Aus: Sefer Hatoda’a / Das jüdische Jahr (Monat Siwan - 4. Teil)
Bearbeitet und ergänzt von S. Weinmann
Perspektiven zu Kabbalat Hatora
Warum die Tora in der Wüste gegeben wurde
'Wajachanu Bamidbar', und sie lagerten in der Wüste (Schemot 19, 2). Die Tora wurde an öffentlicher Stelle, an einem Ort, der niemandem gehört, gegeben. Wäre sie in Erez Jisrael gegeben worden, hätten die Völker der Erde gesagt: Wir haben kein Recht auf sie. Darum wurde sie an einem Ort offenbart, der allen zugänglich war. Wer sie empfangen wollte, konnte dies tun. [Mechilta Paraschat Jitro 19:2]
- Die Tora wurde nicht in Erez Jisrael gegeben, damit die Völker nicht sagen: In Israel’s Land wurde sie gegeben, so konnten wir sie nicht annehmen.
- Auch hätte sonst Israel sagen können: Ihr anderen Völker habt an ihr keinen Anteil.
- Wäre sie erst in Erez Jisrael in einem Ort nach der Einnahme des Landes gegeben worden, hätte es Streit unter den Stämmen geben können.
Warum wurde sie in der Wüste gegeben? In der Wüste ist es nicht leicht zu leben, dort herrscht weder Überfluss noch Bequemlichkeit. Dies soll uns lehren, dass die Tora nicht mit Bequemlichkeiten und ohne Anstrengung und Schwierigkeiten erworben wird.
Na’asse weNischma - Wir werden tun und hören
Sprach Rabbi El’asar: Als Israel das 'Wir werden tun' vor dem 'wir werden hören' ausrief, erklang eine Himmlische Stimme und sagte zu ihnen: Wer hat Meinen Kindern dieses Geheimnis enthüllt, dieses Geheimnis, mit dem sich Meine Engel bedienen? Denn so heisst es bei den Engeln: 'Barechu Haschem Malachaw, Giborej Koach, Ossej Dewaro, Lischmoa beKol Dewaro', Segnet G"tt, Seine Engel, die Kraftvollen, die Vollbringer Seines Wortes, zu gehorchen Seinem Wort (Tehillim 103, 20). Die Engel sind dauernd bereit zu handeln, alles was sie erst später hören werden [Traktat Schabbat 88a]
Raw Sima’i erklärte: Als die Benej Jisrael 'Na’asse Wenischma' ausriefen, kamen sechshunderttausend Engel und jeder von ihnen ging zu einem der Benej Jisrael und schmückten ihn mit zwei Kronen, einer für das 'Na’asse' und einer für das 'Wenischma'. Als jedoch die Benej Jisrael später sündigten, nahmen eine Million und zweihunderttausend Engel ihnen die Kronen wieder ab (pro Krone ein Engel). [ibid.]
'Wajit’jazewu Betachtit Hahar', und sie stellten sich unterhalb des Berges (Schemot 19, 17). Hierzu sagt Rabbi Awdimi Bar Chama: Dies lehrt, dass der Heilige, gelobt sei Er, den Berg wie eine Wanne über sie stülpte und ihnen sagte: Wollt ihr die Tora annehmen, so ist es gut, wenn aber nicht, so sei dies euer Begräbnisort. [ibid.]
Dies ist schwer zu verstehen, hatten sie doch das 'Naasse Wenischma' schon ausgesprochen! Doch gerade, weil sie die Tora aus freien Stücken angenommen hatten, wollte G-tt ihnen klar machen, dass es keine Möglichkeit gibt, je wieder von dieser Zusage zurückzutreten! [Maharal, Tiferet Jisrael 32]
Warum gab G"tt die Tora nicht sofort nach dem Auszug aus Ägypten?
Rabbi Jizchak sagte: Eigentlich waren die Benej Jisrael zur Zeit des Auszugs schon würdig, die Tora zu erhalten. Doch G"tt sagte: Noch ist die glanzvolle Zeit Meiner Kinder noch nicht gekommen. Noch sind sie mit dem Lehm und den Ziegeln der Versklavung behaftet. Man kann dies mit folgendem Gleichnis erklären: Der Sohn eines Königs hatte sich eben von einer Krankheit erholt, als sein Lehrer dem Vater sagte: Dein Sohn soll in meine Schule kommen. Der König sagte ihm, wie kannst du dies verlangen, noch ist mein Sohn nicht vollkommen geheilt. Er muss zuerst mit Speise und Trank wieder zu Kräften kommen, dann kann er wieder in deine Schule gehen.
So sagt auch der Heilige, gelobt sei Er: Noch haben Meine Kinder kein strahlendes Aussehen, noch kann ich ihnen Meine Tora nicht geben. Erst sollen sie zwei bis drei Monate durch Manna, den Brunnen (der sie in der Wüstenwanderung begleitet hatte) und die Wachteln besseres Aussehen erlangen, dann gebe Ich ihnen die Tora. [Midrasch Raba Kohelet 3:14]
Rabbi Jehoschua ben Levi sagte: Als die Bnei Jisrael auszogen, gab es unter ihnen viele, die von der schweren Arbeit körperliche Gebrechen erlitten hatten. Durch Lehm, Ziegel und herunterfallende Steine hatten sie Verletzungen an Händen und Füssen und abgehackte Glieder. So sagte der Heilige, gelobt sei Er: Ich kann Meine Tora nicht Behinderten geben. So deutete Er dies den diensthabenden Engeln an, und sie stiegen hinunter und heilten sie.
'Wechol HaAm Ro'im Et Hakolot', und das ganze Volk sah die Stimmen (Schemot 20, 15). Dies deutet an, dass keine Blinden unter ihnen waren. Aus dem Vers 'Ata Hor’eta Lada’at', du hast zu sehen bekommen (alle Wunder) damit du erkennst…. (Dewarim 4, 35), lernen wir, dass es keinen Unwissenden unter ihnen gab. 'Waja'anu kol Ha’am jachdaw', und es antwortete das ganze Volk gemeinsam (Schemot 19, 8), beweist, dass es unter ihnen keine Stummen gab. 'Mischamajim Hischmiacha et Kolo', vom Himmel hat Er dich Seine Stimme hören lassen (Dewarim 4, 36), deutet darauf hin, dass es keine Gehörlosen gab. Der Ausdruck 'Atem Nizawim… kulchem', ihr stehet alle (Dewarim 29:9), bringt den Beweis, dass keiner lahm war. Woher wissen wir, dass niemand an Kopf- oder Zahnschmerzen litt? Es ist dies der Ausspruch: 'We'ejn Bischewataw Koschel', und unter Seinen Stämmen war kein Strauchelnder (Tehillim 105, 37).
'Wechol HaAm Ro'im Et Hakolot we’et Halapidim', und das ganze Volk sah die Stimmen und die Feuerflammen (Schemot 20, 15), es ist doch abnorm, Stimmen kann man doch nicht sehen! Hier jedoch sahen sie die Stimmen und die Feuerflammen, sie sahen Stimmen, so wie sie auch die Flammen sahen. Manche erklären es so: Jedes Gebot stand in der Wolke geschrieben, so sah man auch, wie man jedes Wort richtig schreibt, und so konnte auch niemand das 'Lo', nicht, mit dem 'Lo', ihm, verwechseln. (Ersteres schreibt man mit einem Alef, das zweite mit Waw.)
Nie gab es eine Generation, die für würdig befunden wurde, die Tora zu empfangen, wie jene, die damals am Sinai stand. Es wird auch nie wieder eine solche geben.
Warum die Tora im Monat Siwan gegeben wurde
Warum wurde die Tora im Siwan gegeben und nicht in einem anderen Monat? Folgendes Gleichnis kann dies erklären: Einst wollte ein König die Hochzeit seiner Tochter feiern. Da sagte einer seiner Fürsten: Man sollte die Prinzessin auf einem Elefanten reiten lassen, königlich gekleidet in einer Sänfte. Ein anderer sagte: Ein Elefant ist zwar gross, doch fehlt es ihm an Würde und Schönheit. Man soll sie lieber auf einem Pferd reiten lassen und so ihre Schönheit im ganzen Land zur Schau stellen. Ein dritter wiederum meinte, ein Elefant sei zwar gross und ein Pferd schön, jedoch hätten sie keinen Mund, um zu sprechen, keine Hände zum Klatschen und keine Füsse zum Tanzen. Besser sei es darum, sie auf Schultern zu tragen und so ihre Schönheit zu zeigen. So wählte der Heilige, gelobt sei Er, weder den Nissan noch den Ijar, um die Tora zu geben, denn das Sternzeichen des Nissan ist der Widder und das Sternzeichen des Ijar der Stier. Tiere können kein Lob bezeugen. Das Sternzeichen des Siwan ist: Zwillinge. Es sind dies Menschen, die einen Mund zum Reden, Hände zum Klatschen und Füsse zum Tanzen haben!
Im dritten Monat, dem Siwan, ist der Tag etwa doppelt so lang wie die Nacht. Die Nacht ist sehr kurz. Die Benej Jisrael hatten deshalb bis zwei Stunden nach Beginn des Tages noch geschlafen. Mosche ging hin, um sie zu wecken. Er sagte zu ihnen: Der Bräutigam ist schon gekommen (wie es heisst [Schemot 19:16]: Am dritten Tag, als es morgen wurde…) und will die Braut unter den Trauhimmel führen und ihr schläft?!
Dies soll uns als lehrendes Beispiel dienen, dass es sich ziemt, dass der Lehrer seine Schüler zum Toralernen weckt. Sollte ein Lehrer sagen: Ich bin ja schon alt und weise, dies geziemt sich nicht meiner Ehre, so soll man ihn darauf hinweisen und ihm sagen, dass er sicher nicht weiser ist als Er, Der Israel die Tora gab!
'Anochi Haschem Elokecha', Ich bin G"tt, dein G"tt. Warum stehen die Zehn Gebote nicht am Anfang der Tora? Auch hier gibt ein Gleichnis die Antwort: Einst kam ein Mann in ein Land und sagte: Ich möchte König über euch werden. Da sagten die Leute zu ihm: Was hast du denn schon Grosses vollbracht, dass du dazu fähig wärest? Da ging er hin und baute eine Stadtmauer, sorgte für Wasser und führte Kriege für sie. Dann sagte er: Kann ich jetzt euer König werden? Jetzt waren die Leute einverstanden. So hat auch G"tt gehandelt: er führte das Volk aus Ägypten heraus, spaltete das Schilfmeer für sie, speiste sie mit Manna, brachte ihnen den Brunnen hervor, ernährte sie mit Wachteln, führte für sie den Krieg gegen Amalek und sagte dann: Kann Ich nun euer König werden? Ja, ja, antworteten sie. [Mechilta Jitro 20:2]
Warum wurde die Tora am Berg Sinai gegeben?
'Lama Terazedun Harim Gawnunim? Warum erhebt ihr euch, ihr gipfelreichen Berge (Tehillim 68, 17). Rabbi Josse Hagelili sagt: Als der Heilige, gelobt sei Er, kam, um die Tora zu geben, eilten die Berge und stritten sich miteinander. Einer sagte: Auf mir soll die Tora gegeben werden; der andere sagte: Nein, auf mir soll sie gegeben werden. Da kamen die Berge Tabor und Karmel von weither und jeder sagte: Ich bin gerufen worden! Darum sagte der Heilige, gelobt sei Er: Wozu erhebt ihr euch, ihr gipfelreichen Berge? Zwar seid ihr alle Berge, doch ihr habt viele Hügel, auf deren Gipfeln Götzendienst getrieben wurde. Aber 'Hahar Chamad Elokim Leschiwto', der Berg, auf dem G"tt ruhen will…[ibid.], das ist der Sinai, auf dem niemals Götzendienst stattgefunden hat. [Midrasch Raba Bereschit 99:1]
Wo kam der Sinai her? Rabbi Josse sagte: Er ist vom Berg Moria abgeschnitten, so wie man 'Challa' vom Teig nimmt, weil auf ihm Jizchak zum Opfer gebunden wurde. G"tt sagte: Weil Jizchak, ihr Vater, auf ihm gebunden war, ist er würdig, dass von ihm die Tora Seinen Kindern gegeben werde.
Als der Heilige, gelobt sei Er, 'Ich bin G"tt, euer G"tt' ausrief, bebten die Berge und die Hügel fielen zusammen. Wieder kamen Tabor und Karmel, und es beanspruchte jeder, dass er die Tora erhalte. Doch als sie hörten, 'Ascher Hozeticha Me'Erez Mizraim, Der dich aus dem Land Ägypten hinausgeführt hat’, wurden sie gewahr, dass dies sie nicht betrifft (da sie nicht Ägypten waren). [Mechilta Jitro 20:2]
Warum war es der niedrigste Berg, der gewählt wurde? Warum war es Israel, das kleinste Volk, das die Tora erhalten sollte? Warum war es Mosche, der bescheidenste aller Menschen, der sie ihnen gab? Dies ist die Grösse der Tora, sie lehrt den Menschen, bescheiden zu sein.
Zittern und Beben
Als der Heilige, gelobt sei Er, kam, um Israel die Tora zu geben, stiegen zusammen mit Ihm zweiundzwanzigtausend Wagen mit Seinen Engeln herab. Die Luft war vom Schofarton durchdrungen, bis die ganze Welt erzitterte, alles und alle waren von G"ttlichem Zittern erfasst.
Seine Stimme erschallte von einem Ende der Welt bis zum anderen, alle Könige der Völker bebten in ihren Palästen und begannen Schira zu sagen. Sie trafen sich alle beim Bösewicht Bileam und sagten zu ihm: Was bedeutet dieses Getöse, das wir da hören? Kommt etwa wieder die Sintflut über die Erde? Bileam sagte: G"tt hat doch geschworen, dass Er nie wieder eine Sintflut (Mabul) über die Erde bringen werde. Da sagten sie: Vielleicht eine Sintflut von Wasser nicht, aber ein Mabul von Feuer vielleicht doch. Er antwortete: Ein liebliches Kleinod hat G"tt in Seiner Schatzkammer, das seit 974 Generationen vor der Schöpfung bei Ihm verwahrt ist. Er möchte dieses Seinen Kindern übergeben, 'Haschem Os Le'Amo jiten', G"tt möchte Seinem Volk ‘Kraft’ geben. 'Kraft' bedeutet: die Tora. Daraufhin sagten alle: 'Haschem jewarech et Amo BeSchalom -G-tt segne Sein Volk mit Frieden' (Tehillim 29, 11).
Und nach dem Tosen – Stille
Es sagt Rabbi Awahu im Namen von Rabbi Jochanan: Als der Heilige, gelobt sei Er, die Tora gab, da zwitscherte kein Vogel, es flog kein Geflügel, und es brüllte kein Ochse. Ofanim (Engel), schwebten nicht umher, und Serafim (andere Engel) sagten kein ‘Kadosch, Kadosch… (Heilig, heilig…)', das Meer bewegte sich nicht, und die Geschöpfe sprachen nicht. Die ganze Welt war still und schwieg. Da erklang die Stimme. 'Anochi Haschem Elokecha- Ich bin der Ewige, dein G-tt ' [Schemot Rabba 29, 9].
Kol Haschem Bakoach, die Stimme G"ttes voller Kraft
Als das erste Gebot aus dem Mund des Heiligen, gelobt sei Er, ertönte, erschienen Funken und Blitze, Feuerflammen zu Seiner Linken und zu Seiner Rechten, und die Stimme schwebte im Weltenraum und sagt: 'Mein Volk, Mein Volk, Haus Israels, Ich bin G"tt, Dein G"tt.'
Bei jedem Ausspruch, der vom Munde des Heiligen, gelobt sei Er, ertönte, wurde die ganze Welt mit einem wohlriechenden Duft erfüllt [Talmud Schabbat 88b].
Folgendes bringt der Midrasch [Midrasch Rabba Schir Haschirim 6:3]:
'Chiko Mamtakim', Sein Gaumen ist süss [Schir Haschirim 5, 16]. Es wird im Namen von Rabbi Jochanan gesagt: Als Israel am Sinai das Wort 'Anochi - Ich’, hörte, hauchten sie ihre Seele aus, so wie es heisst: 'Nafschi Jaz’a Bedabro', meine Seele verliess mich, als Er sprach [ibid 5, 6]. Da kehrte das Gebot vor G"tt zurück und sagte: Herr der Welt, Du lebst und bestehst immer und Deine Tora lebt und besteht immer, warum hast du uns zu Leblosen geschickt? Alle sind tot! Da ‘besann’ sich G"tt und 'versüsste' das Gebot für sie. So wie es heisst [Tehilim/Psalm 29:4]: 'Kol Haschem Bakoach', die Stimme G"ttes ist kraftvoll, dies gilt den jungen Leuten. 'Kol Haschem Behadar', die Stimme G"ttes ist voller Pracht, dies gilt den Schwachen. Rabbi Levi sagte: Wäre geschrieben ‘Bekocho’, G"ttes Stimme ist mit Seiner Kraft, hätte die Welt dies nicht ertragen können. Kol Haschem Bakoach, G"ttes Stimme ist in der Kraft, in der Kraft von jedem, das heisst, sie kann von jedem verkraftet werden, jeder nimmt sie je nach seinen Kräften auf, Kinder nach ihrer Kraft, Männer nach ihrer Kraft und Frauen nach ihrer Kraft.
Rabbi Schimon bar Jochai sagt: Die Tora, die G"tt Israel gab, liess es wieder zu neuem Leben erwachen. Es war die Tora, die bei G"tt um Mitleid für Israel gebeten hatte. Sie sagte: Herr der Welt, kann denn ein König seine Tochter (die Tora) verheiraten und gleichzeitig ihren Bräutigam (Israel) töten? Die ganze Welt freut sich mit mir (der Tora), und Du lässt Deine Söhne sterben? Sofort kehrten ihre Seelen wieder zurück. So heisst es auch: 'Torat Haschem Temima, Meschiwat Nafesch' [Tehilim/Psalm 19:8], die Tora G"ttes ist vollkommen, sie gibt die Seelen zurück.
Eine andere Erklärung zu 'Chiko Mamtakim', Sein Gaumen ist süss [Schir Haschirim 5, 16], der Midrasch bringt ein Gleichnis. Ein König sprach einst sehr hart zu seinem Sohn. Dieser war so erregt darüber, dass er seine Seele aushauchte. Als der König sah, dass sein Sohn leblos dalag, begann er ihn zu beschwichtigen und zu küssen und sagte: Was ist dir, mein Sohn? Du bist doch mein einziger Sohn, bin ich denn nicht dein Vater? So sagte auch der Heilige, gelobt sei Er: 'Anochi Haschem Elokecha', und sie hauchten ihre Seele aus. Als sie so im Sterben lagen, begannen die Engel sie zu liebkosen und zu küssen, und sie sagten zu den Benej Jisrael: Was ist euch? Fürchtet euch nicht, 'Banim Atem Laschem Elokejchem', G"ttes Söhne seid ihr Ihm. So hob G"tt mit süssen Reden an, Mamtik Bechiko, und sprach zu ihnen: Seid ihr nicht Meine Söhne? Ich bin G"tt, euer G"tt, Mein Volk seid ihr und von Mir geliebt. So besänftigte Er sie, bis sie wieder zum Leben erwachten.
Ein Engel überbrachte jedem einzelnen von Jisrael G"ttes Worte, indem er jeden fragte: Willst du dieses Gebot annehmen? So sind Seine Vorschriften, und so sind Seine Strafen, wenn man diese nicht erfüllt.
G"tt selbst sprach alle Worte aus. So sagte Er auch die zwei Worte 'Sachor', gedenke (den Schabbat), und 'Schamor', bewahre (den Schabbat) gleichzeitig. Dies ist Menschen nicht möglich, weder können sie zwei Worte gleichzeitig aussprechen noch gleichzeitig vernehmen. (Siehe Raschi zu Dewarim 5, 12)
'Wajedaber Elokim et kol Hadewarim ha'ele lemor', G"tt sprach all diese Worte, ihnen zu sagen [Schemot 20, 1]. Er macht alles zu gleicher Zeit: Lässt sterben und belebt, züchtigt und heilt, steht der Wöchnerin bei der Geburt bei, hilft Seefahrern, Wüstenwanderern und Gefangenen in ihren Nöten, wo immer sie sich auch befinden, und all dies zu gleicher Zeit.
Wie ein Hammer, der den Felsen zersplittert
'Und G"tt sprach alle diese Worte, ihnen zu sagen' [Schemot 20, 1]. Rabbi Jizchak bemerkt hierzu: Schon am Berg Sinai wurde offenbart, was jeder Prophet in seiner Generation zu verkünden hat. Mosche sagte nämlich zu Jisrael: 'Ki et ascher jeschno po imanu omed hajom', denn mit dem, der hier mit uns heute steht vor G"tt, unserem G"tt, ‘we’et ascher ejnenu po imanu hajom’ und mit dem, der heute nicht mit uns ist [Dewarim 29, 4]. Am Ende des Verses steht nicht mehr 'der nicht mit uns heute dasteht', sondern 'der nicht heute mit uns ist.' Gemeint sind damit alle Seelen, die in Zukunft geschaffen werden. Zwar waren diese zu jener Stunde nicht physisch anwesend, doch alle, auch die noch nicht Geborenen, erhielten das, was ihnen zukommen sollte. So sind es nicht nur die Newi’im, die Propheten, sondern auch alle Weisen in ihrer Generation, die schon am Sinai erhielten, was sie einst zu ihrer Zeit zu verkünden haben werden.
Rabbi Jochanan sagte: 'Haschem jiten Omer, Hamewassrot Zawa Raw', G"tt gab ein Wort, das jedoch ein grosses Heer verkündete [Tehillim/Psalm 68, 12]. Jedes einzelne Wort, das aus dem Mund des Allmächtigen erklang, wurde in siebzig 'Leschonot', Sprachen verbreitet. Dazu bemerkt ein Gelehrter aus der Schule des Rabbi Jischmael: 'Uchefattisch Jefozez Sala', und wie ein Hammer zersplittert Er den Felsen [Jirmijahu 23, 29]. Genau wie ein Hammer beim Felszersplittern unzählige Splitter sprühen lässt, so enthielt auch jedes Wort, das aus dem Mund des Heiligen, gelobt sei Er, kam, siebzig Sprachen! (Das G"ttliche Wort wird mit einem Hammer verglichen, während die Menschheit einem harten Felsen gleichkommt.) [Talmud Schabbat 88b]
'Kol Gadol Welo Jassaf', eine grosse Stimme, die nicht aufhörte [Dewarim 5, 19]. Rabbi Jochanan sagte: G"ttes Stimme war in sieben Stimmen hörbar, die wiederum in siebzig Sprachen vernehmbar waren.
Unsere Weisen sagten: G"ttes Stimme hatte kein Echo, es hallte nicht wider wie menschliche Stimmen.
Als die erste Stimme erschallte, bebten Himmel und Erde, Meere und Flüsse flohen. Berge und Hügel drohten einzustürzen, alle Bäume fielen auf die Knie und die Toten in ihren Gräbern erwachten zum Leben und standen auf; und alle, die bis zum Ende aller Generationen noch geboren werden sollten, standen mit am Berg Sinai dabei.
Die Stimme, die die ganze Welt erfüllte
Als der Heilige, gelobt sei Er, die Tora am Berg Sinai gab, wurde Jisrael der grossen Wunder gewahr. Wie? G"tt sprach und Seine Stimme erschallte in der ganzen Welt. Jisrael hörte die Stimme von Süden kommend, so eilten sie nach Süden. Plötzlich hörten sie sie von Norden kommend, so eilten sie nach Norden. So wandten sie sich nach allen Himmelsrichtungen, aus denen die Stimme ertönte, und als sie sie vom Himmel her wahrnahmen, erhoben sie suchend ihre Augen nach oben. Als die Stimme aus dem Erdinneren erschallte, sagte einer zum anderen: 'WehaChochma me’ajin tawo', und die Weisheit, woher kommt sie, und wo ist der Ort der Einsicht? [Ijow/Hiob 28, 20].
Die gesamte Tora
Als sich der Heilige, gelobt sei Er, am Sinai offenbarte, um Jisrael die Tora zu geben, verkündete Er sie Mosche in ihrer Anordnung: Zuerst die Schriftliche Lehre, dann Mischna, Talmud und Aggada, denn es heisst: 'Wajedaber Elokim et kol Hadewarim ha'ele', und G"tt sprach all diese Worte; sogar alles, was ein Schüler einst seinen Lehrer fragen wird, enthüllte Er Mosche zu jener Stunde. Als Mosche die Tora aus dem G"ttlichen Mund gelehrt wurde, hatte er den Auftrag, sie den Benej Jisrael weiterzugeben. Da sprach Mosche: Herr der Welt, soll ich sie für sie aufschreiben? G"tt antwortete: Nein, weil Ich weiss, dass einst die Völker der Erde über sie herrschen werden und sie ihnen die Tora wegnehmen wollen, und sie unter ihnen verschmäht sein werden. Deshalb werde Ich ihnen die Tora selbst schriftlich geben, jedoch Mischna, Talmud und Aggada überliefere Ich ihnen mündlich. Wenn die Völker sie dann einst unterwerfen, werden sie durch die mündliche Überlieferung verschieden von ihnen sein.
Geliebt und beliebt werden die Worte der Weisen sein, mehr noch als die schriftliche Lehre, denn so heisst es in Schir Haschirim [1, 2]: 'Ki towim Dodecha Mijajin', denn besser als Wein (die schriftliche Lehre) ist mir deine Freundschaft (das mündlich überlieferte).
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