Ja, wir haben schon von Chur gehört, aber wer war Uri? (Rav Frand, Wajakhel-Pekudei 5783)

Rav Frand zu Paraschat Wajakhel - Pekudej 5783

Ergänzungen: S. Weinmann

Ja, wir haben schon von Chur gehört, aber wer war Uri?

Die Paraschot Teruma und Tezawe und auch ein gewisser Teil von Paraschat Ki Tissa beschäftigen sich mit dem Bau des Mischkans (Stiftzeltes), mit der Herstellung der Kleider der Kohanim (Priester) und wer diese Arbeiten auszuführen hatte. Die Paraschot Wajakhel und Pekudej sind eine Wiederholung dieser Verse, indem die Tora alles wiederholt und bezeugt, dass die Handwerker die Arbeit gemäss den Anweisungen, die Mosche Rabbejnu vom Allmächtigen erhalten hatte, exakt ausgeführt hatten.

Auch in Paraschat Wajakhel [35:30] finden wir eine Wiederholung von etwas, was schon früher gelehrt wurde. "Und Mosche sprach zu den Kindern Jisraels. Seht, Haschem hat mit Namen berufen Bezalel, den Sohn Uris, des Sohnes Churs, aus dem Stamm Jehuda."

Bezalel war der Leiter des gesamten Projekts, das sich mit dem Bau des Mischkan und der Herstellung der priesterlichen Kleider befasste. Er beaufsichtigte das gesamte künstlerische Schaffen und die strikte Befolgung der Einzelheiten, die in den Abschnitten von Teruma und Tezawe genau dargelegt wurden.

Die Tora betont Bezalels Abstammung, indem sie sie drei Generationen zurückverfolgt. Der Da’at Sekenim miBa’alej haTossafot zitiert zweimal [Schemot 31:2 und 35:30] den Midrasch Rabba [48:3], der den Grund erklärt, warum Chur, Bezalels Grossvater, in dieser Erblinie eingeschlossen ist. Der Midrasch erklärt, dass Chur zu einem Märtyrer wurde, als er gegen das Verlangen des jüdischen Volkes, ein Goldenes Kalb zu schaffen, protestierte, nachdem Mosche nach 40tägiger Abwesenheit - nach einer irrtümlichen Berechnung des jüdischen Volkes scheinbar verspätet - vom Berg Sinai zurückkehrte. Der Midrasch sagt, dass Haschem Chur gegenüber schwor, dass er ihm für seine Hingabe zurückzahlen würde, und ihm versprach, dass seine Nachkommen prominente Führer der Gemeinschaft sein würden (Bezalel und Schlomo Hamelech).

Der Da’at Sekenim fügt hinzu, weil Chur wegen seines Protestes gegen das goldene Kalb umgebracht wurde und das Mischkan als Sühne für diese Sünde erstellt wurde, deshalb hatte er das Verdienst, dass es durch seinen Enkel Bezalel gebaut wurde.

Es ist wahr, dass Bezalel sich einen Namen machte. Bezalel, der grosse Künstler, ist bestens bekannt. Was ist jedoch mit Uri? Niemand scheint etwas über Churs Sohn Uri, Bezalels Vater, gehört zu haben. Was geschah mit Haschems Versprechen, dass Churs Nachkommen, darunter ja auch sein Sohn Uri war, spezielle Menschen sein würden?

Die Antwort ist, dass der Allmächtige ein sehr langandauerndes Gedächtnis hat. Als Menschen erwarten wir eine unmittelbare Belohnung und wollen, dass ein G"ttliches Versprechen sofort erfüllt werden soll. Dies ist nicht unbedingt die Art und Weise, wie Haschem handelt. Das Versprechen wird möglicherweise nicht in einer Generation erfüllt. Es könnte zwei Generationen dauern, oder es könnte auch mehrere Generationen dauern. Mit der breiten Perspektive der Zeit des Herrn der Welt können Versprechen auch erst nach vielen Jahren erfüllt werden.

In gewissem Ausmass erklärt dieses Phänomen ein allgemeines Problem. Manchmal sehen wir einen wunderbaren Menschen – eine hervorragende Tora-Persönlichkeit – der von sehr mittelmässigen Eltern herstammt. Wir fragen uns vielleicht: "Von wo kommt solch eine Person her?" Es gibt berühmte Familien, wo die Grösse der Tora fast automatisch über Generationen hinweg weiterzugehen scheint. Es gibt jedoch andere Menschen, wo eine Grösse wie aus dem Nichts hervorzugehen scheint. "Von wo stammt er ab?" fragen wir uns vielleicht.

Unser Problem ist, dass wir nur eine Generation sehen. Wir sehen die Eltern der Person und sind überrascht über die Grösse des Sohnes. Es ist jedoch sehr wohl möglich, dass die Grösse nicht unbedingt von den Eltern, sondern von Gross- oder Urgrosseltern oder Ururgrosseltern herstammt, die das Kind möglicherweise nie gekannt hat! Die Selbsthingabe und das Engagement dieses grossen Juden des Altertums mag ihm vielleicht einen berühmten Nachkommen gewonnen haben, dessen Zeit, in Erscheinung zu treten, erst jetzt gekommen ist.

Die Lektion von Bezalel ben Uri ben Chur ist, dass Grösse ein "zurücktretendes Gen" sein kann. Chur war ein grosser Mensch, der sein Leben für den Allmächtigen aufopferte. Diese Grösse wurde durch seinen Sohn Uri weitergeleitet, und offenbarte sich erst zwei Generationen später in seinem Enkel, Bezalel.

Dieser Gedanke kann eine wichtige Quelle der Inspiration für Erzieher in Tagesschulen sein, wo die Schüler nicht von den religiösesten und in jüdischer Hinsicht überzeugten Eltern herstammt. Man könnte versucht sein, die Frage zu stellen, was man von solchen Schülern schon erwarten kann? Schaut, wer ihre Eltern sind! Man muss jedoch über die Eltern hinaus schauen. All diese Schüler haben oder hatten Grosseltern und Urgrosseltern, von denen manche oder sogar viele fromme, gerechte und gelehrte Personen waren. Vielleicht belohnte Haschem sie nicht mit Kindern, die gänzlich in ihren Fussstapfen wandelten. Vielleicht wichen ihre Kinder und Enkelkinder über die Jahre hinweg sehr vom Weg und Lebensstil ihrer Vorfahren ab. Vielleicht jedoch, nur vielleicht, ist die Zeit für eine himmlische Rückzahlung gekommen als Belohnung für die Hingabe und die Selbstopfer dieser früheren frommen Generationen. Vielleicht werden diese jungen Schüler angesichts der guten Erziehung und Aufmerksamkeit aufwachsen und die Werte und Hingabe ihrer Vorfahren verkörpern. Vielleicht werden ihr Erfolg und ihre Leistungen die Belohnung sein, die der Allmächtige, Der jenseits von Zeit ist, für diese frommen Juden der vergangenen Zeit im Sinne hatte.

Vielleicht war Uri nicht so speziell, aber der Grossvater namens Chur erklärt den Erfolg und die Leistungen des jungen Mannes namens Bezalel. Man sollte nie ein Kind wegen seinem Aussehen und Benehmen oder dem Aussehen und Benehmen seiner Eltern abschreiben!

Quellen und Persönlichkeiten:

Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tanna’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).

Da’at Sekejnim mi'Ba'alej HaTossafot; ein Torakommentar der Ba'alej HaTossafot („Tossafisten“), der Talmuderklärer des 12. und 13. Jahrhunderts.

 

Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

______________________________________________________________________________________

Copyright © 2023 by Verein Lema'an Achai / Jüfo-Zentrum.

Zusätzliche Artikel und Online-Schiurim finden Sie auf: www.juefo.com

Weiterverteilung ist erlaubt, aber bitte verweisen Sie korrekt auf die Urheber und das Copyright von Autor und Verein Lema'an Achai / Jüfo-Zentrum.

Das Jüdische Informationszentrum („Jüfo“) in Zürich erreichen Sie per E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! für Fragen zu diesen Artikeln und zu Ihrem Judentum.

What do you think?

Send us feedback!

Drucken