Beurteile deinen Bruder zum Guten (Rav Frand, Beha'alotecha 5783 - Beitrag 2)

Raw Frand zu Parschat Beha'alotecha 5783 - Beitrag 2
Ergänzungen: S. Weinmann
Beurteile deinen Bruder zum Guten
Gegen Ende von Paraschat Beha'alotecha wird erzählt, dass Mirjam über ihren Bruder Mosche Rabbejnu Laschon Hara (üble Nachrede) sprach. Mirjam protestierte gegen die Art und Weise, wie Mosche seine Frau behandelte. Wie der Passuk (Vers) uns sagt, war Mosche Rabbejnus Status anders als jener aller anderen Propheten und dies hatte auch Folgen für sein Familienleben. Sein Verhältnis zu seiner Frau war nicht das Verhältnis, das ein Mann sonst mit seiner Frau haben sollte.
Mirjam nahm etwas wahr, was sie als Fehler von Mosche Rabbejnu auffasste und äusserte sich deshalb ihrem Bruder Aharon gegenüber kritisch über ihn. Haschem hörte diesen Laschon Hara und als Ergebnis wurde Mirjam von Zara'at (Aussatz) befallen. Dies ist einer der berühmtesten Vorkommnisse von Laschon Hara in der Torah. Es ist eine Mizwa, sich daran zu erinnern, was Haschem Mirjam tat, als Strafe für diese Sünde, wie es heisst [Dewarim 24:9]: „Gedenke, was der Ewige, dein G-tt, der Mirjam unterwegs, da ihr aus Ägypten zoget, getan hat.“
Der Chafez Chajim sieht dies als Gebot der Tora, die Gesetze von Laschon Hara zu lernen. Uns wurde befohlen, uns ständig an dieses Ereignis zu erinnern, damit wir nicht dieselbe Sünde begehen.
Nächste Woche beginnt die Parascha mit der Geschichte der Meraglim (Spione). Raschi erklärt den Grund, weshalb diese zwei Geschichten aufeinander folgen, weil in beiden Fällen die Sünde von Laschon Hara der Auslöser war. Die Spione hatten der Bestrafung von Mirjam keine Beachtung geschenkt und zogen daraus nicht die nötigen Lehren. Der Chafez Chajim sagt, dass Laschon Hara meist deshalb gesprochen wird, weil man den Mitmenschen nicht zum Guten urteilt (lo dano leKaf Sechut). Die Wurzel des Problems beginnt also nicht mit dem Mund. Das Problem beginnt eigentlich mit einer negativen Beurteilung. Würden, so schreibt der Chafez Chajim, alle Menschen die anderen immer zum Guten beurteilen, so wäre kein Platz da für Laschon Hara.
Zwei klassische Beispiele davon sind der Vorfall von Mirjam und der Vorfall mit den Spionen. Mirjams Schuld war, dass sie etwas Negatives über ihren Bruder annahm. Sie beurteilte ihn nicht zum Guten. Sie fragte, "Weshalb behandelt er seine Frau anders als wir unsere Partner behandeln?" Sie nahm an, dass sein Grad der Prophezeiung nicht anders war als der ihre oder jener von Aharon. Ihre Annahme liess sie zu einem falschen Urteil kommen. Sie unterliess es, Mosche zum Guten zu urteilen.
Raw Chajim Schmulewitz deutet darauf hin, dass die Strafe der Spione für ihr Laschon Hara gegen Erez Jisrael "ein Jahr für jeden Tag" war - vierzig Jahre (verweilen in der Wüste) für die vierzig Tage, welche die Spione in Erez Jisrael verbrachten. Doch diese Rechnung stellt ein Problem dar. Sie sprachen nicht vierzig Tage lang Laschon Hara. Sie sprachen nur an einem Tag Laschon Hara, und zwar am Tag, als sie von ihrer vierzigtägigen Mission zurückkehrten! Das Laschon Hara, das sie sprachen wird in einer Handvoll Pessukim aufgeschrieben. Es konnte nicht länger als zehn Minuten gedauert haben, um diese Worte zu sagen. Warum wurden sie also mit vierzig Jahren für vierzig Tage bestraft? Die Antwort ist, die Strafe kam nicht nur für das Sprechen von Laschon Hara - sie kam auch für die negative Beurteilung. Die negativen Urteile und Sichtweisen, die sie während der vierzig Tage des Reisens im Heiligen Land entwickelten, verursachten, dass sie mit vierzig Jahren für die vierzig Tage betraft wurden.
Dies, so sagt der Chafez Chajim, ist woran wir arbeiten müssen. Wir müssen uns daran gewöhnen, andere nicht negativ zu beurteilen. Laschon Hara ist nicht nur eine Sünde des Sprechens, sondern vielmehr eine Sünde der Sichtweise. Der Weg von der "Stempelung" des Mitmenschen bis zu seiner Verleumdung ist kurz.
Quellen und Persönlichkeiten:
- Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
- Chafez Chajim: (1838-1933): Rabbi Jisrael Me’ir HaKohen von Radin. Autor grundlegender Werke zu jüdischem Recht und jüdischen Werten (Halachah, Haschkafah und Mussar), wie Mischna Berura, Chafez Chajim, etc. Einer der prominentesten Führer des orthodoxen Judentums vor dem 2. Weltkrieg.
- Rav Chajim Schmuelewitz (1902 – 1978), Schwiegersohn von Rabbi Elieser Jehuda (Lejser Judel) Finkel. Rosch Jeschiwa in Mir (Litauen), Schanghai (China) und Jerusalem. Autor des Buches "Schaj Le'Torah ";
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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