Der wahre Schüler von Awraham Awinu (Rav Frand Wajera 5782 – Beitrag 2)

Rav Frand zu Paraschat Wajera 5782 – Beitrag 2
Bearbeitet und ergänzt von S. Weinmann
Der wahre Schüler von Awraham Awinu
In der dieswöchigen Parascha heisst es: „Awraham stand früh auf und begab sich des Morgens früh an den Ort, an dem er (einen Tag zuvor) vor dem Angesicht des Ewigen gestanden hatte.“ [Bereschit 19:27]. Nach Awraham’s Zwiegespräch mit G’tt, als er für Sedom eintrat, die Stadt mit seinen Bitten jedoch nicht zu retten vermochte, sagt der Passuk, dass Awraham – am nächsten Tag - an den Ort zurückkehrte, wo er ursprünglich vor dem Angesicht des Ewigen gestanden hatte.
Der Talmud lernt aus dieser Begebenheit [Traktat Berachot 6b], dass „Jedermann, der einen bestimmten Ort für sein Gebet festlegt (zuhause und in der Synagoge), ihm der G’tt Awraham’s ein Schutz sein wird“. Der Talmud lehrt die Wichtigkeit eines bestimmten Gebetsplatzes von Awraham. Der Talmud legt dar, dass derjenige, der an einem festen Platz betet, nicht nur die Hilfe vom G’tt Awraham’s erhält, sondern auch verdient, dass die Menschen nach seinem Tode über ihn sagen werden, „wehe uns, über den Verlust dieser bescheidenen Person, wehe uns, über den Verlust dieses frommen Menschen, der ein wahrer Schüler Awraham’s war“.
Die Frage darf gestellt werden: Auch wenn wir annehmen, dass es eine schöne Idee ist, am gleichen Ort zu beten; warum aber legt die Torah so grossen Wert auf diesen Faktor?
Ich sah eine wunderbare Erklärung von Rav Bergmann in Scha’arej Orah. Die Mischna [Pirkej Awot 5:22] stellt die Schüler Awraham Awinu’s (unseres Vaters) den Schülern von Bil’am gegenüber: „Derjenige, der folgende drei Eigenschaften besitzt ist ein Schüler Awraham Avinu’s; derjenige, der drei andere Eigenschaften hat, ist ein Schüler des boshaften Bil’am. Gutes Auge (Grosszügigkeit), Bescheidenheit und Genügsamkeit kennzeichnen die Schüler unseren Vaters Awraham. Böses Auge (Habsüchtig, Neid), Hochmütigkeit (Stolz) und Masslosigkeit kennzeichnen die Schüler des boshaften Bil’am.
Bil’am betete auch. Als Balak Bil’am darum bat, das jüdische Volk zu verfluchen, reiste Bil’am nach Mo’aw und stieg an einen gewissen Ort empor, betete, errichtete Altäre und brachte Opfer dar, war jedoch erfolglos. G’tt erlaubte Bil’am nicht, das jüdische Volk zu verfluchen. Stattdessen war Bil’am gezwungen sie zu segnen.
Was war Bil’am’s sofortige Reaktion? Bil’am änderte den Ort. „Lasst uns an einen anderen Ort gehen und dort beten.“ Sie gingen an einen neuen Ort. Sie errichteten neue Altäre und brachten neue Opfer dar.
Was geschah bei diesem nochmaligen Versuch? Er schlug fehl. Was war seine Reaktion? „Wir müssen den Ort nochmals wechseln!“ Bil’am ging an einen dritten Ort und begann nochmals mit dem genau gleichen Vorgehen… Bil’am war wiederum erfolglos…
Was finden wir bei Awraham? Awraham flehte zu G’tt um Sedom’s Willen. Als Awraham’s Anstrengungen jedoch keine Früchte trugen, was tat er dann? Er ging an den gleichen Ort zurück, an dem er ursprünglich gebetet hatte.
Was ist die Bedeutung der Tatsache, dass Awraham zum gleichen Ort zurück ging und Bil’am den Ort wechselte? Der Unterschied zwischen Bil’am und Awraham ist Hochmut.
Bil’am ist hochmütig. Eine stolze Person kann nicht eingestehen: „Es ist mein Fehler!“. Ein hochmütiger Mensch überlegt sich: „Wenn meine Gebete nicht erfolgreich waren, muss mit dem Ort etwas nicht in Ordnung sein. Es muss eine äussere Einwirkung sein. Es kann nicht an mir liegen. Nichts kann mein Fehler sein.“ Wenn ein Bil’am in seinen Gebeten keinen Erfolg hat, geht er an einen anderen Ort, weil er die Tatsache nicht akzeptieren kann, dass der Fehler bei ihm liegen könnte.
Auf der anderen Seite steht Awraham Awinu. Wenn er in seinen Gebeten nicht erfolgreich ist, sagt er: „Es ist mein Fehler. Ich verdiene es nicht. Ich habe nicht gut genug gebetet. Ich habe nicht genügend gebetet“ Es hat nichts mit dem Ort zu tun. Dies ist nur eine billige Ausrede. Ein Awraham Awinu, welcher eine demütige und bescheidene Einstellung hat, lebt mit dem Gedanken „Es ist mein Fehler“.
Wenn unsere Weisen sagen: „Derjenige, der an einem festgesetzten Orte betet, dem wird der G’tt Awraham’s helfen…“, dann beziehen sie sich nicht nur auf einen Menschen, der das ganze Jahr hindurch in derselben Synagoge auf demselben Platze betet. Unsere Weisen sprechen von einem Menschen, dessen Selbstbewusstsein gesund genug ist, um zu sagen: „Es ist mein Fehler; es ist mein Versäumnis. Ich werde nicht äusseren Einflüssen oder Dingen die Schuld zuschieben.“ Wenn ein Mensch diese Eigenschaft im Leben besitzt und sein Verhalten dies widerspiegelt, dann können wir bei seiner Grabrede wahrhaftig sagen: „Ein g’ttesfürchtiger Mensch ist von uns geschieden, ein demütiger Mensch; er war ein wahrer Schüler Awraham’s.“
Quellen und Persönlichkeiten:
Rav Meir Zwi Bergman: (geb. 1930) Rosch Jeschiwat Raschbi, Benej Berak, Israel. Schwiegersohn von Rav El’asar Menachem Man Schach s.Z.l. Verfasser der Werke: „ Scha’arej Orah“ zum Chumasch und Rambam.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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