andere Welt und was für ein anderes Leben hätten wir! Und – wer weiss – wie weise wären wir dann.

Quellen und Persönlichkeiten:

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Die Bearbeitung der Gedanken dieser Woche erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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