Raw Frand zu Parschat Bo 5766
Die Hunde werden ihren Lohn in der künftigen Welt erhalten
Der Jalkut Schimoni [Schemot 11:187] berichtet, dass Rav Jeschaja, ein Schüler des berühmten Rabbi Chanina ben Dosa, 85 Tage fastete, weil er eine bestimmte widersprüchliche Überlieferung nicht verstand.
(Es lohnt sich, sich vor Augen zu halten, wieso Rav Jeschaja fastete. Die Gerechten unter uns fasten vielleicht für jemanden, der krank ist oder wegen einer persönlichen Tragödie. Rav Jeschaja fastete jedoch, weil er eine Lehre unserer Weisen nicht verstand. Dies alleine ist eine eindrückliche Lehre für uns, obwohl dies nicht der Hauptpunkt ist, auf den wir eingehen möchten.)
Welche Lehre beschäftigte Rav Jeschaja? Es wird gelehrt, dass die Hunde in der künftigen Welt den Lobgesang für den Allmächtigen anführen werden. Sie werden den anderen Geschöpfen zurufen: „Kommt! Wir wollen uns verbeugen und niederwerfen, wir werden uns niederknien vor G’tt, unserem Schöpfer.“ [Tehillim/Psalmen 95:6] Rav Jeschaja hatte jedoch vor Augen, dass Hunde im Tenach als „unverschämte Geschöpfe“ [Jeschajahu 56:11] bezeichnet werden.
Die Hunde gelten in der gesamten klassischen jüdischen Literatur als das unverschämteste aller Tiere. Wie kann es sein, so wunderte er sich, dass es gerade dieses Geschöpf verdient, in der Kommenden Welt, den Gesang der g’ttlichen Lobpreisung anzuführen?
Der Jalkut berichtet, dass ein Engel vom Himmel herunterstieg und Rav Jeschaja aufforderte mit dem Fasten aufzuhören. Der Engel sagte ihm, dass er auf die Frage, die ihn beschäftigte, keine befriedigende Antwort finden werde; es sei einfach eine himmlische Verfügung zu künftigen Ereignissen. Die Tatsache, dass Hunde das Verdienst haben, in der Kommenden Welt Schira (Lobpreisungen auf G’tt) zu sagen, sei ein Geheimnis, das einzig dem Propheten Habakuk und niemand anderem enthüllt worden sei.
Der Engel sagte Rav Jeschaja jedoch ausserdem: „Du bist ein Schüler von Rav Chanina ben Dosa. Zu Ehren deines Lehrers will ich dir eine Deutung dieses Widerspruchs geben:
Die Hunde haben den Verdienst, Schira anzustimmen aufgrund des Passuks (Vers): „Und kein Hund wird seine Zunge regen…“ [Schemot 11:7]“ Sie erwarben sich das Vorrecht, die Schira in der Kommenden Welt anzuführen weil sie während der Plage der Erstgeborenen stumm blieben. Wer seinen Mund hält, schützt sich vor Problemen.
Rav Mordechaj Esrachi schreibt (in seinem Sefer Birkat Mordechaj), dass das Lob für das Schweigen viel mehr in sich birgt als nur die Enthaltung von Klatsch und übler Nachrede. Die Hunde erwarben sich dieses Vorrecht nicht nur unsere Enthaltung von Laschon haRah (üble Nachrede). Die Hunde hielten einfach ihren Mund. Hunde sind bekannt für ihre Chuzpa (Unverschämtheit). Deshalb stellte ihr Zurückhaltung die vollkommene Zerstörung ihrer negativen Charakterzüge dar („Schvirat haMidot“). Dies schuf die höchste Stufe der Selbstverbesserung, welche für dieses Geschöpf möglich war. Für einen Menschen, welcher ein „As Nefesch“ ist (er besitzt die Eigenschaft von geistigem Hochmut) und es liebt, seinen Mund unpassend zu gebrauchen, ist die Errungenschaft gross, wenn er diese Eigenschaft überwindet und schweigt. Eine solche Errungenschaft verdient eine besondere Belohnung.
Ihr Gesang besteht aus: „Kommt! Wir wollen uns niederwerfen und verbeugen; wir wollen vor G’tt, unserem Schöpfer, niederknien.“ Wir wollen uns nicht frech oder unverschämt benehmen. Wir wollen uns bücken und unsere Unterwerfung zeigen. Die Hunde überwanden ihre Natur, indem sie stumm blieben. Dieser Wandel verlangte von ihnen unglaublich viel Willenskraft und Selbstkontrolle.
Wir können daraus lernen, dass es nicht immer nötig ist, etwas von sich zu geben. Es ist nicht immer nötig, seine Meinung zum Besten zu geben. Es ist nicht immer nötig, noch eine Bemerkung fallen zu lassen.
Rav Esrachi zitiert jemanden, der den Alten von Slobodka (Rav Nosson Zvi Finkel) noch persönlich gekannt hatte. Dieser Mensch bezeugte, dass er niemanden kannte, der ein so grosser „Dabran“ (Sprecher) und gleichzeitig ein solch grosser „Schatkan“ (Schweiger), wie der Alte war. Es war nicht so, dass der Alte von Slobodka immer schwieg. Das tat er nicht. Er hatte Hunderte von Schülern und sprach oft mit ihnen. Aber er wusste, wann es gut war, mit ihnen zu reden und wann zu schweigen, was zu sagen und was nicht. Es braucht grosse Weisheit, um zu wissen, wann zu reden und wann nicht.
Die Hunde, welche während der Plage der Erstgeborenen stille hielten, verdienten das Vorrecht, in der Kommenden Welt Schira zu singen – ein Resultat dieses Schweigens.
Quellen und Persönlichkeiten:
Rav Mordechaj Esrachi: Zeitgenössischer Rosch Jeschiva, Israel.
Rabbi Nosson Zvi Finkel [„Alter von Slobodka“] (1849 – 1927): Rosch Jeschiva; Rasein, Slobodka, Litauen.
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