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Wunder geschehen oft gemächlich – Perspektiven zum neuen Jahr (Rav Frand Noach 5782)

Rav Frand zu Paraschat Noach 5782

Ergänzungen: S. Weinmann

Wunder geschehen oft gemächlich –

Perspektiven zum neuen Jahr

Rav Schimon Schwab macht in seinem Buch folgende Überlegung. Wir wissen, dass die Wassermassen die Erde so vollständig bedeckten, dass sogar die höchsten Berggipfel völlig überflutet waren [Bereschit 7:19]. Am 17. Marcheschwan 1656 begann der Mabul. Vierzig Tage regnete es und weitere 150 Tage vermehrten sich die Wasser durch die tiefen Quellen der Erde, bis die höchsten Berge bedeckt waren. Am 1. Siwan - 190 Tage nach dem Beginn der Sintflut - begann das Wasser abzunehmen. Sechzig Tage später - am 1. Aw - waren die Spitzen der hohen Berge wieder zu sehen [ibid. 8:5, siehe Raschi zur Stelle]. Weitere sechzig Tage später - am 1. Tischri 1657 - war das Wasser von der Oberfläche der Erde verschwunden [ibid. 8:13]. Es ist eigentlich zu erwarten, dass es viel mehr als sechzig Tage, welche die Torah in dieser Erzählung beschreibt, benötigt, damit das Wasser so weit zurückgeht oder verdunstet, sodass wieder trockenes Land sichtbar wird.

Gemäss den Gesetzen der Physik oder der Natur wären eher Jahre als Wochen oder Monate notwendig gewesen, um diese grossen Wassermassen zum Verschwinden zu bringen. Die ganze Erde war überflutet und vom Wasser bedeckt. Der einzige Weg zu verstehen, wie diese Wassermengen in dieser kurzen Zeit, wie sie von der Torah beschrieben wird, zum Verschwinden gebracht werden konnten, kann nur mit einem Wunder erklärt werden.

Wenn wir jedoch annehmen, dass diese Hunderte von Millionen Hektoliter Wasser auf wundersame Weise zum Verschwinden gebracht worden waren – warum brauchte dieses Wunder „so lange“? Wieso musste Noach – in den letzten drei Elul-Wochen - den Raben und die Taube aussenden? Wieso musste er eine Woche warten und dann noch eine Woche und dann noch eine Woche, bis die Taube verschwand? Wieso mussten die Einsassen der Tejwa (Arche), auch nachdem die Taube nicht mehr zurückkehrte, noch so viele weitere Tage in der Arche verbringen? Am 1. Tischri 1657 kehrte die Taube nicht mehr zurück und erst am 27. Marcheschwan (57 Tage später) durften sie die Tejwa verlassen, da erst dann die Erde gänzlich trocken war.

Wieso hörte die Flut nicht sofort - nachdem G’tt entschieden hatte, dass die Flut aufhören muss -  auf und machte trockenem Festland Platz? Da G’tt schon ein Wunder machte – wieso tat er dies nicht auf eine etwas dramatischere Weise und ersparte Noach damit die lange Wartezeit?

Rav Schwab meint, dass die Torah uns damit lehrt, dass wir, wenn wir im Leben auf G’ttes Rettung hoffen, oft ein wenig Geduld aufbringen müssen. Für den modernen Menschen ist dieser Gedanke recht schwierig. Für uns muss alles sofort geschehen. Wenn wir etwas aufwärmen wollen, stellen wir es für 30 Sekunden in den Mikrowellenofen. Wenn wir eine heisse Tasse Kaffee begehren, gehen wir zur Kaffeemaschine und benützen die Heisswasserdüse. Heutzutage brauchen wir auf nichts zu warten. „Wollen Sie das Dokument sehen?“ „Senden Sie es bitte per Fax oder e-mail.“ Und wenn es wirklich nicht anders geht, mit der Express-Post.

Bei G’tt funktioniert es anders. Die Rettung ist vielleicht schon da. G’tt hat vielleicht schon entschieden, die Flut zu beenden. Aber die Erlösung erfolgt nicht umgehend.

Der Talmud schreibt [Traktat Berachot 55a], dass jemand, der zu G’tt betet und daraufhin erwartet, dass sein Gebet sofort erhört wird, „Herzschwäche“ erleidet („ba li’jedej Ke’ejw Lew“).

Jedermann steht es frei für einen Arbeitsplatz oder die Aufnahme in eine Schule zu beten. Er ist auch frei, nachher zum Briefkasten zu eilen und nachzuschauen, ob die erhoffte Nachricht eingetroffen ist. Ein Mensch kann krank sein oder ein Leiden haben. Er kann für Heilung beten. Er kann zum Arzt gehen und sich für sein Leiden behandeln lassen. Es ist ihm aber nicht zu empfehlen, zu glauben, dass ihn die Behandlung sofort heile.

Denn so funktioniert es nicht. Wir benötigen „und er wartete nochmals sieben Tage …“ und dann „und er wartete nochmals sieben Tage …“ [Berejschit 8:10,12]. Manchmal braucht es Geduld. Nicht alles geschieht sofort.

Am Ende von Paraschat Schemot beklagt sich Mosche bei G’tt: „Wieso hast du die Lage für diese Nation noch verschlimmert? Wieso hast du mich denn gesandt? Vom Moment an, da ich zu Pharao kam, um in Deinem Namen zu  reden, behandelt er das Volk noch schlimmer und Rettung hast Du Deinem Volke nicht gebracht.“ [Schemot 5:22-23]

Mosche klagte, dass die magischen Worte „Lass mein Volk ziehen“ nicht wirkten. Nicht nur, dass Pharao sie nicht gehen liess, es ärgerte ihn nur und verschlimmerte die Lebensbedingungen für das jüdische Volk.

G’tt antwortete Mosche: „JETZT wirst du sehen, wie ich mit Pharao verfahre, denn von starker Hand gezwungen, wird er das Volk ziehen lassen und von starker Hand gezwungen, wird er sie aus seinem Lande treiben.“ [Schemot 6:1]

Der Talmud [Traktat Sanhedrin 111a] (wie in Raschi hier zitiert) deutet dies als „Jetzt wirst du sehen, wie Ich mit Pharao verfahre, aber du wirst nicht sehen dürfen, was mit den 31 Königen (7 Völker) geschieht, wenn Ich Israel in das Land Kena’an bringe. Du hast über meine Eigenschaften nachgegrübelt, nicht wie Awraham, zu dem ich gesprochen [Bereschit 21:12] denn durch Jizchak wird dir Nachkommenschaft genannt werden, und dann sagte Ich zu ihm [Bereschit 22:2], bringe ihn zum Ganzopfer dar, und er grübelte nicht über meine Eigenschaften nach…“ Der Talmud bringt noch weitere ähnliche Beispiele von unseren Patriarchen. Dies war ein Aspekt von Mosches Bestrafung, dass er nicht nach Erez Israel hineingelassen wurde; er hatte keine Geduld gehabt und „hinterfragte“ die Anweisungen G’ttes.

Aber auch bei der Eroberung des Landes Israel waren 14 Jahre nötig, um das Land Israel zu besiedeln, sieben Jahre dauerte der Krieg gegen die Kena’aniter und sieben weitere Jahre die Aufteilung des Landes. Es geschah nicht plötzlich.

Mosche Rabbejnu - der wegen seiner Grösse natürlich strenger beurteilt wurde - verlangte von G’tt etwas, das nicht im Einklang mit G’ttes Führung der Welt stand. G’tt liefert keine unmittelbaren Ergebnisse. Es braucht Zeit. Das ist die Lehre von „Noach wartete“. Er sagte nicht: „Der Regen hat aufgehört. Es ist Zeit, die Arche zu verlassen.“ Rettung braucht Zeit, sie erfolgt nicht sofort.

Manchmal beendigen wir die Jomim Nora’im (die hohen Feiertage) und wir erwarten von G’tt sofortige Veränderungen. Wir haben andächtig gebetet. Wir stehen in einem neuen Jahr. Ein neuer Richtspruch ist erfolgt. Alle meine Probleme sollten jetzt gelöst sein. Wir erwarten, dass sich am Tag nach Jom Kippur, aber spätestens nach Simchat Torah, alles Mühsal in nichts auflöst. „Ich habe gut gebetet. Ich habe gut getanzt. Ich hatte das Gefühl, dass Du mich erhört hast. Nu?“

Noach musste warten. Noach musste weiterschauen. Die Sintflut war zu Ende, aber es brauchte Zeit. So handelt G’tt. Die Erlösung erfolgt nicht immer im Galopp. Das ist eine Lehre, die sich der moderne Mensch zu Herzen nehmen muss.

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi (1040-1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Rav Schimon Schwab (1908 - 1995): Rabbiner der Gemeinde Adat Jeschurun in Washington Heights, New York.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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