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„Ungefähr“ Mitternacht? (Rav Frand, Bo 5784)

 Rav Frand zu Paraschat Bo 5784

 Ergänzungen: S. Weinmann

„Ungefähr“ Mitternacht?

Als Mosche Rabbejnu die letzte Plage ankündigte, bediente er sich folgender Wortwendung: „So hat G`tt gesprochen: Um Mitternacht herum (keChazot haLajla) werde Ich durch Ägypten hindurchziehen [Schemot 11:4].

Raschi erklärt zur Stelle, dass Mosche die Zeit nicht exakt angeben wollte (obwohl G-tt ihm ‘in der Mitternacht’ gesagt hatte). Falls nämlich Pharao`s Astrologen sich in ihrer Berechnung irren würden, so würden sie diese Ungenauigkeit sicherlich G`tt oder Mosche zuschreiben und sagen ‘Mosche ist ein Lügner’. Dies geschah vor dem Zeitalter der Uhren und sicherlich vor dem Zeitalter der präzisen Digitaluhren. Eine Zeitangabe war deshalb immer mit Ungenauigkeit behaftet.

Hätten die Ägypter wirklich gesagt: „Mosche ist ein Lügner“ – „es geschah in Wirklichkeit um 00.02“? Hatten sie in der vergangenen Zeit nicht bereits eine Reihe von 9 Plagen über sich ergehen lassen müssen? Hatte Mosche Rabbejnu nicht jedes Mal bis ins kleinste Detail recht behalten? Muss man wirklich damit rechnen, dass die Astrologen und Ratgeber Pharao’s Mosche einen Lügner nennen werden, nur weil er sich bei der Ankündigung von ‘Makat Bechorot’ - der Plage der Erstgeborenen - um 2 Minuten irren konnte?

Die Antwort darauf ist, dass die menschliche Natur so beschaffen ist. Der Mensch neigt von Natur aus zum Nörgeln und Makel finden. Sogar bei einem Ereignis, welches für jeden Zeugen eine geistige Inspiration sein sollte, findet er einen Makel. „Seine Krawatte war zerknittert;“ „Seine Zizit schauten hervor;“ „Er benutzte einen grammatikalisch falschen Ausdruck, etc.“

Menschen können Zeugen des Auszuges aus Ägypten sein.  Sie sehen wie G`tt in die Geschichte eingreift und die Menschheit ein für alle Mal wissen lässt, dass Er das Geschick der Menschen leitet. Aber es gibt immer die ewigen Neinsager, die Haarspalter, die Besserwisser, und die Spitzfindigen, welche sagen werden „aber es war 00.02 und er hat Mitternacht gesagt!“

Eine Person, eine Schule, eine Synagoge, oder irgendeine andere Organisation mag wundervolles leisten. Eine Menge wertvoller Errungenschaften kann mit einer kleinen Bemerkung wie „aber hast du die Farbe der Zeitung gesehen, welche sie verschickt haben“? zunichte gemacht werden. Was für Banalitäten! Welche Spitzfindigkeit! „Aber es war 00.02!“ So ist die menschliche Natur.

Die Gemara [Talmud Traktat Sotah 9b] beschreibt den Ablauf, wie eine Frau – eine Sotah - von der Strafe getroffen wird, die wegen dem Verdacht auf Unsittlichkeit das ‘fluchbringende  Wasser der Bitternis’ trinken musste. Der Ramban hebt hervor, dass dies der einzige Fall in der ganzen Tora ist, in welchem sich ein religiöses Gesetz auf ein zu erwartendes Wunder verlässt. Dies ist eine wundersame Sache. Wenn die Frau schuldig ist, fällt sie buchstäblich in sich zusammen und stirbt, sobald sie von dem Wasser getrunken hat.

Die Gemara erwähnt, dass der Kohen (Priester), wenn er sie warnt, ihr genau sagen muss, was passieren wird: „Dieses fluchbringende Wasser wird in dein Inneres kommen, um den Bauch anschwellen und deine Hüften einfallen zu lassen“ [Bamidbar 5:22]. Wenn der Kohen es etwas anders voraussagen würde – z. B. würde er zuerst die Hüften und dann ihren Bauch erwähnen (wenn es sich dann in Wahrheit umgekehrt verhält) - würden die Leute abschätzig über das Sotah-Wasser sprechen. Mit anderen Worten, erklärt Raschi dort, sie würden die wundersame Krankheit einem anderen Grund zuschreiben, jedenfalls nicht dem Sotah-Wasser.

Seit wann haben Frauen eine heftige, unnatürliche körperliche Reaktion nach dem Trinken von einem Glas Wasser? Dies war offensichtlich ein aussernatürliches Ereignis. Wenn der Kohen jedoch den Ablauf der Plagen, die sie befallen werden, falsch voraussagt, werden die Leugner mit ihrer Hinterfragerei anfangen. „Es ist nichts Wundersames geschehen. Es ist kein Wunder geschehen. Es hat nicht so stattgefunden, wie er es vorhergesagt hat.“

Dies entspricht der menschlichen Natur. So lassen wir uns beeinflussen. Diese Neigung zerstört jegliche Möglichkeit zu geistigem Erwachen und Inspiration. Darum sagt uns die Tora „um Mitternacht herum“. Mosche Rabbejnu war sich der Leugner, Zyniker und Besserwisser bewusst, die niemandem ihre Begeisterung lassen. Deshalb sagte er: „…um Mitternacht herum“.

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Ramban: Rabbi Mosche ben Nachman – "Nachmanides" (1194 - 1270); Gerona, Spanien; Erez Jisrael; einer der führenden Toragelehrten (Rischonim) des Mittelalters, einer der Haupterklärer des Chumasch (fünf Bücher Moses), wie Verfasser weiterer Werke in Haschkafa (Kitwej haRamba“n) und Abhandlungen zum Talmud.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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