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Jom Kippur

Lass dich nicht entmutigen, wenn du mit dir unzufrieden bist (Raw Lam zu Jom Kippur 5766)

Ein netter Kerl stellte mir vor einigen Jahren kurz vor Jom Kippur folgende, sehr aufrichtig und ernst gemeinte Frage: Was haben wir von diesem scheinbar kurzlebigen Erlebnis? Jedes Jahr am Jom Kippur flehen wir um Vergebung und klopfen uns in aufrichtiger Reue an die Brust. Wenige Tage später fallen wir aber wieder in den alten Trott, als ob Jom Kippur nie dagewesen wäre.

Ich sagte ihm, dass ich seine Frage laut und klar vernehme und dass ich ihn um seine Aufrichtigkeit bewundere. Ich hatte einen ähnlichen Schock, als ich an einem Erew Jom Kippur (Vortag des Jom Kippur) eine lange Liste meiner Fehltritte, Sünden, schlechten Gewohnheiten und Mängeln aufschrieb, mit der Absicht, an Jom Kippur um Verzeihung für diese Taten zu bitten. Zu Beginn des G’ttesdienstes fiel ein vergilbter Zettel aus meinem Jom Kippur-Machsor (Gebetbuch). Ich hatte angenommen, dass ich meine Liste auf einen weissen Papierblock geschrieben hätte. Bei der Überprüfung des Datums musste ich feststellen, dass das Blatt vom letzten Jahr stammte und dass dort die genau gleichen Dinge aufgeschrieben waren – und in fast der genau gleichen Reihenfolge. Die Frage meines Freundes wurde mir wieder bewusst und ich suchte nach einer Antwort.

Ich dachte an etwas, das an diesem Morgen in der Untergrundbahn vorgefallen war. Ein düster aussehender Jugendlicher, seine Baseballmütze schräg über das Gesicht gezogen, drängte sich in den überfüllten Zug Richtung Stadtmitte. Nachdem die Türen fest geschlossen waren, zog der kleine Kerl ein Messer hervor und tat etwas, das ich vorher noch nie gesehen hatte: Er ritzte seine Initialen auf das Plexiglasfenster der Bahntüre. Ich habe schon viele Graffitis gesehen, war aber bis dahin noch nie dabei gewesen, wenn sie angebracht wurden. Hier, in hellem Tageslicht, wurde öffentliches Eigentum ohne viel Aufhebens beschädigt. Ich war überrascht. Ich stand neben ihm und blickte ihn entrüstet an. (Als ich die Geschichte später meiner Frau erzählte, sagte sie mir vorwurfsvoll: „Leibel, er hatte ein Messer!“)

Das ruppige Bürschchen schaute mich einen Moment unwirsch an, hielt inne und steckte sein Messer langsam weg. Zu meiner Überraschung senkte der junge Flegel den Blick für einige Sekunden, befeuchtete seine Finger und versuchte die Schrift, die er mit seinem Messer einige Sekunden vorher geritzt hatte, wieder auszuwischen. Seine Initialen blieben jedoch unauslöschlich auf der Türe der Untergrundbahn eingeritzt.

Etwas änderte sich jedoch dramatisch, nämlich die Haltung, die ich ihm gegenüber hatte. Vor einigen Sekunden hätte ich ihn durchklopfen können und jetzt, da ich erlebt hatte, wie er sich schämte und wie er vergeblich versuchte, die Spuren seines Messers auszuwischen, spürte ich nur noch Mitleid für ihn.

Der Talmud sagt, dass einem Menschen vergeben wird, wenn er etwas Schuldgefühl für einen begangenen Fehltritt empfindet. Man fragte den Chofez Chajim einmal, ob seine Bemühungen, üble Nachrede auszulöschen je einmal vollständig von Erfolg gekrönt sein würden. Man sagt, er habe folgendermassen geantwortet: „Wenigstens geniessen die Leute es nicht mehr!“

Sogar wenn man blossgestellt wird: Das Messer hat das Glas zerkratzt und der Kratzer bleibt unauslöschbar; stille Busse ist immer wertvoll. König Schlomo, der weiseste aller Menschen sagt: „Wer seine Fehler versteckt, hat keinen Erfolg, wer sie jedoch bekennt und verlässt, kann auf Erbarmen hoffen.“ [Mischlej/Sprüche 28:13]

Die Frage meines Freundes half mir, die Episode in der Untergrundbahn zu verstehen und jetzt lasse ich mich nicht entmutigen, wenn ich mit mir unzufrieden bin.


Einen guten Jom Kippur!


Quellen und Persönlichkeiten:
Chafez Chajim: (1838 - 1933): Rav Jisrael Me'ir HaKohen von Radin. Autor grundlegender Werke zu jüdischem Recht und jüdischen Werten (Halachah, Haschkafah und Mussar).



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