Raw Frand zu Parschat Wa'era 5767
Der Unterschied zwischen potentiellen und verwirklichten Kräften
In dieser Parscha wird das erste Mal der Name des Vaters von Mosche Rabbenu erwähnt - Amram ben Kehat ben Lewi. Im Pasuk steht: „Amram heiratete seine Tante Jochewed und zusammen hatten sie zwei Söhne – Aharon and Mosche“ [Schemot 7:18-20].
Das erste Mal hörten wir von Mosches Geburt in der letztwöchigen Parscha. Dort steht im Pasuk ganz unauffällig: “Ein Mann ging vom Haus Lewi und nahm eine Tochter Lewis (zur Frau). Sie wurde schwanger und gebar einen Sohn (Mosche)“ [Schemot 2:1-2]. Es wäre logischer gewesen, wenn wir beim Bericht über Mosches Geburt auch gerade erfahren hätten, wer sein Vater war. Weshalb unterlässt es die Torah, uns über die Identität der Eltern aufzuklären, wenn wir von Mosches Geburt erfahren?
Raw Mosche Feinstein sZl. erklärt: Wenn zwei Menschen zusammen ein Kind auf die Welt bringen, haben sie - in diesem frühen Stadium des Lebens des Kindes - noch keinen Grund sich mit ihm zu rühmen. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir nicht, was aus diesem Baby werden wird. Momentan ist dieses Baby nur ein „Bündel Potential“ (be'koach, nicht be'po’al).
Deshalb war es zum Zeitpunkt von Mosches Geburt noch zu früh, seine Eltern zu erwähnen. Er war ein Baby, und sie verdienten noch kein Lob und keine Ehre für ihn.
In dieser Parscha aber hat sich die Situation geändert. In Parschat Wa’era wissen wir schon, wer Mosche Rabbenu ist. Es ist der Mann, der bequem in Pharaos Palast hätte leben können. Stattdessen geht er, kaum erwachsen, hinaus zu seinen Brüdern, um mit ihnen zu leiden.
Mosche Rabbenu verteidigt die unterdrückten Juden. Mosche Rabbenu muss um sein Leben bangen und nach Midjan fliehen. Er setzt sich auch für die benachteiligten Töchter von Jitro ein. Dies alles ist nur ein Bruchteil von dem, was er noch erreichen wird. Doch er ist nun 80 Jahre alt, und er hat seinen Charakter gezeigt.
Jetzt kann der Pasuk uns informieren, dass er das Resultat der Verbindung von einem Amram und einer Jochewed war. Jetzt können die Eltern kundtun: „Seht, welches Kind wir haben!“ Jetzt können sie aufstehen und den Verdienst für sich in Anspruch nehmen.
Lasst die Welt sehen, wer Mosche Rabbenus Vater war. Lasst die Welt wissen, wer seine Mutter war. Mosche Rabbenu ist nicht mehr nur Potential, sondern er hat Werte realisiert.
Rabbenu Bachje in Parschat Bereschit erwähnt den gleichen Gedanken. Bei der Erschaffung der Welt steht im Pasuk: „G’tt sah, dass es gut war.” Am Ende der Schöpfung steht: “Und G’tt sah alles, was Er erschaffen hatte und siehe, es war sehr gut“ [Bereschit 1:31]. Rabbenu Bachje schreibt, wir finden drei verschiedene Ausdrücke hier: „ki tow“(dass es gut sei), „tow“(gut), und „tow me'od“(sehr gut). Der erste Ausdruck “ki tow” wird benutzt, wenn wir über das Potential einer Person, einer Sache oder eines Tages sprechen. Jeder Tag der Schöpfung war “ki tow”. Es hat ungeheures Potential in jedem Tag, doch war dieses nur ein kleiner Teil dessen, was noch geschehen würde. Das in jedem Tag liegende Potential war enorm; aber es war lediglich Teil und Beginn von etwas viel Grösserem, das noch geschehen sollte.
Als G’tt nach Vollendung der Schöpfung alles Geschaffene anschaute, war alles zusammen “tow me’od – realisiertes Potential“. Die Summe war grösser als die einzelnen Teile. Die Teile waren nur “ki tow”, die Summe war “tow me’od.”
Rabbenu Bachje in Parschat Bereschit weist auch auf die von der Tora benützten Ausdrücke hier bei Mosche Rabbenu hin. Bei der Geburt von Mosche Rabbenu wussten seine Eltern, dass er etwas Spezielles war. Raschi zur Stelle zitiert den Midrasch: „Das Zimmer füllte sich mit Licht. Sein Weinen war wie das eines grossen Kindes“. Sie merkten, dass dies nicht irgendein beliebiges Baby war. Dies war jemand besonderes. Die Torah benutzt hier den Ausdruck „ki tow hu“ (dass er gut sei) [Schemot 2:2].
Aber er hatte erst potentielle Kräfte. Deshalb wird er - gleich wie die verschiedenen Stadien der Schöpfung - mit “ki tow” beschrieben. Er war Potential, unglaubliches und unvorstellbar grosses Potential, aber trotzdem nur Potential.
Später aber, sagt Rabbenu Bachje weiter, als Mosche erwachsen wurde und sich bewährte, da verdiente er die Auszeichnung „me’od“ wie es steht: „Und der Mann Mosche war „anaw me’od“ ausserordentlich (sehr) bescheiden“ [Bamidbar 12:3].
Mosche Rabbenu wie alle anderen Menschen musste sein Potential in die Realität umsetzen. So lange ihm dies nicht gelang, war er nur “ki tow”. Erst als er es erreichte, bezeichnete ihn die Thora als „tow me’od.“
Am Ende von Parschat Bo lernen wir die Gesetze der Erstgeborenen. Zuerst die Gesetze über das erstgeborene Kind, dann die eines erstgeborenen reinen Tieres und dann die Vorschriften eines erstgeborenen Esels - “peter Chamor.” Der Erstgeborene eines Esels muss durch ein Schaf ausgelöst werden. Wenn der Besitzer seinen Esel nicht auslösen will, muss er dem Tier das Genick brechen.
Der Neziw von Wolozhin sagt dazu: Ein Erstgeborener, der sein Potential verschwendet, hat damit sein Recht zu leben verwirkt. Ein Erstgeborener ist etwas Spezielles. Er hat besondere Fähigkeiten und ein besonderes Potential. Er muss dieses Potential entwickeln und die in ihm vorhandenen Kräfte maximal ausnützen. Wenn er versagt, rechtfertigt dies das Schicksal, welches dem Esel zuzufügen ist, der nicht benutzt wurde, um die Mizwa von „peter Chamor“ zu erfüllen.
Der Neziw nennt dies einen “klal gadol baTorah” (grundlegendes Prinzip der Torah): Wer das Vermögen zu Geistesgrösse hat, aber träge ist und sein Potential nicht ausnutzt, ist viel schlimmer, als jener, der kein Potential hat. Es sei furchtbar, das vorhandene Potential zu verschwenden. Es wäre besser gewesen, er wäre nie in diese Welt geboren worden.
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