Schewat/ Paraschat Beschalach

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Elul und Selichot

Das Kapitel, mit dem wir uns auf die der Jamim Nora’im vorbereiten:

"LeDavid Haschem Ori weJisch’i"

Von Raw A. A. Rabinowitsch,

aus der DJZ, 8. Elul 5780, 28. Aug. 2020

Ergänzungen: S. Weinmann

In den meisten Kehillot (Gemeinden) der Welt wird von Rosch Chodesch Elul bis Schemini Azeret (Simchat Tora) das Kapitel "LeDavid Haschem Ori weJisch’i" [Tehillim/Psalm 27] täglich nach Schacharit und in vielen Kehillot auch nach Mincha oder Ma’ariw gesagt.

"Haschem Ori – Haschem ist mein Licht", damit ist Rosch Haschana gemeint, sagen Chasal (unsere Weisen) im Midrasch Raba [Wajikra 21:4 und Midrasch Tehillim 27:4]. Rosch Haschana ist ja der Tag des Gerichtes und da heisst es [Tehillim 37:6]: "Wehozi kaOr Zidkecha uMischpatecha kaZohorajim - Und er wird hervorgehen lassen, wie das Licht deine Gerechtigkeit, und dein Recht wie Mittagshelle." Wir hoffen, dass Haschem uns am Rosch Haschana ein gutes und "lichtiges" Mischpat (Gericht) gewähren wird im Sechut (Verdienst), dass wir uns vornehmen, im neuen Jahr unsere Taten zu verbessern.

Rosch Haschana ist nochmals in einem späteren Passuk in diesem Kapitel [ibid. 27:7] angedeutet. "Schema Haschem Koli" – Höre G"tt meine Stimme, damit ist die Stimme des Schofars am Rosch Haschana gemeint, welches uns zur Besinnung mahnen und aufrütteln soll. "Schapru" Ma’assejchem – "verbessert" eure Taten (Schofar von Schapru) [Heorat Hatefilla im Namen des Sohnes des Wilnaer Gaon].

Zu den vier verschiedenen Tönen des Schofars habe ich von Raw Mosche Dov Fischer sZl. im Namen des Schela Hakadosch folgende Gedanken gehört

Tekia: Der gerade Ton ohne Unterbruch symbolisiert den geraden Derech Hatora, den wir gehen sollten.

Schewarim: Der gebrochene Ton wiederum bezeichnet den gebrochenen Weg, den wir im Laufe des Jahres gegangen sind. Jeder Jehudi, der sich am Rosch Haschana einer gewissen Selbstkontrolle unterzieht, kommt zum Schluss, dass er während des Jahres zwar viele gute Vorsätze gefasst hat, am Ende aber immer auf dem Weg stecken geblieben oder sogar zu seinen Awejrot (Sünden) zurückgefallen ist.

Terua: Der weinende und schluchzende Ton sollte die Reue für so viele Dinge zeigen, welche im vergangenen Jahr falsch getan oder nicht beendet wurden.

Tekia am Ende wieder soll uns lehren, dass es nie zu später ist, mit dem geraden Derech Hatora wieder zu beginnen und ihn bis zum Ende durchzuführen. Bei Terua, der Reue, stehen zu bleiben, ist sehr schlecht und gefährlich.

Weiter sagt der Midrasch [ibid.] Im Wort "weJisch’i"und meine Hilfe, ist Jom Kippur angedeutet. Welche Hilfe lässt uns Hakadosch Baruch Hu am Jom Kippur zuteilwerden? Am Jom Kippur dawenen wir doch für alle möglichen Jeschuot (Hilfen, Rettungen)? Die gewaltige Jeschua des Jom Kippur selbst ist aber Kapparot Awonot – das Sühnen unserer Sünden und das Reinigen unserer Neschama. Wir haben die Gelegenheit, nach Jom Kippur ein neues unbeflecktes Leben zu beginnen [Midrasch Tehillim 27:4 und Midrasch Rabba Wajikra 21:4 und Kommentatoren zur Stelle].

Rav Mosche Soloweitschik sZl. pflegte am Moza’ej Jom Kippur nach dem "Anbeissen" (etwas gegessen hatte) folgendes Maschal (Gleichnis) zu sagen: Wenn jemand einen frisch gereinigten Anzug ohne irgendeinen Flecken anzieht, ist er am Anfang sehr vorsichtig, diesen nicht mit neuen Flecken zu beschmutzen. Wenn der Anzug aber mit der Zeit wieder schmutzig geworden ist, wird er nicht mehr so stark aufpassen, denn der Mensch hat das Gefühl, dass es auf einen Flecken mehr oder weniger nicht ankommt. Genauso ist es nach Jom Kippur sehr wichtig, die frisch gereinigte Neschama nicht mit neuen Awejrot zu verunreinigen.

Weiter steht in diesem Kapitel [27:5]: "Ki jizpenejni beSukko beJom ra'a – Er birgt mich in Seiner Hütte am Tag des Unglücks."

Hier ist der Jomtow von Sukkot angedeutet. Die Sukka soll uns bekanntlich an den himmlischen Schutz auch in Zeiten der grössten Gefahr erinnern. Schon der Zahlenwert des Wortes "Sukka" – 91 – erinnert uns an den Namen von Haschem. Der Schem Adnut, wie wir ihn aussprechen, hat den Zahlenwert von 65, während der Schem Hawaja, wie er geschrieben steht, bekanntlich die Zahl 26 hat (65 plus 26 = 91 = Sukka). Der Schatten der Sukka soll uns an den Schatten und den Schutz der Haschgacha Eljona erinnern.

Das unerschütterliche G"ttvertrauen, das Bitachon, ist es, was in schweren Situationen wie in unserer Zeit gefragt ist. "Bitachon" bedeutet nach den Worten des Chason Isch nichts anderes als die Anwendung von Emuna (Glauben) im praktischen tagtäglichen Leben.

Das Wort "wehaja" – und es wird sein – bedeutet immer einen Ausdruck von Simcha – Freude, nach Chasal (siehe Or Hachajim Hakadosch Dewarim 7:12 und 11:13) mit Freude in die Zukunft gehen. Interessanterweise hat das Wort "wehaja" den gleichen Zahlenwert wie der Schem Hawaja, 26. Wenn wir mit richtiger Emuna an G-tt in die Zukunft schauen, dann kann und soll es mit Freude sein und wird uns ganz bestimmt Freude bringen.

In diesem Kapitel präzisiert Dawid Hamelech sein Verlangen und seine Wünsche vor Haschem. "Achat scha'alti me'ejt Haschem" – Eines wünsch’ ich vom Ewigen – "Schiwti beWejt Haschem kol jemej Chajaj" – im Haus von Haschem möchte ich meinen festen Wohnsitz haben. Etwas später im gleichen Passuk steht: "ulewaker beHejchalo" – und Ihn in Seinem Tempel zu besuchen (nach einer Erklärung). Hier liegt ein gewisser Widerspruch. Entweder haben wir unseren festen Wohnsitz im Haus von Haschem oder wir besuchen es immer wieder?

In Wirklichkeit kann aber beides stimmen. Einerseits sollen wir das Bejt Haknesset und Bejt Hamidrasch nicht nur sporadisch aufsuchen, lehrt uns Dawid Hamelech, sondern täglich, und es als unser zweites Zuhause betrachten. Andererseits besteht die Gefahr, wenn wir uns sehr oft in Schul und im Bejt Hamidrasch aufhalten, dass wir dort sehr heimisch werden und nicht mehr genügend Respekt vor diesem heiligen Ort haben. Das Benehmen eines Besuchers ist ganz anders als dasjenige eines Einwohners im Haus. So sollen wir uns einerseits in Schul und im Bejt Hamidrasch zuhause fühlen, weil wir dort sehr viel Zeit verbringen, aber andererseits sollen wir uns dort wie ein Besucher mit grösstem Respekt benehmen und jedes Dwar Tora mit grösstem Durst aufnehmen (Raw Kunstadt sZl.).

Quellen und Persönlichkeiten:

1. Schela'h Hakadosch - Rabbi Jeschajahu ben Awraham Halevi Horowitz (Hurwitz) (1558 - 1630): Bekannter Kabbalist, halachische Autorität und Gemeindeführer; mit dem Akronym "Schela'h" - nach einem seiner Hauptwerke „Schenej Luchot HaBrit“ (Die zwei Gesetztafeln) - genannt; Prag, Frankfurt a/M., Jerusalem, Tiberias.

2. Or HaChajim Hakadosch (1696 – 1743): Name des Hauptwerks von Rabbi Chajim ben Mosche ben Atar, berühmter Thorakommentar; er verfasste weitere Werke wie Chefez Haschem, Peri To‘ar, Rischon Lezion. Marokko, Italien, Israel.

3. Rabbi Awraham Jeschaja Karelitz [„Chason Isch“] (1878 – 1953): Rabbiner und Gelehrter, weltweit führende Autorität in jüdischem Recht und Lebensführung; Wilna, Litauen; Benej Berak, Israel.

4. Rabbi Mosche Mordechai ben Jisrael Gerschon Soloveitchik (1914-1995); Brisk, Kletzk, Montreux, Petach Tikva, Lugano, Luzern, Zürich. Rav Mosche studierte in Brisk und Kletzk.    Aus Furcht vor der Einberufung in die polnische Armee, flüchtete er, wie auch sein Freund Rav Aharon Leib Steinman in die Schweiz und gingen nach Montreux in die Jeschiwa von Rabbi Elijahu Botschko.  

Im Jahr 1940 sammelte die Schweizer Regierung 300 jüdische Flüchtlinge - im Verdacht der Spionage – in ein Arbeitslager in einem Ferienort namens Schonburg in der Nähe von Basel, ein, wo sie gezwungen wurden, Eisenbahnschienen zu verlegen. Rav Mosche und Rav Aharon Leib gehörten zu 40 orthodoxen Juden dieser Gruppe.  Dort lernten sie gemeinsam auswendig weiter.

Als Rabbi Mosche aus dem Arbeitslager entlassen wurde reiste er in das Mandatsgebiet Palästina und schloss sich der Lomza-Jeschiwa unter Rabbi Gordon in Petach Tikwa an. Während seiner Jahre dort baute er eine Beziehung zu Rabbi Avraham Jeschaya Karelitz, dem Chason Isch, auf.  Auch stand er in engem Kontakt mit seinem Onkel, dem Rav von Brisk, der damals in Jerusalem lebte.

1948/1949 kehrte Rav Mosche in die Schweiz zurück, wo er die Tochter von Rav Schmuel Sanvil Neuman aus Lugano heiratete.  Nach seiner Heirat wurde mit der Ermutigung von Gedolej Hatora und mit der Initiative und Unterstützung von Herr Wolf Rosengarten aus Zürich und Herr Schalom Erlanger aus Luzern eine Jeschiwa in Lugano gegründet, an deren Spitze Rabbi Mosche gesetzt wurde. Die Jeschiwa war für 15-jährige Jungen gedacht. Die Gründung der Jeschiwa führte zu einem grundlegenden Wandel in der Haltung der orthodoxen Gesellschaft in der Schweiz, gegenüber der bisherigen üblichen Bildung der Jugend.  Er führte in ihr das Ideal ein, die Jugend in das Studium der Thora investieren zu lassen. Einige Jahre später zog die Jeschiwa nach Luzern.

1962 zog Rabbi Mosche nach Zürich, präsidierte aber noch ein Jahr lang die Jeschiwa in Luzern, bis Rabbi Jizchak Dov Kopelman aus New York eintraf und ihn in dieser Position ablöste.

Obwohl er in Zürich keinen offiziellen Posten annahm, wurde er als einer der Führer der europäischen jüdischen Gemeinschaft anerkannt. Tag und Nacht kamen Menschen mit ihren Fragen und Problemen zu ihm. 

Zusätzlich erteilte Rav Mosche regelmässig Gemara- und Minchas Chinuch-Schiurim  in beiden orthodoxen Gemeinden. Darüber hinaus gab er Schabbes-Nachmittag eine regelmässigen Schiur im Agudat-Achim-Gemeindezentrum. Diese Lektion galt als sein Haupt-Schiur, an der Dutzende von Teilnehmern (manchmal 100-150 Leute) teilnahmen. In diesem Schiur befasste er sich mit dem Sefer Mischlej (Sprüche), Pirkej Awot (Sprüche der Väter) oder mit Sefer Tehillim (Psalmen). Ein Teil seiner Lehren aus dem Buch Tehillim wurden nach seinem Ableben – durch einen seiner treuen Schüler, Herr Mosche Mresse - in deutscher Sprache veröffentlicht.

Nach der Auflösung der Sowjetunion arbeitete er - mit grossem Erfolg - an der Gründung der Jeschiwat Torat Chaim in Moskau, um unwissende Juden zum Judentum zurückzubringen (als Kiruv-Arbeit bekannt).

Am 18. Mai 1995 verschied Rabbi Soloveitchik nach mehrmonatiger Krankheit im Alter von über 80 Jahren in Zürich und wurde in Jerusalem beigesetzt. 

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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