
Von Raw A. A. Rabinowitsch
Aus DJZ, 8. Adar 5778 / 23. Feb. 2018
Ergänzungen: S. Weinmann
- 1. Zu Parschat Sachor - Die Schwere einer Sünde mit Überlegung des Verstandes
In der Haftara von Parschat Sachor wird uns berichtet, dass Schaul Hamelech sein Königtum verloren hat, weil er den Auftrag vom Propheten Schmuel im Namen von Haschem, das Volk Amalek zu vernichten, nicht vollständig ausgeführt hat.
Im Sefer Sichot Mussar von Rabbi Chajim Schmuelewitz werden dazu zwei Fragen aufgeworfen:
- 1. David Hamelech hat laut Chasal (unsere Weisen) seiner hohen Madrega (geistigen Stufe) entsprechend in zwei Fällen einen gewissen Fehler begangen und dennoch ist das Malchut (Königtum) bei ihm geblieben, während Schaul nach seinem Fehler bei Amalek das Malchut endgültig verlor. Wo liegt hier der Unterschied?
- 2. Laut Chasal in der Gemara (Talmud Traktat Joma 22b] ist von König Schaul wegen diesem einen Fehler mit Amalek das Königtum weggenommen worden. In Wirklichkeit aber steht schon zwei Kapitel früher beim Krieg gegen die Pelischtim, als Schaul mit dem Darbringen des Korban (Opfer) nicht auf Nawi Schmuel wartete: "Du hast töricht gehandelt – und deshalb wird dein Königtum keinen Bestand haben" [Schmuel I 13, 13-14]. Somit hat also Schaul zwei Fehler begangen, weswegen ihm das Malchut weggenommen wurde? Auch spricht Schmuel schon beim ersten Fehler über den Verlust des Königtums?
Im Passuk steht: "Wajachamol Schaul wehaAm al Agag we’al mejtaw Hazon - Schaul und das Volk verschonten Agag und die besten Schafe" [Schmuel I, 15, 9]. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Wort Rachamim, Erbarmen, und Chemla, Verschonen. Erbarmen ist mehr eine Gefühlssache ohne vorherige Überlegung, während das Verschonen ein Resultat genauer Überlegung mit dem Verstand ist. Schaul hat sich in seinem Verstand genau zurechtgelegt, warum es schade sei, alle Tiere einfach zu töten, obwohl der Nawi ihm ganz deutlich befohlen hatte, kein einziges Tier am Leben zu lassen. Mit seinem Verstand hat er anders entschieden. Obwohl er damit die beste Absicht hatte, Korbanot (Opfer) für Haschem zu bringen, wird dies als eine Auflehnung gegen den Razon Haschem (G-tteswillen) gewertet.
Dies ist nach Chasal auch im Passuk angedeutet: "Wajarew baNachal - er stritt (hat Krieg geführt) im Tal" [Schmuel I 15:5, siehe Raschi zur Stelle]. Nach Chasal bedeutet dies: Er hat gestritten (quasi mit Haschem) und sich überlegt bez. der Mizwa von Egla Arufa (Kalb, dem das Genick gebrochen wird). Findet man nämlich einen Erschlagenen, ohne dass man weiss wer ihn erschlagen hat, so muss ein Kalb gebracht werden, welchem man im Tal - als eine Kapara (Sühne) für den Mord - das Genick bricht [siehe Dewarim 21:1-9]. Wegen einer einzigen Person, die ermordet wurde, muss eine Egla Arufa als Sühne gebracht werden, und hier soll ein ganzes Volk, Männer, Frauen und Kinder getötet werden. Und auch wenn die Menschen gesündigt haben, was haben die Tiere gesündigt? Darauf kam eine Bat Kol, eine Stimme vom Himmel, und sagte zu Schaul: "Al tehi Zaddik harbe - sei nicht ein zu grosser Zaddik". Wenn Hakadosch Baruch Hu verlangt, Amalek auszurotten, dann soll man nicht mit dem eigenen Sechel (Verstand) darüber nachdenken.
Dies war ein Fehler im Awdut (Dienst) von Schaul, sagt Rabbi Chajim Schmuelewitz sZl. Awdut bedeutet, dass man sich total dem Razon Haschem unterwirft, auch wenn es gänzlich gegen den eigenen Sechel ist.
Der erste Fehler von Schaul, als er mit dem Korban vor dem Krieg gegen die Pelischtim nicht auf den Nawi wartete, ging auch in die gleiche Richtung. Als er sah, dass die Soldaten, welche mit ihm waren, anfingen, sich zu zerstreuen und Schmuel nicht kam, entschied er mit seinem Sechel, nicht mehr zu warten, und brachte das Korban dar, gegen das Gebot des Nawi im Namen G-ttes. Auch dies war ein Fehler im Awdut. Bei einem Ziwuj Haschem (Gebot G-ttes) müssen alle eigenen Cheschbonot (Überlegungen), auch wenn sie noch so einleuchtend sind, zurücktreten.
Nun verstehen wir sehr gut, weshalb Chasal dies bei Schaul nur einen Fehler nennen, denn in beiden Fällen hat Schaul trotz seiner hohen Madrega mit seinem Verstand gegen den Ziwuj Haschem entschieden, und dies hat ihn sein Malchut gekostet. Der Anfang dieser Sünde war bereits beim Krieg gegen die Pelischtim, und bei Amalek hat er durch den gleichen Fehler endgültig das Malchut verloren.
Solch ein Chet (Sünde) ist viel schlimmer, als wenn jemand in einem schwachen Moment "seine Gefühle nicht beherrschen kann", wie es bei David Hamelech der Fall war. Dies ist einer der Gründe, weshalb das Malchut trotz seinen "Sünden" bei David Hamelech blieb, während es von Schaul trotz seiner hohen geistigen Stufe weggenommen wurde.
Mit den erwähnten Gedanken kann auch der bekannte Ausspruch von Chasal in der Gemara, welcher auch im Schulchan Aruch gebracht wird, erklärt werden: "Ein Jehudi ist verpflichtet, sich am Purim mit Wein zu berauschen, bis er den Unterschied zwischen "Arur Haman - verflucht sei Haman", und "Baruch Mordechai - gebenscht sei Mordechai", nicht mehr weiss und versteht.
Wir sollten am Purim durch die Kabbalat Hatora und Emunat Chachamim (Glauben an die Weisen) zur Erkenntnis kommen, dass nicht wir mit unserem Sechel entscheiden, wer verflucht und wer gebenscht ist, sondern nur der Razon Haschem und Emunat Chachamim dies tun. Haman ist verflucht, weil dies der Razon Haschem ist, und Mordechai ist gebenscht, weil dies der Razon Haschem ist. Unser Wissen und Verstehen tritt vor dem Razon Haschem und der Emunat Chachamim vollständig zurück. (Sichat Mussar von Rabbi Chajim Schmuelewitz sZl, Ma’amar Ewed Haschem).
- 2. Zu Purim
Wir finden am Purim zwei besondere Mizwot, welche Freundschaft und Achdut (Einheit) in Jisrael fördern sollen, nämlich: Mischloach Manot und Matanot le'Ewjonim. Welches ist der Zusammenhang dieser zwei Mizwot mit Purim?
In seinem "Kitrug (Anklage)" gegen das jüdische Volk erwähnte Haman: "Jeschno Am echad mefusar umeforad", es gibt ein Volk, das zerstreut und zersplittert ist (Ester 3, 8). Wenn beim jüdischen Volk Einigkeit und Ahawat Jisrael (Nächsteliebe) fehlt, dann sind sie der Gefahr von Ejsaw und Amalek ausgesetzt. Chasal sagen im Midrasch über Ja’akow Awinu: "Kinusso weKinuss Banaw hizilo mijad Ejsaw - seine Versammlung und die Versammlung seiner Kinder haben ihn von der Hand Ejsaws gerettet" [Midrasch Rabba Berejschit 84:1]. Versammlung und Einigkeit ist die beste Rettung vor Ejsaw und Amalek. So hat auch Esther zu Mordechai gesagt: "Lech Kenos et kol Hajehudim - gehe und versammle alle Jehudim (in Einigkeit und Ahawat Jisrael)" [Esther 4:16]
Diese zwei Mizwot am Purim sollen Achdut und Ahawat Jisrael im jüdischen Volk fördern (Sefer Hatodaa).
Quellen und Persönlichkeiten:
- 1. Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tanna’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
- 2. Rabbi Chajim Schmuelewitz (1902 – 1978), Schwiegersohn von Rabbi Elieser Jehuda (Lejser Judel) Finkel. Rosch Jeschiwa in Mir (Litauen), Schanghai (China) und Jerusalem.
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Die Bearbeitung dieser Beiträge erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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