Raw Frand zu Parschat Wajelech 5761

Hakhel wiederholt den Empfang der Torah am Sinai

Die Parscha (Wochenabschnitt) dieser Woche enthält die Mizwa (das Gebot) von "Hakhel". Alle sieben Jahre - zum Abschluss des Schmittajahres (Brachjahr) - versammelt der König ganz Israel (das sich wegen dem Sukkotfest ohnehin in Jerusalem befindet) und liest ihm Toraabschnitte aus dem Buch Dewarim (5. Buch Moses) vor.

Über einen Menschen, der diese Mizwa nicht erfüllt (zum Beispiel, ein Jude, der nicht teilnimmt oder ein König, der nicht aus der Tora vorliest) schreibt das Sefer (Buch) HaChinuch: "...ihre Strafe wird sehr schwer sein, weil dieses Gebot einen Grundpfeiler der Religion darstellt..."

Man würde wohl kaum vermuten, dass Hakhel eine so wichtige Mizwa ist. Hakhel ist ein Gebot ("Mizwat Asseh"), welches nur alle sieben Jahre erfüllt wird. Eigentlich könnte man annehmen, dass Lulaw (der Feststrauss am Sukkotfest), Mazza am Pessach, das tägliche Tefillin-Legen oder das Schema-Sagen wichtigere Mizwot sind. Trotzdem schreibt das Sefer (Buch) HaChinuch im Zusammenhang mit diesen Mizwot nicht: "und ihre Strafe wird sehr schwer sein ..."

Welche Bedeutung schreibt das Sefer HaChinuch dieser Mizwa zu? Rav Hutner szl. gibt uns im Verlauf einer langen Einleitung zum Neudruck eines Sefers (Buch) des Re'mo (Darchej Mosche Ha'Aruch) eine Erklärung, worum es bei der Mizwa von Hakhel wirklich geht und wieso sie so wichtig ist. Rav Hutner stützt sich in seiner Abhandlung auf zwei Rambam-Stellen.

Der Rambam [Hilchot Chagiga 3:3] gibt folgende Reihenfolge der Kapitel in Dewarim, die bei Hakhel vorgetragen werden, an: "Vom Anfang von Dewarim bis zum Abschnitt des Schema ("Höre Israel"). Dann liest man "Wehaja im Schamoa ("und es wird sein, wenn du hörst") gefolgt von "Asser te'asser ("du sollst unbedingt verzehnten"). Dann liesst man von dort alles bis nach den Segen und Flüchen, bis zu den Worten "ausser dem Bund, den Er mit ihnen schloss, am Chorew (Berg Sinai)" [Dewarim 28:69] und beendet daraufhin die Vorlesung ("upossek")."

Rav Hutner fragt, warum der Rambam die Worte "upossek" schrieb. Wenn der Rambam schreibt, dass wir von hier bis dorthin lesen müssen und er die Schlussworte bereits angibt, ist es doch klar, dass wir dort abbrechen müssen. Warum betont der Rambam: "Und dort muss man aufhören?" (Rav Hutners Antwort folgt mit der Erklärung der zweiten Rambam-Passage.)

Die zweite Rambam-Stelle ist wie folgt: Der Rambam bezeichnet Hakhel in Hilchot Chagiga [3:7] als "Jom Hakhel" ("der Tag von Hakhel"). Dies ist ein seltsamer Ausdruck, der im Talmud nicht vorkommt. Was will uns der Rambam damit sagen?

Rav Hutner schreibt, dass die Hakhel-Zeremonie eine Wiederholung von Ma'amad Har Sinai, dem Stehen am Berg Sinai, ist. Sie ist eine Wiederholung von Kabalat HaTorah, dem Empfangen der Tora. Das Annehmen der Tora ist DAS Grundereignis der jüdischen Geschichte. Wir spielen Kabalat HaTora alle sieben Jahre wieder neu durch, um auf eindrucksvolle Art und Weise dem jüdischen Volk die Wichtigkeit der Torah klarzumachen. Wir wollen, dass sich jeder so fühlt, als ob er bei einer zweiten Kabalat HaTora dabei gewesen wäre.

Vor einigen Wochen feierten die Bürger von Baltimore die Schlacht von Baltimore, ein wichtiges Ereignis der amerikanischen Geschichte. Sie taten dies, indem sie diese Geschehnisse und das daraus hervorgegangene Sternenbanner (amerikanische Flagge) nachspielten. Diese Veranstaltung war für alle Baltimorer und überhaupt alle Amerikaner sehr wichtig. Wie gedenkt man solcher geschichtlicher Ereignisse? Wie haucht man ihnen Leben ein? Wie pflanzt man künftigen Generationen das Gefühl ein, wie wichtig es ist, dass "die Flagge weiter stolz weht"? Die Antwort darauf ist, indem man die Geschichte wiederholt.

Lehawdil (zur Gegenüberstellung): Wir besitzen etwas, das für uns unschätzbar wichtig ist. Das ist Kabalat HaTorah. Wir wollen, dass jeder das "Stehen am Berg Sinai" nochmals erlebt. Wie machen wir das? Wir versammeln alle und tragen die Tora vor.

Aus diesem Grund schreibt der Rambam die Worte "upossek" im ersten Zitat. Die Worte unmittelbar vor "upossek" sind: "Ausser dem Bund, den Er mit ihnen schloss, am Chorew (Berg Sinai) ". Wir wollen, dass diese Worte in den Ohren der Menschen widerhallen. Wir wollen, dass bleibende Erinnerungen an Chorew, den Berg Sinai, hängen bleiben. Deshalb muss der König seine Vorlesung gerade an dieser Stelle auf dramatische Weise abbrechen. Auch nur ein Wort über "Chorew" hinaus weiterzulesen, hiesse, diesen Eindruck zu verwässern. Der ganze Effekt von Hakhel wäre dahin.

Aus diesem Grund nennt der Rambam Hakhel auch "Jom Hakhel" (zweites Zitat). Rav Hutner weist darauf hin, dass, wenn wir die Vokale beiseite lassen, "Jom Hakhel" die gleichen Buchstaben wie "Jom Hakahal" (Tag der Versammlung) aufweist. Dies ist ein Ausdruck, mit dem die Tora wiederholt Ma'amad Har Sinai (das Stehen am Sinai) bezeichnet. [Dewarim 9:10; 10:4; 18:16]

Das ist Hakhel: Das Erleben und Wiederholen von Kabalat HaTorah. Wieso? Dazu sagt Rav Sadja Gaon: "Unsere Nation ist nur eine Nation wegen der Tora." Für einige ist der Gedanke "Wir sind eine Nation wegen der Tora" eine grosse Neuigkeit ("Chidusch gadol"). Viele Tausende und Millionen von Juden glaubten dies nicht immer. Es gab Juden, die meinten, dass wir wegen dem Land eine Nation seien - ohne Land seien wir keine Nation. Dazu sagt Rav Sadja Gaon: "Nein, nur wegen der Tora sind wir eine Nation."

Es gab Menschen, die glaubten, dass wir wegen unserer Sprache eine Nation seien. Es gab Leute, die meinten, Jiddisch sei der Schlüssel zum jüdischen Volk: jiddisches Theater und jiddische Lieder und jiddische Veranstaltungen. Sie sind verschwunden. Die einzigen, die heute noch jiddisch reden und lesen sind diejenigen, deren Lebensweise von den anderen als überholt eingestuft worden war.

Es gibt Leute, die denken, dass wir nur wegen unserer Kultur eine Nation seien. Nein! Unsere Nation ist nur eine Nation wegen der Tora. Das macht uns zum Volk. Das verbindet uns. Das Zusammenstehen am Sinai, der Empfang der Tora, das Lernen von Tora. Die Tora, die Mizwot (Gebote), nichts anderes. Nicht Kultur, nicht Sprache, nicht Geschichte, nichts - ausser Tora. Das ist es, was Hakhel uns sagen will.



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