Bruderliebe in feinster Form: Mosche und Aharon (Rav Frand Tezawe 5782)

Rav Frand zu Paraschat Tezawe 5782
Bruderliebe in feinster Form: Mosche und Aharon
Der Talmud lehrt uns im Namen von Rabbi Malai (Traktat Schabbat 139a), dass Aharon aufgrund der Tatsache, dass er "sich im Herzen freute" (Schemot 4:14), als er sah, wie sein jüngerer Bruder Mosche als der neu ernannte Führer des jüdischen Volkes nach Ägypten zurückkehrte, das Verdienst hatte, den Choschen Hamischpat (das Schild des Rechtes) auf seiner Brust zu tragen. Mosche Rabbejnu hatte grosse Bedenken, die G"ttliche Mission, die Nation aus Ägypten hinauszuführen, anzunehmen. Unsere Weisen sagen, dass dieses Zögern grossteils darauf beruhte, dass er seinen älteren Bruder nicht in den Schatten stellen wollte [siehe Raschi Schemot 4:10]. Um seine Befürchtungen zu zerstreuen, sagte ihm der Allmächtige, dass Aharon ihn bei seiner Rückkehr nach Ägypten herzlichen empfangen und sich im Herzen damit freuen würde, dass Mosche zum Führer der jüdischen Nation erkoren wurde.
Der Draschat HaRan (Drascha 3) erforscht die tiefere Symbolik dieser Lehre. Warum was dieses Privileg, den Choschen Hamischpat zu tragen, die angemessene Belohnung dafür, dass Aharon sich im Herzen über die Tatsache freute, dass Mosche der ausersehene Führer des Volkes wurde? Der Draschat haRan erklärt, dass bekanntlich der Allmächtige in einer "Mass für Mass-Weise" (Midda keneged Midda) belohnt und bestraft, um die G"ttliche Vorsehung aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Belohnung und Bestrafung nicht einfach Zufälle sind, sondern die G"ttliche Gerechtigkeit widerspiegeln.
Der Draschat haRan sagt, dass die Tatsache, dass der Choschen auf Aharons Brust getragen wurde, eine "Mass für Mass" - Belohnung für die Freude war, die er bei der Rückkehr seines Bruders nach Ägypten zeigte. Warum? Der Choschen enthält die Urim weTumim, das ist eine Schrift mit G-ttlichen Namen, die zwischen den zwei Wänden des Choschen gelegt wurde. Genau genommen sind die Urim weTumim nicht ein Teil der acht priesterlichen Kleider. Der Beweis dafür ist, dass der Kohen Gadol (Hohepriester) im zweiten Bejt Hamikdasch (Tempel) auch die hohepriesterlichen Kleider trug, obwohl es keine Urim weTumim mehr gab [Talmud Sota 48b].
Was bezweckten die Urim weTumim? Der Ramban erklärt den Sinn ausführlich in der dieswöchigen Parascha [28:30]. Wenn Klall Jisrael irgendwelche Fragen von nationaler Wichtigkeit hatte, konnten sie zum Kohen Gadol gehen, worauf er die Frage den Urim weTumim stellte. Er dachte andächtig zuerst einmal an die g-ttlichen Namen der Urim. Darauf leuchteten auf wundersame Weise Buchstaben, die auf den Edelsteinen des Choschen eingraviert waren, auf, wodurch dem Hohepriester die G-ttliche Antwort mitgeteilt wurde. Auf den zwölf Edelsteinen des Choschen waren nämlich die Namen der zwölf Stämme eingekerbt. Da aber die Namen der Stämme nicht alle Buchstaben des Alef Bejt enthalten (wie Chet, Zadi, Kuf und Tet), war zusätzlich auf den Steinen Awraham, Jizchak und Ja’akow, sowie Schiwtej Jeschurun (Stämme Jeschurun – Jeschurun ist einer der Namen Israel’s) eingegraben. Nun sah der Kohen Gadol viele leuchtende Buchstaben vor sich, die aber noch keinen Sinn ergaben. Deshalb dachte der Kohen Gadol anschliessend an die G-ttlichen Namen der Tumim und dadurch verstand der Kohen Gadol die leuchtenden Buchstaben in einer richtigen Reihenfolge zu Wörter zusammenzustellen, die dann die Antwort ergaben.
Die Urim weTumim wurden nicht für belanglose Angelegenheiten verwendet, sondern nur für bedeutende Fragen – zum Beispiel, ob man in den Krieg ziehen sollte. Die Urim weTumim dienten als Verbindungslinie, um eine Kommunikation zwischen dem Allmächtigen und Seiner Nation zu ermöglichen.
Der Draschat haRan weist daraufhin, dass diese Methode der Befragung und Antwort grundsätzlich etwas weniger war als das Niveau der Prophetie, wobei der Kohen Gadol das Wort von Haschem erhielt. Die Prophetie schien nicht ein Teil der Aufgabe des Kohen Gadols zu sein. Das jüdische Volk hatte Könige, Propheten und Kohanim, die alle ihre einzigartige Funktion innerhalb der Nation hatten. Es gab eine gewisse Aufteilung der Aufgaben, wobei die Prophetie den Propheten zugehörte, nicht den Königen oder den Kohanim. Warum kommuniziert der Kohen Gadol plötzlich über die Urim weTumim in einer Form der Pseudo-Prophetie mit G"tt?
Der Draschat haRan erklärt, dass der Grund dafür ist, dass Aharon, als Mosche Rabbejnu der Vater und Herr aller Propheten in Israel (der 'Adon HaNewiim') wurde, auf seinen jüngeren Bruder nicht eifersüchtig war. Im Gegenteil, Aharon zeigte eine wahre Freude, als er Mosche begrüsste, nachdem dieser die Führung und Prophetie über die Nation angenommen hatte. Aharon erhielt die "Mass für Mass" - Belohnung, dass er - der Kohen Gadol - auch die Prophetie erhielt! Er erhielt die Prophetie durch seine Herrschaft über die Urim weTumim.
Es ist interessant zu bemerken, dass genauso wie Aharon sich seinem jüngeren Bruder unterwarf, auch Mosche Rabbejnu in dieser Parascha in gleicher Weise gegenüber Aharon handelte.
Eine der berühmten Fragen, die wir über die Jahre hinweg besprochen haben, ist, warum Mosche Rabbejnus Namen in Paraschat Tezawe nicht erwähnt wird. Sein Name wird in jeder Parscha (seit seiner Geburt) in den mittleren drei Büchern des Chumasch erwähnt, mit Ausnahme der dieswöchigen Parscha. (In Dewarim spricht Mosche das ganze Sefer zum Volk, deshalb kommt sein Name wenig vor)
Als Mosche Rabbejnu sich anfänglich weigerte, Klall Jisrael aus Ägypten hinauszuführen, steht im Passuk: "Der Ewige war erzürnt über Mosche (wajichar Af Haschem beMosche)" [Schemot 4:14]. Rabbi Jehoschua ben Korcha lehrt [Sewachim 102a], dass jedes Mal, wenn die Tora den Ausdruck 'Charon Af' (den Zorn des Allmächtigen) verwendet, Konsequenzen entstehen. Die einzige Ausnahme dieser Regel, sagt er, ist der oben zitierte Passuk, der Haschems Zorn auf Mosche ausdrückt. Mosche erhielt keine offensichtliche Strafe, weil er Haschem erzürnte. Rabbi Schim’on ben Jochai weist Rabbi Jehoschua darauf hin, dass es doch eine Konsequenz gab. Mosche Rabbejnu blieb vom "Charon Af" nicht unversehrt.
Rabbi Schim’on (Raschi in Schemot 4:14 liest: Rabbi Jossi) sagt, dass gemäss Haschems ursprünglichem Plan Mosche und seine Kinder die Kohanim und Kohanim Gedolim in Israel werden sollten. Aharon sollte nur ein Lewi sein. Als Folge von Mosches siebentägiger Weigerung, Klall Jisrael aus Ägypten hinauszuführen, wurden ihre Rollen vertauscht. Mosche wurde bestraft, indem er ein Lewi blieb und Aharon an seiner Stelle der Kohen Gadol wurde und die Priesterwürde für alle Generationen erhielt.
Die Geschichte ist jedoch noch nicht am Ende. Als Ahron – obgleich widerstrebend – an der Sünde des Goldenen Kalbes teilnahm, steht im Passuk, dass der Allmächtige die Kehuna von Aharon wegnehmen wollte. Jeder, der an der Sünde des Goldenen Kalbes teilnahm, verlor das Recht, ein Priester zu sein. Die Erstgeborenen sollten die Kohanim sein, aber sie verloren dieses Recht, weil sie an der Sünde des Goldenen Kalbes teilgenommen hatten. Aharon sollte auch dieses Privileg verlieren, aber Mosche Rabbejnu flehte den Allmächtigen an, die Kehuna (Priestertum) von Aharon nicht wegzunehmen. Nur wegen seiner Intervention und seiner dringlichen Bitte zugunsten seines Bruders blieb die Kehuna Aharon und seinen Söhnen erhalten.
Versuchen wir, uns in die Situation von Mosche hineinzuversetzen. Hätten wir nicht mit folgenden Worten argumentiert: "Ich hätte eigentlich der Kohen Gadol werden sollen, nur ich wurde bestraft. So wurde dies an Aharon gegeben, aber jetzt tat er auch etwas Falsches und verlor dieses Recht. So soll doch die Kehuna an ihren rechtmässigen Platz zurückkehren. Jetzt bin ich wieder an der Reihe!"
Mosche Rabbenu tat dies jedoch nicht. Er setzte sich gänzlich für Aharon ein und flehte den Allmächtigen an, Aharon nicht zu bestrafen. "Aharon soll die Kehuna behalten. Sie gehört ihm. Dies ist der angemessene Platz für die Kehuna."
Dies ist der Grund, warum diese Parascha, die über das Emporheben von Aharon und die Kleider des Kohen Gadols spricht, Mosche Rabbejnu überhaupt nicht erwähnt. Mosche Rabbejnu machte nichts aus sich und kümmerte sich nur um die Ehre seines Bruders und dessen Recht, die Kehuna Gedola (Hohepriestertum) zu erhalten. Mosche ist der anonyme Spieler hier, der hinter den Kulissen steht. In der Parascha, die dem Kohen Gadol gewidmet ist, will Mosche Rabbejnu nicht gesehen werden. Er will, dass sein älterer Bruder gänzlich im Mittelpunkt steht.
Segen brüderlicher Gemeinschaft
1 Ein Lied Davids im höhern Chor. Siehe, wie fein und lieblich ist's, daß Brüder einträchtig beieinander wohnen! 2 wie der köstliche Balsam ist, der von Aarons Haupt herabfließt in seinen ganzen Bart, der herabfließt in sein Kleid, (2. Mose 29.7) (2. Mose 30.23) 3 wie der Tau, der vom Hermon herabfällt auf die Berge Zions. Denn daselbst verheißt der HERR Segen und Leben immer und ewiglich.
Die klassischen Pessukim in TENACH, die zwei Brüder beschreiben, die in brüderliche Gemeinschaft leben, stehen in Psalm/Tehillim [133:1-2]: "Ein Stufengesang von David: Siehe, wie gut und wie lieblich, wenn Brüder in Eintracht miteinander leben. Wie das köstliche Salböl vom Haupt auf den Bart hinunterträufelt, Aharons Bart, träufelnd über seine Kleider." Der Ausspruch: "Schewet Achim gam jachad - Brüder, die in Eintracht miteinander leben" bezieht sich auf Mosche und Aharon. Sie sind der Inbegriff des "schewet Achim gam jachad". Aharon freute sich über Mosches Erfolg und seine Erhebung zur Führung, und als Mosche Rabbejnu sah, dass Aharon strauchelte, machte er sich selbst herab, um sicherzustellen, dass Aharon der Ruhm, der ihm gebührte, erhalten blieb. Mosches und Aharons Beziehung ist etwas, das wir alle unter Brüdern sehen möchten – unter unseren Kindern und Geschwistern, nämlich der Zustand des "Siehe, wie gut und wie lieblich es ist, wenn Brüder in Eintracht miteinander leben."
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