Raw Frand zu Parschat Toldot 5767
Gebet und ein beschauliches Zuhause sind das Geheimnis für gute Kinder
In Parschat Toldot beginnt die Lebensgeschichte unseres zweiten Stammvaters. Der Pasuk zu Beginn sagt: „Jizchak flehte zu Haschem in Betreff seiner Frau, denn sie war unfruchtbar“ [Bereschit 25:21]
In dieser Parscha beginnen wir eine beunruhigende Entwicklung zu bemerken. Avraham, unser Stammvater, war mit einer Frau verheiratet, welche unfruchtbar war. Jetzt stellen wir fest, dass auch sein Sohn Jizchok mit einer unfruchtbaren Frau verheiratet war. Raschi bemerkt, dass auch Jizchok selbst keine Kinder kriegen konnte. Nächste Woche rücken wir zur Lebensgeschichte von Ja’akov vor und werden sehen, dass auch seine Familie von Kinderlosigkeit betroffen war. Seine auserwählte Frau, Rachel, konnte nicht schwanger werden.
Es ist kein Zufall, dass Sarah, Rifka, Rachel und Jizchak unfruchtbar waren. In allen diesen Generationen brauchte es ein Wunder, um diesen Menschen den Kindersegen zu ermöglichen, damit die jüdische Nation entstehen konnte.
Die Gemara [Jevamot 64a] bemerkt dazu Folgendes: „Wieso waren unsere Stammväter und Stammmütter unfruchtbar? Weil sich der Herr sehr nach den Gebeten der Rechtschaffenen sehnt („mit’aveh“).“ Beim ersten Hinschauen scheint die Gemara den Allmächtigen etwas quälerisch hinzustellen. Er sehnt sich nach den Gebeten der Rechtschaffenen; deshalb bringt er sie in eine schwierige Lage und zwingt sie, Ihm ihr Herz auszuschütten – nur weil Er ihre Gebete vernehmen will. Das kann nicht wahr sein. Haschem ist Güte und übt Güte aus. Er führt die Welt nicht auf quälerische Weise!
Was bedeutet denn also die Gemara „Haschem sehnt sich nach den Gebeten der Rechtschaffenen“? Ich vernahm einmal eine sehr bewegende Ansprache von Rav Pam, welcher sich mit diesem Ausspruch von Chasal (unseren Weisen) befasste. Rav Pam weist darauf hin, dass wir keine Ahnung vom Gebet der Rechtschaffenen haben. Wenn ein echter Zadik betet, macht er eine Veränderung durch, welche beinahe unsere Vorstellungskraft sprengt. Er betritt eine andere Welt. Kabalistische Werke bezeichnen dies mit „Hitpaschtut ha’Guf“. Es ist beinahe so, dass das Davenen (Beten) eine transzedentale Erfahrung ist; der Mensch verlässt auf eine Art seinen Körper und seine Seele verbindet sich in diesem Zustand mit dem Allmächtigen.
Wir beenden das gesamte Morgengebet in 30 bis 35 Minuten und schaffen dies an einem strengen Tag sogar in 15 Minuten oder weniger. Deshalb können wir das Konzept von „Hitpaschtut ha’Guf“ und „Seelen, welche sich mit dem Allmächtigen verbinden“ kaum verstehen. Ein solches Davenen haben wir noch nie erlebt. Aber das ist es, was man unter dem „Gebet der Rechtschaffenen“ versteht.
Solche Gebete erlauben es dem Zadik, sich von den irdischen Fesseln zu lösen und eine geistige Stufe zu erreichen, welche über dem vergänglichen Dasein steht und ihn in eine andere Welt befördert. Aus diesem Grund beschreibt die Gemara [Brachot 32b], dass die Frommen früherer Generationen („Chassidim Rischonim“) drei Stunden bei einem einzigen Gebet verbrachten. Eine Stunde bereiteten sie sich auf das Davenen vor, eine Stunde daventen sie und dann gab es noch eine dritte Stunde nach dem Davenen.
Wir begreifen, dass es angemessen ist, eine Stunde mit Davenen zu verbringen. Wir können es uns sogar vorstellen, dass man sinnvollerweise eine Stunde Vorbereitungszeit vor dem Davenen einschaltet. Aber wir können uns nicht vorstellen, was diese Frommen in der Stunde nach dem Davenen taten.
Die beste Art und Weise, um die Stunde nach dem Davenen zu begreifen, ist, dies als eine Art Druckausgleich zu verstehen. Wenn jemand eine Zeit lang unter Wasser taucht, kann er, abhängig von der Tiefe seines Tauchganges, nicht schlagartig zurück an die Wasseroberfläche empor kommen. Falls er dies versuchte, würde er von der Taucherkrankheit befallen. Wenn ein Taucher zu schnell aufsteigt, muss er in eine Druckausgleichskammer, weil man nicht ohne Ausgleich von der Unterwasserwelt in unsere Welt wechseln kann. Er war in einer anderen Welt.
Die „Stunde nach dem Gebet“ ist der Ausgleich, welchen die Frommen früherer Generationen benötigten, um wieder in dieser Welt anzukommen, nachdem sie sich buchstäblich in einer anderen Welt befunden hatten. Wer im Himmel war, kann nicht eine Minute später eine Mitfahrgelegenheit organisieren. Die „Chassidim Rischonim“ erreichten solch eine hohe geistige Stufe, dass sie buchstäblich eine Stunde brauchten, um wieder in diese Welt zurückzukehren.
Darum, so sagte Rav Pam, wollte der Allmächtige, dass unsere Stammväter und Stammmütter so beteten, um Kinder zu bekommen. Der Ribono schel Olam (Herr der Welt) hatte nicht im Sinn, einfach Nachkommen zu erschaffen. Diese Stammväter zeugten andere Stammväter. Um ein Kind zu empfangen, welches Wert ist, ein Jizchak zu sein oder welches Wert ist, ein Ja’akov zu sein oder welches Wert ist, eines der zwölf Stämme zu sein, mussten sie zuerst eine Atmosphäre aussergewöhnlicher Keduscha (Heiligkeit) schaffen.
Wer sich nur in der körperlichen Welt bewegt und ein Kind empfängt, kann nicht erwarten, dass dieses Kind ein Ja’akov Avinu wird. Dies lässt sich folgendermassen beschreiben: Wenn die Eltern bei der Empfängnis eines Kindes körperlich gesund sind, ist es viel wahrscheinlicher, dass die Kinder körperlich gesund werden. Bekanntlich ist es für das Kind schädlich, wenn die Mutter alkohol- oder drogenabhängig ist.
Auf der geistigen Ebene ist es dasselbe: Wer einen Jizchak, Ja’akov oder einen Stammvater hervorbringen will, der muss sich selbst in den höchsten geistigen Sphären bewegen. Das Davenen ist der Weg, um in diese hohen geistigen Sphären aufzusteigen. Haschem verlangt nicht nach den Gebeten der Rechtschaffenen in irgendwelcher quälerischer Weise, G’tt behüte. Er braucht ihre Gebete nicht. Der Ribono schel Olam muss jedoch sicherstellen, dass Jizchak, Rivka, Sara und Rachel sich auf einer Stufe bewegen, welche zu vollkommenen Kindern führt. Der sicherste Weg dazu ist, die Eltern zu so einem intensiven Davenen zu bringen, dass sie in die Welt des Geistigen aufsteigen und in diesem Zustand Kinder empfangen und zur Welt bringen.
Dies sind ausserordentlich erhabene Gedanken. Diese Konzepte sind vielleicht für die meisten von uns zu hochstehend. Aber aus diesem Konzept lässt sich eine praktische Schlussfolgerung ziehen, welche auch für uns Bedeutung hat. Man kann die Lehre, dass die Atmosphäre oder das Klima, in welchem Kinder empfangen werden, entscheidend ist, darauf übertragen, dass das Klima, in welchem Kinder grossgezogen werden, auch einen starken Einfluss darauf hat, wie sie zum Schluss geraten.
Nicht alles wird bei der Empfängnis entschieden. Es gibt auch die Natur. Aber es gibt auch Pflege. Ein Kind, das in einer heiligen und reinen Atmosphäre grossgezogen wurde, unterscheidet sich von einem Kind, welches auf der Strasse aufwuchs; wenn wir uns etwas umschauen, können wir das sofort bestätigen. Wie entsteht eine Atmosphäre von Heiligkeit? Wir geben uns solche Mühe, um unseren Kindern ein sicheres Umfeld zu gewährleisten. Was müssen wir unternehmen, um den geistigen Hort zu schaffen, in dem unsere Kinder wachsen und gedeihen können?
Rav Pam zitiert den Steipler Rav szl. Der Steipler Rav sagt, dass es bei der Erziehung von guten Kindern auf zwei Faktoren ankommt. Fünfzig Prozent des Erfolgs für die Erziehung eines guten Kindes besteht aus Beten. Wenn es etwas gibt, für das sich das Davenen und das Ausschütten seines Herzens lohnt, dann ist es, dass man das Verdienst haben möge, gute Kinder zu haben. Die anderen fünfzig Prozent, so sagt der Steipler Rav, ist Schalom Bajit (häuslicher Frieden/Beschaulichkeit). Wenn Kinder beobachten, wie ihre Eltern in Liebe, Eintracht und gegenseitigem Respekt in einer heiteren Atmosphäre zusammenleben, hat dies einen starken Einfluss auf ihre Persönlichkeitsentwicklung. Wenn Kinder andererseits in einem Haus aufwachsen, in dem Streit, Sticheleien und alle anderen bedauerlichen Dinge auftreten, wie sie manchmal zwischen Eltern vorkommen, so hat dies äusserst schädliche Auswirkungen.
Rav Pam zitiert die berühmte Gemara [Gittin 90b], dass sogar der Misbe’ach (Altar im Tempel) Tränen vergiesst, wenn sich zwei Menschen scheiden. Alle Erklärer versuchen dieses Gleichnis zu deuten. Was bedeutet: „Der Altar vergisst Tränen, wenn sich jemand von seiner ersten Frau scheidet“? Rav Pam erklärt, dass der Misbe’ach jeden Tag Opfer zu Gesicht bekommt. Ein Opfer jedoch, kann sogar der Misbe’ach nicht verkraften: Kinder als Opfer. Kinder sind die Opfer von streitgeplagten Familien.
Die Lehre „und Jizchak betete in Betreff seiner Frau“ besteht darin, dass die geistige Stufe der Eltern und der häusliche Frieden zwischen den Eltern eine tiefgreifende Wirkung auf die Nachkommen hat, welche wir hervorbringen wollen.
Quellen und Persönlichkeiten:
Rav Awraham Pam (verstorben 2001): Führender Gelehrter; Rosch Jeschiwa; Brooklyn, New York.
Rabbi Ja’akov Jisrael Kanievsky (1899 - 1985) [„der Steipler“]: Rosch Jeschiwa und Gelehrter in Rogatschow und Pinsk (Russland) sowie Israel.
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