Raw Frand zu Parschat Wajeze 5773
Ja’akow näherte sich den Schafhirten so wie ein Bruder
Diese Parscha enthält die folgende Geschichte, auf dem Weg Ja’akows nach Charan:
“Da hob Ja’akow seine Füsse und ging nach dem Land der Benej Kedem (der Söhne des Ostens). Er schaute – und siehe da! – ein Brunnen im Feld. Und siehe da, drei Schafherden lagern daneben, denn aus diesem Brunnen tränkte man die Herden, und der Stein war gross, der auf der Mündung des Brunnens lag.
Und erst wenn alle Herden dorthin zusammengetrieben waren, wälzte man den Stein von der Mündung des Brunnens, tränkte das Kleinvieh und legte den Stein wieder auf die Mündung des Brunnens an seine Stelle zurück. Und Ja’akow sprach zu Ihnen, „Meine Brüder, woher seid ihr?“ Sie antworteten, „Wir sind von Charan“… da sagte er: „Seht, der Tag ist noch lang, es ist noch nicht die Zeit das Vieh einzutreiben, tränkt die Schafe und geht hin und weidet.“ Da antworteten sie: „Wir können das nicht, bis dass sich alle Herden versammelt haben und man den Stein von der Mündung des Brunnens gewälzt hat, dann tränken wir das Kleinvieh.“ [Bereschit 29:1-8]
Ja’akow Awinu ist ein Fremder in der Stadt. Er kommt mitten im Tag an und sieht die Schafhirten herumstehen. Er kritisiert sie, weil sie so früh von ihrer Arbeit pausieren. Er sagt ihnen, sie sollten eigentlich noch draussen im Feld sein beim Weiden ihrer Schafe! Sie erklären Ja’akow die speziellen Umstände, die verursachen das Vieh so früh einzutreiben.
Der Poniwescher Raw stellte eine Frage zu dieser Geschichte. Dies ist vermutlich ähnlich zum folgenden Szenario: Wir fahren an einer Baustelle vorbei und sehen Bauarbeiter die eigentlich eine Röhre legen, die Strasse reparieren oder auch einen Hydranten installieren sollten. Es ist zwei Uhr nachmittags und wir bemerken, dass sie von der Arbeit pausieren. Da sind sie, diese Stadt-Angestellte, statt zu arbeiten sitzen sie alle am Boden herum und reden. Es ist nicht Mittagszeit. Wir wundern uns über ihr Benehmen.
Wir gehen zu ihnen und sprechen sie an: “Hallo, wie geht es euch? Ihr wisst, dass es eigentlich nicht richtig ist, dass ihr um zwei Uhr nachmittags frei nimmt. Es hat noch genug Tageslicht. Ihr habt noch nicht eure acht Stunden gearbeitet. Sagt mir, warum habt ihr so früh aufgehört zu arbeiten?“
Es ist anzunehmen, dass wir nicht die gleiche Antwort erhalten würden, die Ja’akow Awinu erhielt. Wahrscheinlich würden sie uns zurufen: „Kümmert euch um eure eigene Angelegenheiten! Wer seid ihr?! Geht weg…!“
Tatsächlich sagt Ja’akow Awinu dasselbe zu diesen Fremden. Der Poniwescher Raw fragte, warum erhielt er dann so eine freundliche Antwort?
Und er antwortet, dass der Schlüssel zur freundlichen Antwort sei, die Art und Weise wie er an sie heranging. Er stellte sich bei ihnen vor, indem er sagte, „Meine Brüder, woher seid ihr?“ Er nannte sie seine Brüder. Mehr als das, er zeigte ihnen erfolgreich, dass er sie wie Brüder empfand. Sie fühlten seine aufrichtige Anteilnahme. Sie fühlten, dass er zu ihnen wie ein Verwandter sprach. Wenn man sich auch gegenüber fremden Leuten so verhält, so kann man ehrlich gemeinte Kritik erteilen und Vorschläge zur Verbesserung anbringen, ohne dass der andere sich verletzt fühlt.
Der Poniwescher Raw selbst war so eine Person. Wenn er mit einem anderen Jehudi redete, so fühlte dieser, als ob er mit einem Bruder reden würde. Er war einer der erfolgreichsten – wenn nicht der erfolgreichste – Spendensammler in der Geschichte der modernen Jeschiwot. Er war sehr erfolgreich, weil er ihnen das Gefühl von „meine Brüder“ übermitteln konnte. Die Leute fühlten sich, dass der Mann sich um sie kümmerte.
Ich habe vor kurzem eine Geschichte gelesen, die Rabbi Berel Wein geschrieben hat. Es handelt sich von den Jahren, als er ein Raw in Miami Beach war. Der Poniwescher Raw pflegte jedes Jahr zu Besuch in Miami Beach zu sein, um Spenden zu sammeln. Raw Wein führte ihn herum und ging mit ihm mit, um einige prominente Mitglieder der Gemeinde zu besuchen.
Der Poniwescher Raw ging in das Büro eines jungen Businessmannes. In den vergangenen Jahren hatte er grosszügige Spenden vom Vater und Grossvater dieses Mannes erhalten. Aber dieser junge Mann war sehr überheblich. Er war sehr reich und voll von Chuzpe (Frechheit). Nicht nur weigerte er sich Geld für die Poniwescher Jeschiwa zu spenden, er beschämte zusätzlich den Poniwescher Raw: „Ich brauche dich nicht und ich benötige nicht deine Jeschiwa und auch nicht andere Jeschiwot, du und deine altmodischen Auffassungen sollen aus diesem Büro verschwinden und nie mehr zurückkommen.“
Der Poniwescher Raw sass dort ohne ein Wort zu sagen. Als der Mann seine Tirade beendete, schüttelte er seine Hand und ging aus dem Büro hinaus, in totaler Stille. Als er mit Raw Wein zum Auto ging, begann der Poniwescher Raw zu weinen. Raw Wein versuchte ihn zu trösten. „Sorge dich nicht. Die nächste Person wird uns mehr geben. Du wirst diesen Verlust verschmerzen. Sorge dich nicht.“
Der Poniwescher Raw sagte zu Raw Wein: “Ich weine nicht wegen des Verlustes der Spende. Ich weine nicht wegen der Poniwescher Jeschiwa, dass sie dieses Jahr $500 oder $1000 weniger erhalten wird. Aber jeder Jehudi muss eine Verbindung zu Torah haben. Wenn er keine Verbindung zur Torah hat, wird er verloren gehen. Dieser Mann war nicht religiös. Er lernte sicherlich kein Torah. Die Verbindung seines Vaters und Grossvaters zur Torah war, dass sie Jeschiwot unterstützen. Wenigstens auf dieser Art und Weise hatten sie eine Verbindung zur Torah. Wenn dieser Mann mir nicht mehr Geld gibt und auch anderen Jeschiwot nicht, dann wird er für das Judentum verloren gehen.“ Dies war es, warum der Poniwescher Raw weinte – nicht wegen eines verlorenen Checks, sondern wegen einer verlorenen Seele. Die Verbindung vom Poniwescher Raw zu allen Menschen war „Ihr seid meine Brüder.“
Rabbi Wein beendet die Geschichte mit folgendem Punkt: Diese Geschichte passierte vor über 35 Jahre. Vor 35 Jahren war die Verbindung von nicht-religiösen Jehudim mit dem Judentum, dass sie Geld an Jeschiwot gaben. In den letzten 35 Jahren geben viele dieser Personen nicht mehr Geld an die Jeschiwot. Die letzte Verbindung für viele zum Judentum ist deshalb Erez Jisrael. Sie geben immer noch Geld für israelische Verbände oder dem Jüdischen Nationalfonds. Wenigstens haben sie ein wenig Verbindung zum jüdischen Volk.
Aber manchmal sehen wir, dass dieselben Leute nicht zufrieden sind mit gewissen Dingen, die in Erez Jisrael geschehen und sie drohen: “Wenn die Legislation nicht die richtige Wege geht, werden wir Israel nicht mehr unterstützen.” Die grosse Tragödie ist nicht der finanzielle Verlust für Israel. Israel wird es mit oder auch ohne den Spenden der amerikanischer Juden schaffen. Die Tragödie ist, dass diese Personen somit die letzte kleine Verbindung zum Judentum verlieren. Wenn dies passiert, dann werden sie für das jüdische Volk verloren sein.
Unsere Reaktion sollte nicht sein: “Lasst sie doch gehen!” Unsere Reaktion sollte so sein wie die des Poniwescher Raws; er trauerte und weinte wegen einer verlorenen Seele.
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