Ergänzungen: S. Weinmann
Der Geruch des Etrogs wird mit dem "Geruch der Tora" gleichgesetzt
An den ersten zwei Tagen von Sukkot (in Erez Jisrael nur am ersten Tag) wird in der Tora der Abschnitt betreffend den jüdischen Feiertagen in Paraschat Emor [Wajikra 22:26 – 23:44] gelesen.
Gegen Ende dieses Abschnittes lesen wir über die Mizwot (Gebote) des Sukkot-Festes, wie die Mizwa vom Sitzen in der Sukka und der Mizwa der Arba Minim (vier Arten).
Bezüglich der Mizwa der Arba Minim (ibid. 23:40) schreiben die Ba’alej HaTossafot im Namen des Midrasch Raba [Wajikra 30:12], dass diese Arba Minim vier Arten von Juden repräsentieren:
- Der Etrog hat einen angenehmen Geschmack wie auch einen angenehmen Geruch. Diese Frucht verkörpert gerechte und fromme Juden, die die Weisheit der Tora (Wohlgeruch) wie auch gute Taten (Geschmack) haben.
- Der Lulaw (Dattelpalm) hat einen guten Geschmack, man kann die Datteln essen, aber er hat keinen Geruch. Dies symbolisiert die durchschnittlichen Juden, die einen angenehmen Geschmack von guten Taten haben, jedoch keinen Geruch der Tora-Gelehrsamkeit.
- Die Hadass (Myrte) hat einen guten Duft, aber man kann sie nicht essen. Dies symbolisiert die Juden, die den guten Duft der Tora-Gelehrsamkeit haben, jedoch keinen Geschmack von guten Taten.
- Die Arawa (Bach-Weide), die weder einen Geschmack noch einen Geruch hat, symbolisiert die Amej HaAretz (einfachen Juden), die weder den Geruch der Tora noch den Geschmack von guten Taten haben.
(Anmerkung des Herausgebers: Im zitierten Midrasch wird die Tora-Gelehrsamkeit mit dem angenehmen Geschmack und die guten Taten mit dem guten Geruch verbunden, also verkehrt wie ihn die Ba’alej HaTossafot zitieren. Jedoch ändert dies nichts an der Symbolik und Lehre dieser Gedanken)
Die Ba’alej HaTossafot schliessen mit der bekannten homiletischen Lehre: Wir binden alle vier Arten zusammen, um zu symbolisieren, dass G"tt mit dem jüdischen Volk nicht zufrieden ist, bis sie sich zusammen als eine Einheit verbinden.
Lasst uns die Symbolik der Ba’alej HaTossafot bei der Gleichstellung des Geruchs des Etrogs und der Hadass mit dem Geruch der Tora analysieren. Was bedeutet es, wenn man sagt, dass ein Talmid Chacham den "Geruch der Tora" hat? Rav Simcha Sissel macht eine interessante Bemerkung: Maschiach (der gesalbte König) wird in Jeschajahu (11: 1-2) als "ein Sprössling der Pflanze von Jischai (Vater von König David)" beschrieben, "auf dem der Geist G"ttes, der Geist der Weisheit und des Urteilsvermögens, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht G"ttes ruht". Nach all diesen Auszeichnungen, die Maschiach beschreiben, sagt der Passuk (11:3): "Und G"tt wird verursachen, dass er einen Wohlgeruch (wa'haricho) wegen der G"ttesfurcht hat, sodass er weder mit der Sicht seiner Augen urteilen noch aufgrund dessen, was er mit seinen Ohren hört, zurechtweisen muss.
Dieser Geruch, den er besitzen wird, wird ihm die verblüffende Fähigkeit ermöglichen, nicht aufgrund seiner Augen und Ohren zu entscheiden, sondern mit der speziellen Eigenschaft des Geruchs, den G"tt ihm gewähren wird.
Was ist dieser Gedanke von "wa'haricho"?
Der Ramban definiert in seinem Tora-Kommentar das Gebot der Tora "We’assita haJaschar wehaTov - Tue, was in den Augen des Ewigen recht und gut ist" [Dewarim 6:18], diese Mizwa als einen Auftrag, den wahren Willen des Allmächtigen hinter den 613 Mizwot zu ermitteln. Sogar bezüglich der Dinge, die uns nicht ausdrücklich befohlen wurden, sollten wir uns äusserst bemühen, zu tun, was wir als richtig und angemessen in Seinen Augen empfinden.
Auch wenn etwas nicht in der Liste der Gebote aufgelistet ist und nicht im Schulchan Aruch (jüdisches Gesetzbuch) geschrieben steht, haben wir als Juden die Pflicht, zu verstehen, was der Allmächtige wirklich von uns will. Der Ramban sagt, dass die Tora nicht für jede einzelne Situation, die in der Gesellschaft auftritt, Gesetze erlassen kann. Deshalb sagt die Tora generell: „Tue, was in den Augen des Ewigen recht und gut ist“.
Maschiach wird dieses intuitive Wissen haben, was Haschem wirklich von uns will. G"tt wird ihn mit diesem angeborenen, fast instinktiven Wissen dessen, was Er wirklich will, durchdringen. Deshalb werden Fälle vor ihn kommen, die nicht im Schulchan Aruch beschrieben werden, und er wird trotz des Mangels an einem rechtlichen Präzedenzfall entscheiden können, was zu tun ist. Er wird den "Wohlgeruch des Allmächtigen" haben. Er ist so vom Geist Haschems durchdrungen, dass er riechen können wird, was richtig und was falsch ist.
Warum ist der Geruch der bildliche Ausdruck für Wissen?
Wenn jemand in einem Raum hineinkommt und seine Frau eine Hühnersuppe für Schabbat kocht, muss er die Suppe nicht kosten, um zu wissen, was hier gekocht wird. Er weiss, was auf dem Feuer steht. Er riecht die Hühnersuppe. Wenn ein Geruch vorhanden ist, muss man nicht kosten, um zu verstehen, was hier vorgeht. Dies ist die Eigenschaft, die Maschiach haben wird.
Dies ist, was die Ba’alej HaTossafot meinen, wenn sie über den Geruch der Tora (im Vergleich mit dem Geruch des Etrogs oder der Hadass) sprechen. Sie meinen einen Menschen, der den "Geruchssinn" der Tora hat. Er kann riechen, was richtig und was falsch ist. Dies ist der Begriff von "Da’at Tora (Wille der Tora)". Ein Mensch, der eine wahre "Da’at Tora" besitzt, besitzt den Geruch der Tora und kann intuitiv erahnen, was richtig und was falsch ist, sogar in Ermangelung eines klaren Präzedenzfalls. Er kann instinktiv wie durch einen Geruch wahrnehmen, was die Tora und was der Allmächtige will.
Quellen und Persönlichkeiten:
- Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tana’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
- Da’at Sekenim mi'Ba'alej HaTossafot: ein Torakommentar der Ba'alej HaTossafot, der Talmuderklärer des 12. und 13. Jahrhunderts.
- Ramban: Rabbi Mosche ben Nachman (1194 - 1270); Gerona, Spanien; Erez Jisrael; einer der führenden Toragelehrten (Rischonim) des Mittelalters, einer der Haupterklärer des Chumasch (fünf Bücher Moses), wie Verfasser weiterer Werke in Haschkafa (Kitwej haRamban) und Abhandlungen zum Talmud.
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Die Bearbeitung dieser Gedanken erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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