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Rav Leibel Lam zu Pirkej Awot

Abschnitt 3, Mischna 9

Bearbeitet und ergänzt von S. Weinmann

„Rabbi Ja’akow sagt: „Wer auf dem Wege geht, und Torah lernt und sein Lernen unterbricht und ausruft: „Wie schön ist dieser Baum! Wie schön ist dieser Acker!“ – so betrachtet dies die Schrift, als ob er seine Seele eingebüsst hätte.“

Was ist das grosse Verbrechen, wenn man sich die Zeit nimmt, die grossartigen Werke des Schöpfers zu bewundern? Der Chowot HaLewawot befasst sich in einem langen Abschnitt seines klassischen Werkes mit der Notwendigkeit, die Natur zu erforschen, damit man auf diese Weise die Güte und die Genialität des Schöpfers richtig erkennen und würdigen kann. Der Rambam (Maimonides) sagt, dass man auf diese Weise zu Liebe und Ehrfurcht gegenüber dem Allmächtigen gelangt. Also?

Die Braut und der Bräutigam waren am Telefon in einem Gespräch vertieft. Nach einer Weile spürte der Bräutigam, dass die Braut nicht mehr zuhörte. Er war beunruhigt und fragte sich, was wohl mit ihr geschehen sei. Nach einigen Minuten kehrte sie zum unterbrochenen Gespräch zurück und entschuldigte sich. Sie versicherte dem künftigen Ehemann, dass alles in Ordnung sei und erklärte ihm, dass sie den Diamanten auf ihrem Verlobungsring betrachtet habe und dass sie wegen dessen Schönheit so abgelenkt worden sei, dass sie einfach den Telefonhörer auf die Seite gelegt hätte.

Der Bräutigam gab seiner tiefen Enttäuschung Ausdruck. Sie hingegen konnte sich gar nicht vorstellen, was sie falsch gemacht hatte. Es ging um den Ring, den er ihr geschenkt hatte. Sie nahm an, dass er sich geschmeichelt hätte fühlen müssen. Er erklärte ihr: „Ich schenkte dir den Ring, damit du dich an mich erinnerst und als Symbol meiner Liebe zu dir, wenn ich nicht da bin. Wie kannst du es aber zulassen, dass dich der Ring ablenkt, wenn ich mit dir spreche?“ Es ist ungefähr gleich einer Mutter, die auf das Kompliment „welch hübsches Baby“ entgegnet: „Wenn du meinst, dass das Baby hübsch ist, so schau doch mal die Fotos an!“

Die Mischna beschreibt genau so jemanden, der sein Torah-Lernen unterbricht, um seine Bewunderung für einen Baum oder ein gepflügtes Feld kundzutun. Das Torah-Lernen ist im Grunde das Mittel, um dem Allmächtigen zuzuhören oder mit ihm einen Dialog zu führen. Die aufsehenerregende Schönheit der Schöpfung entspricht dem Diamanten, der uns zu einem Gefühl von Liebe und Ehrfurcht bringen soll. Wir müssen aber begreifen, dass Schönheit ein Anreiz aber kein Ersatz für diese wichtige Beziehung ist.

Eine Frage tauchte immer wieder auf, als wir vor geraumer Zeit die atemberaubende Fahrt von New York nach Montreal unternahmen. Die Bäume und gepflügten Felder beeindruckten uns während der ganzen Reise. Wieso verwendet die Mischna gerade diese zwei Dinge: „Baum“ und „Acker (gepflügtes Feld)“? Welche zusätzliche Botschaft bildet die Erwähnung gerade dieser zwei Objekte?

Ein Baum ist ein wunderbares Beispiel für die Schaffenskraft des Schöpfers. Denn nur G-tt allein kann einen Baum erschaffen! Aus diesem Samen, der einem kleinen Computer-Chip ähnelt, entsteht auf magische Weise in der dunklen Erde ein so grossartiges Endprodukt. Welche Überraschung! In jeder Frucht ruhen die Baupläne für viele weitere Bäume. Dies ist ein wunderbares Werk.

Ein gepflügtes Feld symbolisiert, was ein Mensch aus sich machen kann. Der Maharal sagt, dass die Menschheit „Adam“ genannt wurde, weil dieser Ausdruck von „Adama (Erde“) herkommt. Dies kommt, um die Grösse seines Potenzials hervorzuheben. Falls ein Landstück systematisch gejätet und gepflügt wird, kann es grossen Ertrag abwerfen. Wird der Geist des Menschen aus Nachlässigkeit dem freien Kräftespiel überlassen, so wird er bald von Unkraut überwuchert.

Was sagt uns das Bild, das in der obenerwähnten Mischna skizziert wird (nicht mitten im Lernen)? Jemand betrachtet zuerst einen Baum und dann ein gepflügtes Feld. Denk nach! Denk an deine Möglichkeiten! Was ist, wenn wir das Beste, das der Allmächtige zu bieten hat, mit dem Besten des Menschen verknüpfen? Ist ein Fruchthain nicht das beste Beispiel dafür?

Dies ist ein feiner Hinweis für denjenigen, der sein Wesen vom Geschehen gelöst und von der Rolle des Mitspielers zur Rolle eines Zuschauers gewechselt hat: Er möge doch wieder ins „Geschäft“ zurückfinden. Wenn die Samen der Weisheit in den gepflügten Boden gesät werden, wird die Erde des menschlichen Herzens in einen wunderbaren Fruchthain verwandelt werden.

 

Quellen und Persönlichkeiten:

Chowot Halewawot: „Pflichten des Herzens“ geschrieben von Rabbi Bachjeh Ibn Pakuda im Spanien des 11. Jahrhunderts. Ursprünglich in Arabisch; wurde von Rabbi Jehudah Ibn Tibbon im 12. Jahrhundert ins Hebräische übersetzt.

Rambam, Rabbi Mosche ben Maimon (Maimonides) (1135 – 1204), einer der bedeutendsten Rischonim, seine Hauptwerke sind „Mischne Tora-Jad Hachsaka“, Erklärung zur Mischna und „Moreh Newuchim“, Spanien, Aegypten, Israel

Maharal: Rabbi Jehuda Loeb von Prag (1512 - 1609); Rabbiner, Denker und Verfasser von unzähligen Werken, speziell in Haschkafa (jüd. Weltanschauung).

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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