Derjenige, Der niemals schlummert und schläft, sucht sich einen Führer, der die Schafe weidet - (Rav Frand Schemot 5782 - Beitrag 2)

Rav Frand zu Paraschat Schemot 5782 - Beitrag 2
Ergänzungen: S. Weinmann
Derjenige, Der niemals schlummert und schläft, sucht sich einen Führer, der die Schafe weidet
Der Midrasch Rabba [Bereschit 36:3] sagt, dass Mosche Noach überlegen war. Noach wurde zuerst als „ein frommer Mann“ [Bereschit 6:9] und später als „ein Mann der Erde“ [9:20] bezeichnet; Mosche wurde zuerst als „ein ägyptischer Mann“ [Schemot 2:19] und später als „ein Mann G’ttes“ [Dewarim 33:1] bezeichnet. Worin lag der Unterschied zwischen Mosche und Noach?
Noach war im Grunde ein rechtschaffener Mensch, aber er konnte seine Generation nicht zum Guten beeinflussen. Das ist eine schlimme Anklage gegen einen Führer. Auch wenn jemand ein Gerechter bleibt - was an sich sicher eine bewundernswerte Eigenschaft ist - während seine ganze Generation ausgelöscht wird, dann ist etwas schiefgelaufen. Er hatte enorme Fähigkeiten und hätte sehr viel Positives bewirken können, aber trotzdem: Seine ganze Generation wurde ausgelöscht, ohne dass er sie beeinflussen konnte.
Mosche Rabbejnu zeigt uns einen anderen Zugang. Er fing als „ein ägyptischer Mann“ an. Ihm jedoch gelang es nicht nur, sich selbst zu erheben, sondern auch ein ganzes Volk auf eine höhere Stufe zu bringen. Er war und ist bis heute der Führer par excellence.
Worin bestand seine Kraft, die es ihm erlaubte, einen derart starken Einfluss auf sein Volk auszuüben? Der Midrasch Rabba [Schemot 2:3] sagt: „G’tt verleiht einem Menschen erst wirkliche Grösse, nachdem er ihn in einer verhältnismässig unbedeutenden Sache geprüft hat.“ Der Midrasch fährt fort und berichtet uns, dass G’tt Mosche (und andere jüdische Persönlichkeiten) in einer geringen Sache erprobte - nämlich, wie er für die Schafe sorgte - bevor Er ihn zum Führer machte.
Wie kann man mit Schafen eine Führerpersönlichkeit erkennen? Es ist klar, dass ein Mensch über Seelengrösse verfügen muss, wenn er ein Führer des jüdischen Volkes werden will. Das allein reicht jedoch noch nicht um ein Führer zu sein. Was eine Führerpersönlichkeit ausmacht, ist seine Fähigkeit, auf jeden Einzelnen einzugehen, die Fähigkeit, die tagtäglichen Bedürfnisse eines jeden zu erkennen. Es versteht sich von allein, dass G’tt einen Führer für sein Volk braucht, der Achtung vor dem Himmel hat und ein Talmid Chacham (Schriftgelehrter) ist, aber die Feuerprobe ist sein Umgang mit Schafen. Das Zeichen eines echten Führers ist seine Anteilnahme an den täglichen Sorgen eines jeden Geschöpfes.
Hier war eine Person auf der Stufe eines Engels sie ass kein Brot und trank kein Wasser [Schemot 34:28] und womit musste sie sich auseinandersetzen? Wenn Leute kamen, um ihre Streitigkeiten abzuhandeln, brauchten sie keine hochgestochenen Beweise zur Existenz G’ttes. Sie erklärten ihm: „Ich habe Probleme mit meiner Frau, meinen Kindern, meinem Geschäft, etc.“
Dies bekommt ein Führer zu hören. Wenn er auf diese Art von Problemen nicht eingehen kann, so kann er kein richtiger Führer sein. Der Talmud [Sanhedrin 8a] hält fest, dass ein Richter mit seiner Gemeinde so mitfühlend sein muss wie ein Kindermädchen, das einen Säugling trägt [Bamidbar 11:12]. Das ist ein treffender Vergleich. Und noch viel mehr, wie Raschi zur Stelle [ibid.] erklärt, auch wenn das Kind schlägt und mit seinen Füssen stösst, dennoch trägt man es mit Liebe, so muss auch der Richter und Führer des Volkes das Volk führen, auch wenn man ihn lästert und mit Steinen bewirft.
Mit welchen Problemen wird eine Mutter bei ihren Kindern konfrontiert? „Der Brei ist nicht warm. Der Brei ist nicht genügend abgekühlt. Meine Nase läuft. Ich habe mein Knie aufgeschlagen. Er hat mir weh getan. Sie hat mir einen Fusstritt gegeben...“ Das sind die Probleme, mit denen sich eine Mutter herumschlagen muss.
Welche Sorgen auch immer Mosche Rabbejnu anhören musste: Klar ist, dass sie auf seiner Stufe nicht bedeutender oder banaler waren, als eine rinnende Nase. War es für Mosche Rabbejnu wichtig, dass die Kuh dieser Person nicht genügend Milch gab? So sollte ein Führer sein. Er muss diese Anteilnahme und Liebe haben, diese Fähigkeit zu fühlen, dass es ein echtes Problem ist, wenn Re’uwens Kuh keine Milch gibt. Es ist für ihn ein Problem, wenn es Schimons Geschäft schlecht geht.
Mit Fragen dieser Art muss ein Führer umgehen können. Diese Art von Persönlichkeit war Mosche Rabbejnu. Er war nicht nur der Meister aller Propheten, der Lehrer Israels, sondern auch ein erprobter Hirte. Er rannte, um ein kleines Schäfchen aufzunehmen. Er hatte Mitleid beim kleinsten Problem. Über das Ganze gesehen ist dies das wichtigste Kriterium für einen jüdischen Führer.
Quellen und Persönlichkeiten
- 1. Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tana’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
- 2. Raschi (1040-1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
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