Man muss kein Prinz sein, um Grösse zu erlangen (Rav Frand, Schemot 5784 - Beitrag 1)

Rav Frand zu Paraschat Schemot 5784 – Beitrag 1
Ergänzungen: S. Weinmann
Man muss kein Prinz sein, um Grösse zu erlangen
Die Tochter Pharaos rettete den kleinen Mosche aus dem Nil. Sie nahm ihn zu sich in den Palast und zog ihn als Adoptivsohn gross. Er wurde ein Prinz.
Eines ist aber sehr verwunderlich: Die Heirat von Amram und Jochewed, den Eltern von Mosche, wird mit sehr geheimnisvollen Worten beschrieben: „Und ein Mann aus dem Hause Levi ging und heiratete die Tochter von Levi“ [Schemot 2:1]. Wäre es nicht angebracht, dass die Torah diesen wichtigen Meilenstein in der biblischen Geschichte, die Geburt von Mosche Rabbejnu, wenigstens mit der Erwähnung der Namen von Mosche’s Eltern beginnt? Sollten wir nicht ausdrücklich auf Mosche’s stolzen „Jichus“ (Stammbaum) hingewiesen werden?
Rav Bergman meint in seinem Buch „Scha’arej Orah“, dass dies gerade der springende Punkt ist. Man braucht keinen Jichus, um Mosche Rabbejnu zu werden. Jedermann kann aufgrund seiner eigenen Verdienste und eigenen Fähigkeiten die höchsten geistigen Höhen erklimmen. Man braucht keinen hochstehenden Vater, um ein edles Leben zu führen. Es stimmt zwar, dass Mosche’s Vater zufälligerweise der Gadol haDor (der Grösste seiner Generation) war; die Torah legt jedoch sehr wenig Gewicht auf diese Tatsache. Mosche’s Eltern werden im Schatten der Anonymität gelassen, um hervorzuheben, dass es nicht die Abstammung war, die Mosche zu dem machte, der er war.
Der Gedanke dahinter ist, dass jedes Kind und jedes menschliche Wesen im Stande ist, trotz niedriger Abstammung, die höchsten Höhen zu erklimmen. Der Rambam schreibt in Hilchot Teschuwa [5:2]: „Jeder Einzelne kann zu einem Gerechten auf der Stufe von Mosche Rabbejnu heranwachsen.“
Die Tora erzählt uns in unserer Parascha (2:5-8): „Und die Tochter Pharaos stieg hinunter, um sich im Fluss zu baden, und ihre Jungfrauen wandelten am Rande des Nils; und sie erblickte das Kästchen mitten im Schilf und sie schickte ihre Magd hin (oder: und sie streckte ihre Hand aus. Raschi bringt beide Erklärungen) und holte es heraus. Und als sie es öffnete, erblickte sie das Kind; und siehe, das Knäblein weinte; da hatte sie mit ihm Mitleid und sprach: Das ist eines von den Kindern der Hebräer! Da sprach seine Schwester (von Mosche) zu der Tochter Pharaos: Soll ich hingehen und dir von den Hebräerinnen eine Amme rufen, dass sie dir das Kind säuge? Da sprach die Tochter Pharaos zu ihr: Gehe! das Mädchen ging und rief die Mutter des Kindes…“
Raschi erklärt zur Stelle im Namen des Talmuds (Sota 12b) und des Midrasch Rabba (1:25): „Die Tochter Pharaos reichte das Kind vielen Ägypterinnen hin, dass sie es stillen sollen, aber es wollte nicht. Warum? Weil es bestimmt war mit der Schechina (G-ttlichen Präsenz) zu sprechen.“
Der Rem’a (in Schulchan Aruch, Jore De’a 81:7) schreibt folgendes: „Im Prinzip ist Muttermilch einer nichtjüdischen Frau einem jüdischen Säugling erlaubt. Jedoch soll ihn – wenn die Möglichkeit besteht – eine jüdische Frau stillen, denn die Muttermilch einer Nichtjüdin entwickelt ihn ihm schlechte Charaktereigenschaften (weil ihre Muttermilch von unkoscheren Speisen gebildet wird, wie die Kommentatoren erklären. Das gleiche gilt bei einer jüdischen Frau, die aus irgendeinem Grund unkoschere Speisen essen muss).
Der Gaon von Wilna erklärt zur Stelle, dass die Entscheidung des Rem’a auf die obererwähnte Erklärung unserer Weisen beruht, dass Mosche sich nicht von den Ägypterinnen stillen lassen wollte, weil „sein Mund dazu ausersehen war, mit dem Allmächtigen zu sprechen“.
Wir können uns fragen, wann war es das letzte Mal, dass ein jüdisches Baby auf die Welt kam, welches in ein Gespräch mit der G’ttlichen Präsenz verwickelt war. Dies ist sicher nichts Alltägliches. Seit Malachi, dem letzten der Propheten (vor rund 2340 Jahren), ist dies nicht mehr vorgekommen.
Rabbi Ja’akov Kamenetzky sagt, dass wir daraus entnehmen, dass jedes jüdische Kind als ein Kind betrachtet werden muss, welches möglicherweise mit der G’ttlichen Präsenz sprechen wird. Ein vornehmer Stammbaum ist nicht Voraussetzung, um Grosses zu erreichen. „Ein anonymer Mann des Stamms Levi ging und heiratete eine anonyme Tochter von Levi.“ Wie der Rambam schreibt: Jedermann ist fähig, eine solche Stufe zu erklimmen!
Quellen und Persönlichkeiten:
Rambam, Akronym für Rabbi Mosche ben Maimon (Maimonides) (1135 – 1204); Spanien, Ägypten, Israel. Einer der bedeutendsten Rischonim, seine Hauptwerke sind: Das umfassende Werk zum jüdischen Recht „Mischne Tora-Jad Hachsaka“, Erklärung zur Mischna und „Moreh Newuchim“ (Führer der Irrenden / Unschlüssigen), wie weitere Werke.
Rabbi Mosche ben Jisrael Isserles, (1520-1572); bekannt mit dem Akronym Rem’a. Krakau (Polen). Schon als junger Mann galt er als herausragender Gelehrter und wurde Rabbiner von Krakau und auch Mitglied des Krakauer Beth Din. Er gründete eine eigene Jeschiwa und unterstützte seine Studenten aus privaten Mitteln. Als Possek (Dezisor) verfasste er Werke mit halachische Entscheidungen, wie viele weitere Werke. Sein bekanntestes Werk sind seine Anmerkungen zum Jüdischen Gesetzeskodex ‚Schulchan Aruch‘, verfasst von Rabbi Josef Karo (Zefat/Safed 1488-1575), die für die aschkenasischen Juden verbindlich sind.
Rabbi Ja'akov Kamenetzky (1891-1986); Minsk, Slobodka, Seattle, Toronto und New York. War Rabbiner, Rosch Jeschiwa, Possek und grosser Talmudgelehrter. Rosch Jeschiwa von Tora We’Daat, Brooklyn. Zusammen mit Rabbi Mosche Feinstein leitete er das amerikanische Judentum in Fragen der Halacha und in spirituellen Führung bis 1986, als beide Grössen diese Welt verliessen. Verfasser von verschieden Werken, wie Emet leJaakov zum Schulchan Aruch und Erklärungen zum Chumasch.
Rav Meir Zwi Bergman: (geb. 1930) Rosch Jeschiwat Raschbi, Benej Berak, Israel. Schwiegersohn von Rav El’asar Menachem Man Schach s.Z.l. Verfasser der Werke: „Scha’arej Orah“ zum Chumasch und Rambam.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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