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Die Rolle von Schönheit (Rav Frand, Chaje Sara 5784 - Beitrag 1)

Raw Frand zu Paraschat Chaje Sara 5784 – Beitrag 1

Ergänzungen: S. Weinmann

Die Rolle von Schönheit

Zu Beginn der dieswöchigen Parascha sagt die Tora: „Es war das Lebensalter Sara’s hundert Jahre und zwanzig Jahre und sieben Jahre, dies waren Sara’s Lebensjahre.“ [Berejschit 23:1] Der Midrasch Rabba [Berejschit 58:1] erwähnt den Passuk (Vers): „Haschem jodea Jemej Temimim… - Der Ewige kennt die Tage der Vollkommenen (Frommen); und ihr Erbgut wird für immer bestehen“ [Tehillim/Psalm 37:18] und bemerkt: „Genau wie die Rechtschaffenen „temimim“ (vollkommen, vollständig) sind, so sind auch ihre Jahre „temimim““. Das bedeutet, dass sie  nicht wie vermeintlich – wegen der Nachricht der Akejda (Bindung Jizchaks) – früher gestorben ist, sondern das waren ihre voraus bestimmten vollkommenen Lebensjahre.

Eine weitere Erklärung bringt der Midrasch Rabba [ibid.] – wie in Raschi zitiert - Sara war im Alter von 20 so schön wie eine 7-jährige und mit 100 war sie rein von Sünden wie mit 20 Jahren.

Der Midrasch spricht offensichtlich über die merkwürdige Art, wie die Torah uns mitteilt, dass Sarah bis zum Alter von 127 Jahren lebte. Wir verstehen, wieso der Midrasch auf die Rechtschaffenheit von Sara hinweisen will. Je länger wir leben, desto mehr sind wir der Sünde ausgesetzt und von ihr betroffen. Wir können gut das Lob verstehen, welches in der Aussage angedeutet ist, dass sie im Alter von 100 Jahren in Bezug auf die Anzahl der in ihrem Leben begangenen Sünden gleich einer Person von 20 Jahren war. Dies ist eine bedeutende Stufe von Frömmigkeit und ist es wert, von unserer ersten Stammmutter erzählt zu werden.

Was bezweckt aber die Erwähnung des Midrasch, dass Sara im Alter von 20 Jahren so schön wie eine 7-jährige gewesen sei? Die Torah redet hier nicht über jemanden, welcher an einem Schönheitswettbewerb teilnimmt. Was ist der Sinn dieser Derascha (Auslegung)? Wir sprechen über unsere Stammmutter Sara. Wieso ist es bedeutungsvoll zu wissen, dass sie im Alter 20 die Schönheit einer 7-jährigen besass?

Rav Mottel Katz szl. erklärt in seinem Werk Be’er Mechokek das äusserst wichtige Konzept biblischer Schönheit. Die Torah gibt sich grosse Mühe bei der Beschreibung der Stammmütter zu betonen, dass sie ein schönes Äusseres besassen. Dies ist keine Charakteristik, welche wir bei der Beschreibung einer bekannten Rebbezen oder sogar bei einem Schidduch-Vorschlag (Vorschlag für Ehepartner) erwarten würden. Wenn man einen Ehepartner vorschlägt, ist es sogar gegenüber jemandem, der auf das Äussere achtet, ziemlich unüblich zu betonen, sie sei „ein schönes Mädchen“. Wir sollten eigentlich auf einer höheren Stufe stehen. Trotzdem macht die Torah den Hinweis, dass unsere Stammmütter schöne Menschen waren.

Unsere Weisen bemerken, dass zehn Mass Schönheit auf die Welt kamen. Von dieser Schönheit entfiel 90% auf Jeruschalajim und der Rest der Welt teilte sich die verbleibenden 10% [Talmud Traktat Kiduschin 49b]. Auch hier betont die Gemara, dass Jeruschalajim die schönste Stadt der Welt ist. Warum ist es so wichtig, das Jeruschalajim eine schöne Stadt ist? Wäre sie weniger bedeutend oder heilig für das jüdische Volk, wenn sie nicht die schönste Stadt der Welt wäre?

Die Antwort ist, dass wir Menschen sehr stark von unserer materiellen Umgebung beeinflusst werden.

Bildliche Schönheit kann einen Menschen in so eine Gemütsverfassung versetzen, die ihn für das Geistige empfindsamer macht. Der Talmud hält fest: „Drei Dinge erheitern den Sinn des Menschen, und zwar, eine schöne Wohnung, schöne Gegenstände und eine schöne Frau“ [Traktat Berachot 57b]. Was bedeutet diese Gemara? Diese Gemara will uns mitteilen, dass ein Mensch für heilige Dinge empfänglicher wird, wenn seine Umgebung schön gestaltet ist und er sich nicht um seine materiellen Güter sorgen muss.

Ein Mensch, der in einer schönen Wohnung mit geschmackvollen Möbeln, in wohlgefälliger Umgebung lebt und eine anmutige Gattin hat, besitzt eher die Musse und die ruhige Gemütsverfassung, um sich erhabeneren Lebensaufgaben hinzugeben. Die schöne Wohnung, das Fahrzeug und die schöne Ehefrau sind keine Endziele. Sie erlauben es jedoch dem Menschen, sich über die materiellen Hindernisse zu erheben, welche ein geistiges Wachstum manchmal verhindern.

Kommt ein Mensch nach Jeruschalajim, und lässt den Blick über die herrlichen Hügel von Judäa schweifen, so wird seine Seele empfänglicher für Einflüsse, welche durch die innewohnende Heiligkeit aussgestrahlt werden, als wenn Jeruschalajim ebenso heilig aber weniger attraktiv wäre.

Chasal (unsere Weisen) sagen uns im oben erwähnten Midrasch, dass Sara’s Schönheit gleich derjenigen eines 7-jährigen Mädchens war. Die Schönheit einer 20-jährigen Frau kann manchmal missbraucht werden. Die Schönheit einer 7-jährigen demgegenüber besitzt eine gewisse Reinheit und Einfachheit. Chasal deuten genau auf diesen Sachverhalt. Die Schönheit Sara’s wurde nicht wie manchmal die Schönheit einer 20-jährigen Frau benutzt. Sie wurde behandelt wie die Schönheit eines 7-jährigen Mädchens – nicht für üble, unzüchtige und ungezügelte Absichten – sondern für geistige Eingebung und Erhebung, sowie unsere Weisen sagen: „Sarah bekehrte die Frauen“ (siehe Raschi Bereschit 12:5).

Quellen und Persönlichkeiten:

  • Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tanna’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
  • Rabbi Mordechaj (Mottel) Katz: (1894 - 1964) Geistiger Leiter der Jeschiwa in Tels, Litauen und Rosch Jeschiwa der Telser Jeschiwa in Cleveland, Ohio (USA), Buchautor und eine herausragende Persönlichkeit in der Führung des amerikanischen Judentums.

 

Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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