Ich will es versuchen
von David Kleiner und Keren Haschewiit; "Weziwiti Birchati"; Ijar 5767/Mai 2007
aus „Die Jüdische Zeitung“, Nr. 50, 5. Tewes 5768/14. Dezember 2007
"Schalom! Kann ich mit Raw Reuwen Meir sprechen?" fragte eine Stimme am Telefon.
"Das bin ich. Was kann ich für Sie tun?"
"Sind Sie der Verantwortliche für die Schmitta beachtenden Menschen im Land?"
"Ja."
"Ich bin ein Bauer aus dem Süden. Ich bin zwar nicht religiös, habe aber beschlossen, dass ich dieses Jahr das Schmittajahr beachten will. Kann ich Sie vielleicht treffen?"
"Sehr gern. Wo passt es Ihnen?"
"An der 'Kreuzung Coca Cola' gibt es eine Tankstelle von 'Pas'. Ich könnte heute Nachmittag um vier Uhr dort sein. Ist das in Ordnung?"
"Kein Problem", entgegnete Raw Meir.
"Welch seltsame Geschichte", dachte er. "Ich glaube, dass ich noch nie so etwas Seltsames gehört habe."
Hier muss man kurz erwähnen, dass Raw Meir die Aktivitäten des Keren Haschwiit (Schmitta-Fond der den Schmitta-hütenden Bauern und Landwirte mit Rat und Tat zur Seite steht.) koordiniert, der die Landwirtschaftsarbeiter, die Schmitta beachten, unterstützt.
Das Gespräch war an sich aussergewöhnlich, da die Mitglieder des Keren gewöhnlich von Siedlung zu Siedlung gehen, um die Bauern zu überreden, Schmitta zu beachten. Dies erfordert viel Überredungskunst und oft stundenlange Gespräche. Und hier kommt dieser Bauer plötzlich, der sich dazu noch als "lo dati" (nicht religiös) vorstellt, und sagt von sich aus, dass er Schmitta laut der Halacha beachten will. Dies müssen wahrscheinlich Moschiachs Zeiten sein...
Zur vereinbarten Zeit erreichte Raw Meir den Treffpunkt, und blickte sich auf dem ganzen Areal der Tankstelle um. Nach ein paar Minuten sah er jemanden, auf den die Beschreibung "nichtreligiöser Bauer" passte, und der den Anschein machte, auf jemanden zu warten. Raw Meir ging auf ihn zu, und sobald der Andere ihn sah, leuchteten seine Augen auf.
"Sind Sie Raw Meir?" fragte er.
"Ja".
"Ich freue mich, Sie kennen zu lernen", sagte er und stellt sich als Lior vor. "Haben Sie etwas dagegen, wen wir uns in mein Fahrzeug setzen, um uns ungestört unterhalten zu können?" fragte er.
Die Beiden machten es sich bequem und Lior erklärte.
"Sehen Sie, Raw Meir, ich bin ein Bauer aus dem Süden des Landes. Dieses Jahr haben meine Frau und ich beschlossen, Schmitta zu beachten, aber wir haben überhaupt keine Ahnung, wie wir das tun sollen, und was damit verbunden ist. Raw Meir, ich bin bereit zu bezahlen, was nötig ist, um Schmitta zu beachten."
"Sie müssen nichts bezahlten", erwiderte Raw Meir und lächelte freundlich.
Es stellte sich heraus, dass der Mensch wirklich keine Ahnung hatte, was Schmitta bedeutete. "Um Schmitta zu halten"; erklärte der Raw, "muss man ganz einfach jegliche Arbeit auf dem Land einstellen, und das während dem ganzen Jahr, das 'Schwiit' genannt wird, Der Anfang des Jahres ist am Rosch Haschana 5768 und endet am Rosch Haschana 5769. Das sind die Regeln in Kürze," beendete der Raw seine Einleitung.
Im Verlauf ihrer Unterhaltung beschrieb er verschiedene Vorschriften und Anweisungen, die mit dem Brachliegen der Felder und Plantagen verbunden sind, wie die Felder vorzubereiten sind, und andere Dinge, die in der Halacha erwähnt sind.
"Keren Haschwiit wird Ihnen jederzeit behilflich sein", fügte Raw Meir hinzu. "In wenigen Tagen weden wir Ihnen einen Fachmann für Landwirtschaft schicken, der Ihnen während dem ganzen Jahr zur Seite stehen und behilflich sein wird."
"Vielen Dank," erwiderte Lior. "Das ist wirklich interessant, was Sie mir erklärt haben. Bis heute wusste ich nur wenig über Schmitta. Jetzt verstehe ich, dass es viel komplizierter ist, als ich angenommen hatte."
"Ja, der 'Nisajon', die Prüfung, ist nicht leicht", fügte Raw Meir hinzu. "Es ist viel schwieriger, als man denkt. Doch Sie sollen wissen, dass Haschem einem hilft."
"Das müssen Sie mir nicht erzählen", meinte da Lior überraschend. während sich ein grossese Lächeln auf seinem Gesicht breit machte.
"Was meinen Sie damit?" fragte Raw Meir, nun doch sehr neugierig.
"Sind Sie nicht erstaunt, dass ein nichtreligiöser Mensch wie ich, der überhaupt nichts von Halacha versteht, sich plötzlich entscheidet, vierzig Dunam Land, das die herrlichste Ernte produziert, plötzlich brachliegen zu lassen?"
"Um ehrlich zu sein, Lior, hat mich diese Frage vom Moment, als Sie mich angerufen haben, beschäftigt, und auch jetzt während unserem Treffen liess sie mir keine Ruhe. Nun, vielleicht, ist es an der Zeit, die Karten offen auf den Tisch zu legen."
"Das Ganze, hat vor drei Jahren begonnen", fing Lior an zu erzählen. "Eines Tages unterhielt ich mich mit meiner Frau über die Tatsache, dass wir in Erez Jisrael leben und wir Jehudim sind, und wir fragten uns, was dies für uns bedeutet. Das letzte Mal, als wir auf etwas Jüdisches stiessen, war in den "Nach"-Stunden (Tora, Newiim, Ketuwim) in der Primarschule. Es kann doch nicht recht sein, dass wir in Erez Jisrael leben, alle Jehudim, durch Gefahren und Kriege, ohne auch nur einmal nachzudenken, was all dies mit uns zu tun hat?"
"Zum Schluss entschieden wir, dass wir jeden Abend mit der ganzen Familie ein paar Kapitel Tenach lesen würde. Wir hofften, dass dies unser Wissen im Zusammenhang mit dem Judentum erweitern würde."
"Und so fingen wir an, uns gemütlich mit den Kindern zusammen im Garten hinzusetzten, und während wir etwas tranken, ein paar Kapitel in Tanach zu lesen. Von Zeit zu Zeit hielten wir inne, und diskutierten, was wir gerade gelesen hatten. Wir alle empfanden, dass wir täglich etwas Neues über das jüdische Volk und die jüdische Geschichte lernten, über die Verbindung mit diesem Land und die Grundlagen des Glaubens, der zur ganzen Menschheit führt."
"Und dann kamen wir eines Tages zu Parschat Behar. Wir fingen an, die Pesukim zu lesen, und wir fanden einen ganz besonderen Befehl: "Wenn ihr ins Land kommt, das ich euch geben werde, soll das Land ruhen, Schabbat LaHaschem - sechs Jahre sollst du dein Feld besäen und sechs Jahre deinen Weinstock beschneiden, und sammle seinen Ertrag ein, und im siebten Jahr 'Schabbat Schabbaton' (ein hohes Ruhejahr) soll dem Land sein!.. Dein Feld sollst du nicht säen, und deinen Weinstock nicht schneiden!"
"Meine Frau und ich schauten einander verblüfft an. In der alten Zeit gab es keine Möglichkeiten, Nahrungsmittel ausserhalb der bestimmten Jahreszeit, in denen sie wuchsen, zu erhalten. Er gab keine Kühlgeräte, um grosse Quantitäten aufzubewahren. Wie konnte sich dann ein ganzes Volk von der Landwirtschaft ernähren und sich an einen solchen Befehl halten, und einmal alle sieben Jahre weder säen noch ernten, und überhaupt nichts Essbares anpflanzen und produzieren? Soweit wir uns erinnerten, fiel das Man vom Himmel nur während Zeit, als die Jehudim in der Wüste waren, und nicht mehr, nachdem sie in Erez Jisrael waren."
"Wir beschäftigten uns damit, bis meine Tochter plötzlich ausrief: 'Abba, lies doch bitte noch zwölf Sätze weiter. Es gibt da eine Antwort auf eure Frage.'"
"Wir schauten Passuk 20 an, und siehe da, unsere Frage stand genau in diesen Pesukim: 'Und wenn ihr sagen werdet, was sollen wir essen im siebten Jahr? Siehe, wir dürfen nicht säen und unseren Ertrag nicht einsammeln?!' Genau das, was wir wirklich gefragt hatten - und hier kam die Antwort, die uns sehr überraschte: 'Weziwiti et Birchati lachem beSchana haschischith w e'asat haTewua leschalosch haSchanim... useratem et Haschana haschischith weachaltem min haTewua jaschan ad Haschana hatschiit ad ba Tewuata tochlu jaschan!!!'.
"Wir blickten einander sprachlos an. Wie konnte die Tora so etwas versprechen? Nachdem die Erde nach einem festgesetztem Zyklus von fünf Jahren jeweils eine gewisse Menge erzeugte, würde sich die Natur plötzlich im sechsten Jahr ändern und dreimal soviel produzieren? Das war doch ein übernatürlices Versprechen. Für eine nichtreligiöse Familie von Bauern, die zu ihrem Vergnügen des Tenach las, überstieg dies die Grenzen einer blossen Geschichtserzählung. Hier war die Rede von einem ganzen Volk, das etwas zu essen haben würde, wenn es alle landwirtschalftlichen Arbeiten innerhalb der Grenzen seines Landes einstellt. Wenn dieses Versprechen ein leeres Versprechen, war, da würde ja ein ganzes Volk zugrunde gehen!"
"Dann sagte meine Frau wie aus heiterem Himmel: "Lior, weisst Du was? Wir werden dies ausprobieren. Wir werden beschliessen, dass wir alle unsere Felder im kommenden Schmittajahr ruhen lassen werden, und wir wollen sehen, was im sechsten Jahr geschieht. Was meinst du dazu?"."
"Ich überlegte und nach ein paar Minuten beschloss ich, die Herausforderung anzunehmen. Das wäre doch eine wunderbare Möglichkeit, zu überprüfen, was im Tenach steht, doch hatte ich keine Ahnung, wann dieses Schmittajahr war."
"Nachdem ich mich etwas erkundigt hatte, fand ich heraus, dass wir im fünften Jahr standen. Wir beschlossen, dass wir in zwei Jahren Schmitta beachten wollten, und warteten ungeduldig auf das sechste Jahr."
Lior verstummte kurze Zeit lang, und nahm einen Schluck Wasser aus einer Flasche, die er mitgebracht hatte. Raw Meir, der sehr gespannt gelauscht hatte, fragte: "Nu, jetzt sind wir schon in der zweiten Hälfte des sechsten Jahres. Hast du jetzt Beweise?"
"Ja", erwiderte Lior, und schwieg, und amüsierte sich an Raw Meirs Spannung.
"und..."
"Es tut mir leid, dass ich Sie enttäuschen muss, da bei mir die Bracha nicht dreifach ausfiel."
"Was geschah dann?"
"Ich arbeite schon dreissig Jahre lang in der Landwirtschaft. Die Daten sind bei mir sehr genau. Jedes Jahr sind die Verdienste mehr oder weniger gleich, aber dieses Jahr geschah etwas sehr Seltsames. Nach einer ganzen Reihe von Geschehnissen, entdeckten wir, dass ich gleich fünfmal soviel wie gewöhnlich verdient hatte!"
"Das Fünffache?"
"Ja, genau. Ich habe im Moment soviel eingenommen, wir ich das sonst in genau fünf Jahren tue! Von mir aus gesehen ist es überhaupt kein Problem, Schmitta zu beachten, und das mit Gewinn."
"Was geschah dieses Jahr, das in den letzten dreissig Jahren nicht vorkam?" fragte Raw Meir, der noch immer sehr erstaunt war.
"Ich züchte auf meinem vierzig Dunam Land Peperoni, hauptsächlich für den Export", erwiderte Lior. "Normalerweise verkaufe ich ein Kilo Peperoni zum Engros-Preis von etwa 3.00 bis 3.50 Schekel. Dieses Jahr kamen Anfragen aus der ganzen Welt, dass ich meine Ware an sie verkaufen soll, und die Preise, die sie mir anboten, stiegen immer höher. Zum Schluss bezahlten sie für die Peperoni 18 Schekel pro Kilo!"
"Das entspricht 'Chai'..."
"Wachai bahem... kurz gesagt kamen Anfragen aus der ganzen Welt. Ich verstand nicht, was geschehen war. Ich begann mich zu interessieren, und es stellte sich heraus, dass auf der Welt ein Mangel an Peperoni herrschte. Verschiedene europäische Länder, und an ihrer Spitze Spanien, gehören zu den grossen Produzenten von Peperoni. Vor ein paar Monaten stellte ein Gesundheitsministerium fest, dass ein giftiger Stoff in allen Erzeugnissen enthalten war. Eine kurze Untersuchung ergab, dass dieses Jahr eine grosse Quantität Sprühmittel von einer chinesischen Firma gekauft worden war, zu einem viel billigerem Preis, aber wie immer stellte sich heraus, dass das, was billiger erscheint, in Wirklichkeit teurer war! Der Stoff war ungeeignet für diese Anwendung, und alle Erzeugnisse der Landwirtschaft in Spanien und in anderen Ländern mussten vernichtet werden. Dadurch entstand ein weltweiter Mangel an Peperoni, und die Absatzmärkte suchten verzweifelt auf der ganzen Welt, um Peperoni von guter Qualität zu kaufen. Als sie von mir hörten, waren sie bereit, ein Vermögen zu bezahlen, nur um meine Ware zu bekommen."
"Natürlich stehen wir sprachlos vor dieser Tatsache. Wir haben nichts hinzuzufügen. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass dies mein dreissigstes Jahr ist, in dem ich in der Landwirtschaft arbeite, und jedes Jahre habe ich ungefähr gleich viel gezüchtet, und der Preis blieb mehr oder weniger gleich. Die vielen Zufälle dieses Jahr können nicht anders erklärt werden, ausser dass dies eine besondere Bracha von Haschem ist."
"Also ist jetzt die Zeit gekommen, wo wir unseren Teil des Versprechens halten wollen, und die Schmitta mit allem, das damit verbunden ist, beachten wollen..."