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Elul und Selichot

Die „Schelosch Essrej (13) Middot“ - Das wichtigste Element der Selichot

 

 1.Die „13 Middot“ - Das wichtigste Element der Selichot

 2. Rav Frand zu den Selichot

 

 1. Die „13 Middot“ - Das wichtigste Element der Selichot

Das wichtigste Element der Selichot-Gebete sind die Schelosch Essrej Middot – die dreizehn Eigenschaften G’ttes (Schemot 34, 6-7).

„Und HaSchem zog an ihm (an Mosche) vorbei“ (Schemot 34,6): Es sagte Rabbi Jochanan: wäre es nicht in der Torah so geschrieben, dürfte man sich nicht so ausdrücken! Dieser Vers lehrt uns, dass HaKadosch Baruch Hu (der Heilige, gelobt sei er) sich wie ein Schaliach Zibbur (Chasan/Vorbeter) im Tallit einhüllte und Mosche die Gebetsordnung – die  dreizehn Eigenschaften der Barmherzigkeit – zeigte. Und ER sprach zu ihm: Jedes Mal, wenn Israel sich versündigt, ‚Ja’assu Lefanai“ sollen sie vor Mir diese Ordnung tun und Ich werde Ihnen verzeihen. (Rosch Haschana 17b).

Dies sind die dreizehn „Middot“ – die dreizehn Attribute G’ttes:

  1. 1. Haschem – Ich bin es, der Erbarmen zeigt, noch bevor der Mensch sündigt, (Ich schreibe ihn ins Buch des Lebens ein – Rabejnu Channanel), obwohl Ich weiss, dass er sündigen wird.
  2. 2. Haschem – Ich bin es auch, der Erbarmen hat, nachdem er gesündigt hat und zurückkehrt. (Ich nehme ihn so auf, als ob dieser nie gesündigt hätte – Rabejnu Channanel).
  3. 3. Kejl – Auch dies ist ein Attribut des Erbarmens, so wie es heisst: „Kejli, Kejli, lama asawtani – mein G’tt, mein G’tt, warum hast Du mich verlassen?“ (Tehillim 22, 2). Dieser Ruf appelliert an die Barmherzigkeit G’ttes, denn man sagt nicht zur Strenge des Gerichtes, warum hast Du mich verlassen?
  4. 4. Rachum – der Barmherzige. Er erbarmt sich der Armen.
  5. 5. Wechanun – gnädig. Auch den Reichen zeigt er Gnade.
  6. 6. Erech Apajim – langmütig. Es ist geduldig und beeilt sich nicht, Strafe zu erteilen, denn die Möglichkeit der Umkehr besteht auch für den Sünder.
  7. 7. Weraw Chessed – reich an Gnade. Er wendet sich in Liebe auch an die, die keine grossen Verdienste haben.
  8. 8. We’emet – und wahrheitsübend. Er gibt guten Lohn all denen, die Seinen Willen befolgen.
  9. 9. Nozer Chessed la’Alafim – Er bewahrt die Frömmigkeit, die ein Mensch vor ihm übt, auf, bis ins tausendste, ja bis ins zweitausendste Geschlecht.
  10. 10. Nosse Awon –  Er vergibt mutwillige Verschuldung.
  11. 11. Wafescha – und Frevel. Dies sind die Vergehen des Menschen durch Auflehnung gegen G’tt. Er sündigt, um G“tt zu erzürnen.
  12. 12. Wechata’a – Er vergibt die Sünden, die unabsichtlich begangen wurden.
  13. 13. Wenakkej Lo Jenakke – Wörtlich: Er reinigt, reinigt (aber) nicht. (Nach dem einfachen Sinn bedeutet es, dass ER die Schuld nicht ganz erlässt, sondern die Menschen allmählich abtragen lässt.) Unsere Weisen erklären, ER lässt straflos ausgehen diejenigen, die sich bessern, aber nicht die diejenigen, die sich nicht bessern.

„Ein barmherziger und gnädiger G’tt“ – Es sagte Raw Jehuda: ein Bund wurde über die 13 Middot geschlossen (falls Jisrael sie in den Gebeten ihrer Fasttage erwähnen – Raschi), dass sie nicht leer zurückkehren, so wie es steht „Siehe, Ich schliesse einen Bund…“(Schemot 34, 10).

Raschi schreibt (in Schemot 33, 19), dass Haschem Mosche Rabejnu mitteilte, dass wenn Chalila (G“tt behüte) Sechut Awot (die Verdienste der Patriarchen) nicht mehr helfen können (aufgebraucht sind), die Tefilla (das Gebet), die auf den 13 Middot aufgebaut ist noch hilft „und dadurch, dass sie vor Mir „Rachum Wechanun“ „barmherzig und gnädig“ aussprechen, werden sie Erhörung finden, denn meine Barmherzigkeit hört niemals auf“.

Die Frage, die gestellt wird:

„Die Frage stellt sich, dass wir öfters die 13 Middot sagen und nicht erhört werden?

  1. 1. Antwort: Der Alschich Hakadosch schreibt, ich habe folgendes im Namen des Liwnat HaSaphir gehört: Die Frage stellt sich: Warum heisst es: „Jedes Mal, wenn Israel sich versündigt, sollen sie vor Mir diese Ordnung tun“, warum steht nicht,  „sollen sie vor Mir diese Gebets-Ordnung sagen“. Darin liegt ein Hinweis, dass HaSchem nicht will, dass wir Seine Middot bloss mit dem Munde erwähnen, ohne sie auch zu verwirklichen. Sein Wille ist, dass man die Middot auch ‚tue‘ – denn die genannten Middot ‚barmherzig, gnadenvoll, u.s.w. ‘, sollen von denen, die sie erwähnen, auch in Anwendung gebracht werden. Das ist die Bedeutung von ‚Ja’assu Lefanai – sie sollen vor Mir diese Ordnung tun“, nicht nur sagen!
  2. 2. Antwort: Der Maharal fragt in seinem Werk "Be‘er HaGola", warum wird hier das sich "Einhüllen wie ein Vorbeter in seinem Tallit" hervorgehoben? Nur dies deutet an, dass es bei dem Rezitieren der 13 Attribute G-ttes, kein Wenden des Kopfes weder nach links oder nach rechts geben darf. Nur wenn man sich bei dem Aussprechen der 13 Middot mit der innersten Inbrunst aus dem tiefsten Herzen zu HKBH wendet, erst dann haben wir die Garantie, dass unser Gebet erhört wird. Nicht das Einhüllen ist das Wesentliche, sondern das sich Vonallemlösen.


Rav Frand:

2. Selichot: Es lohnt sich, „zuerst an der Reihe zu sein“

Der erste poetische Vers, der Selichot-Liturgie am Moza‘ej Schabbat (der Anfang der Selichot vor Rosch Haschana in der Nacht von Schabbat auf den Sonntag) beginnt mit den Worten: „Be’Moza‘ej Menuchah kidamnucha techila“ („Am Ende des Ruhetages sind wir die Ersten, die Dich begrüssen“). Der Isbitzer Rebbe weist darauf hin, dass die zwei Worte „kidamnucha techila“ („wir sind die Ersten, die dich begrüssen“) den Grundgedanken der Selichot einleiten.

Wieso sprechen wir eigentlich diese Sühnegebete während vier bis zehn Tagen vor Rosch Haschanah? Genau gesehen stehen wir nicht in der Zeit der „Hohen Feiertage“, welche, technisch gesehen am Rosch Haschanah beginnen und an Sukkot enden. Was sollen die Selichot in dieser Zeit, welche genau genommen keine Zeit des Gerichts und keine Zeit der Sühne ist, eigentlich bewirken?

Der Isbitzer Rebbe gibt dazu folgende Erklärung: Je früher wir beginnen, den Allmächtigen um Vergebung zu bitten, desto erfolgreicher werden wir sein. Der Isbitzer Rebbe beweist dies anhand einer biblischen Geschichte.

David HaMelech hatte ein sehr abenteuerliches Leben. Eine der Widerwärtigkeiten, welche er erleiden musste, war die Rebellion seines Sohnes Awschalom gegen seine Königsherrschaft. In einem der dramatischsten Kapitel des ganzen Tenachs (Torah, Prophetenbücher und Schriften) [Schemuel II, Kapitel 15], ist David HaMelech gezwungen, mit seiner ganzen Familie und seinem ganzen Hof vor seinem Sohn, welcher den Thron an sich gerissen hatte, aus Jeruschalajim zu fliehen. In diesem Augenblick grösster persönlicher Tragik ergreift Schim‘i ben Gera die Gelegenheit, zum Schaden noch Spott hinzuzufügen. Er griff den König an und verfluchte ihn bitterlich. Schim‘i dachte sich in diesem Moment, dass David’s Herrschaft zu Ende sei. Schim‘i hegte einen persönlichen Groll gegen David HaMelch und verfluchte den fliehenden Monarchen erbarmungslos.

Schlussendlich eroberte David HaMelech die Herrschaft zurück und kehrte nach Jeruschalajim zurück. Alle Menschen, welche die falsche Partei ergriffen hatten und ganz besonders Schim‘i ben Gera, welcher den König verflucht hatte, fürchteten um ihr Leben. Sie verdienten den Tod auch, weil zu Zeiten der biblischen Monarchie jeder, welcher sich gegen den König auflehnte („mored be’Malchut“), die Todesstrafe erhielt. Der Rambam führt aus, dass der König solche Aufrührer auch ohne Gerichtsverfahren persönlich umbringen durfte.

Schim‘i ben Gera, wusste, dass er ein „toter Mann“ war. Was tat er? „Schim‘i, der Sohn von Gera, welcher von Bachurim war, beeilte sich und ging mit den Männern von Jehuda hinunter, um David HaMelech zu begrüssen.“ [Schemuel II 19:17] Er kam zum König und sagte ihm: „Denn dein Knecht weiss, dass er sich vergangen hat; und siehe, ich bin heute als Erster des Hauses von Josef gekommen, hinabzugehen und meinen Herrn, den König, zu begrüssen.“ [Schmuel II 19:21]

Schim‘i betonte, dass er einer der Ersten von den Tausenden war, welche David HaMelech um Mechila (Vergebung) baten. „Ich weiss, dass ich falsch gehandelt habe. Ich weiss, dass ich gegen dich gesündigt habe. Ich weiss, dass ich dafür mit dem Leben zahlen müsste. Ich

entschuldige mich und es tut mir leid. Ich stelle mich nicht hinten an eine Schlange an, um dir das zu sagen. Ich möchte der ERSTE sein, welcher die Gelegenheit ergreift, meine Reue zu zeigen.“

Der Isbitzer Rebbe meint, dass wir mit unseren Vor-Rosch Haschana-Selichot genau das Gleiche tun.

Genau genommen könnten wir bis Rosch Haschanah warten, bis wir mit unseren Bitten beim Allmächtigen vorsprechen dürfen. Theoretisch könnten wir sogar bis Jom Kippur warten. Es gibt im Leben Zauderer – genau wie derjenige, der seine (US-)Steuererklärung immer im letzten Moment, in der Nacht des 15. April abgibt! Das jüdische Gegenstück zum 15. April-Steuerausfüller ist derjenige, welcher bis Ne’ilah (dem Schlussgebet von Jom Kippur) wartet, bis er seine ehrliche Bitte um Vergebung und Erbarmen an den Allmächtigen richtet.

Der Unterschied ist, dass es dem amerikanischen Steueramt egal ist, ob die Steuererklärung am 1. Februar oder am 15. April kurz vor Mitternacht abgegeben wird. Für das Steueramt ist alles einerlei, solange der Umschlag den Poststempel des 15. April trägt. Es macht jedoch einen grossen Unterschied, ob jemand genug weise ist und geistige Empfindsamkeit in sich trägt, um zu versuchen „dem Herrn der Welt frühzeitig zu begegnen“ und „vorne in der Reihe zu stehen“! Es lohnt sich, vorne in der Reihe zu stehen, sogar wenn die Sünden derart schwerwiegend sind wie diejenigen von Schim‘i ben Gera, der den König beschämte und peinigte.

Schim‘i ben Gera war das Todesurteil sicher. Aber seine Eile, den König zu treffen, zahlte sich aus. David HaMelech tötete ihn nicht. Er befahl nicht einmal seinem Sohn Schlomo (Salomon), ihn umzubringen (sondern nur bei einem neuen Vergehen). Wieso verdiente sich dieser schlechte Mensch so eine erbarmungsvolle Behandlung? Schim‘i ben Gera verdiente die erbarmungsvolle Behandlung, weil er das Geheimnis des „Zuerstkommens“ kannte, als er um sein Leben flehte.

Dieses Jahr gibt es 15 Tage zwischen dem Beginn der Selichot  und Jom Kippur. Man kann sich fragen: Wieso rezitieren wir Selichot an diesem Moza‘ej Schabbat? Wieso diese Eile? Wir haben doch mehr als genug Zeit!

Aber da gibt es die Wichtigkeit des Frühkommens. Die ersten Worte des ersten Selichot-Gedichts an Moza‘ej Schabbat, wenn wir die ersten Gebete um Vergebung äussern, geben den Ton an: „Be’Moza‘ej Menuchah kidamnucha techila“ - „Am Ende des Ruhetages sind wir die Ersten, die Dich begrüssen“.

Es dreht sich alles darum, früh da zu sein, wenn man aufrichtig sagt und kundtut: „Es tut mir leid!“ In dieser Hinsicht wollen wir wie Schim‘i ben Gera sein: Wir wollen als Erste da sein, bevor die Massen kommen und ihre Bitten um Vergebung an den Allmächtigen richten.

 

Quellen und Persönlichkeiten

Rabbi Mordechai Yosef Leiner (Isbitzer Rebbe): Autor des Buches “Mej Schiloach“.

 

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Die Bearbeitung der Beiträge erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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