Die mystische Kraft von „Der Ochse stösst die Kuh“ (Rav Frand Wajikra 5782 - Beitrag 2)

Rav Frand zu Paraschat Wajikra 5782 – Beitrag 2
Ergänzungen: S. Weinmann
Die mystische Kraft von „Der Ochse stösst die Kuh“
Der Midrasch Rabba [3:6] beleuchtet folgenden Vers des Propheten Mal’achi: „Die wahre Torah war in seinem Mund und krummes wurde nicht auf seinen Lippen gefunden, er wandelte vor mir friedsam und gradlinig und bekehrte viele von Sünden“ [2:6]. Der Midrasch bezieht dies auf Aharon, den Hohepriester, der viele Menschen der Torah näherbrachte. Wir glauben, dass die Arbeit mit entfremdeten Glaubensbrüdern eine heutige Erscheinung ist. Dieser Midrasch erzählt uns, dass Aharon auch in Kiruv (dem Näherbringen zum Judentum) tätig war. Aber wie machte er das? Der Midrasch fährt fort: „Er verbot nicht, was erlaubt war und erlaubte nicht, was verboten war.“
Aharon liess sich nicht auf Kompromisse ein. Er legte die Dinge so dar, wie sie waren. Sein Geheimnis bestand darin, dass er konsequent und direkt war. Menschen schätzen Gradlinigkeit. Sie sind nicht unbedingt an Erleichterungen (Heterim) interessiert; sie sind auch nicht an Verschärfungen (Chumrot) interessiert; sie sind an der unverblümten Wahrheit (Mejscharim - Gradlinigkeit) interessiert.
Der Midrasch erklärt, dass Aharon die Menschen durch das Torahlernen näher zum Judentum brachte. Er lernte mit ihnen! Wir hingegen schätzen nicht genügend den inneren Wert der Torah.
Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen, die ich von einer berühmten Persönlichkeit, die sich mit Kiruv beschäftigt, gehört habe.
Dieser Gelehrte konnte sich, als er frisch verheiratet war und in einem Rabbinerseminar lernte, keine Wohnung in einer besseren Gegend Jerusalems leisten. Deshalb kaufte er sich eine kleine Wohnung in einem Vorort, in einem Wohnblock, in dem er der einzige gesetzestreue, religiöse Jude war. Alle anderen Bewohner waren nichtreligiöse Israelis. Er ging auf sie zu und fing an, Beziehungen zu knüpfen. Er lud jeden Einzelnen von ihnen zu sich in die Wohnung ein, um einmal in der Woche mit ihm zu lernen. Nach einigen Versuchen kamen schliesslich einige Nachbaren zum Lernen, aber er wusste nicht, welches Thema er wählen sollte.
Was sollte er mit nichtreligiösen Israelis durchnehmen? Säkuläre Israelis sind in einem gewissen Sinn weit vom Judentum entfernt und haben eine tiefere Abneigung gegen jüdisches Lernen als entfremdete Juden in Amerika. Er wog seine Möglichkeiten ab: Vielleicht etwas Philosophisches wie Maimonides‘ "Moreh Newuchim - Führer der Irrenden", oder ein Werk über den Gegensatz zwischen dem jüdischen Glauben und anderen Religionen wie den "Kusari"? - Er wusste nicht, was er mit ihnen durchnehmen sollte.
Er ging zu Schacharit (Morgengebe) und traf dort, wie die Vorsehung es wollte, den berühmten Uri Sohar. Uri Sohar war Israels meistgesuchter Unterhalter gewesen: Komödiant, Fernseh- und Radiomoderator, Gesellschaftssatiriker, Filmstar und Filmproduzent und das Idol der modernen, säkulären israelischen Gesellschaft. Dann jedoch, auf der Höhe seiner Karriere, wandte er sich der Religion zu und wurde mit der Zeit vollständig gesetzestreu und ist heute ein grosser Talmid Chacham (Gelehrter).
Er fragte Uri Sohar, was er mit diesen Nachbarn lernen solle. Uri fragte ihn: „Was lernst du in der Jeschiwa?“ Der Rabbinerstudent antwortete ihm, er lerne Baba Kama. Uri Sohar sagte: „Lerne mit ihnen das Talmud-Traktat Baba Kama“.
Der junge Gelehrte schaute ihn ungläubig an und entgegnete: „Baba Kama? Der Ochse, der die Kuh stösst? Die Grube oder das Feuer, das Schaden anrichtet?... Das soll die Leute vom Judentum überzeugen?“
Darauf antwortete ihm Rav Uri Sohar: „Mein lieber Freund, du glaubst nicht an die Torah! Wenn du in Frage stellst und anzweifelst, dass das Lernen des Traktates Baba Kama sie zurückbringen kann – dann glaubst und schätzt du nicht vollkommen die Kraft der Torah.“
Lerne rein und unverfälscht „Die vier Hauptarten von Schäden…“ (Arba Awot Nesikin – Anfang von Baba Kama). Du brauchst nicht philosophische Werke wie den Kusari oder Moreh Newuchim mit ihnen zu lernen. Lerne über den „Ochsen, der die Kuh stösst“. Das berührt die Seele. Es ist mystisch. Es ist magisch. Das ist die Nahrung, nach der die Seele dürstet; ein Lehrer braucht weiter nichts.
Das gilt bis zum heutigen Tag: Was lernt ein Rav mit Erwachsenen als Einführung? Traktat Baba Kama.
Das will der Midrasch über Aharon sagen. Durch das Torahlernen führte er die Abgefallenen zum Judentum zurück. Die Kraft der Torah setzt sich durch.
Quellen und Persönlichkeiten:
1. Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tanna’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
2. Rambam, Rabbi Mosche ben Maimon (Maimonides) (1135 – 1204); Spanien, Ägypten, Israel. Einer der bedeutendsten Rischonim, seine Hauptwerke sind: Das umfassende Werk zum jüdischen Recht „Mischne Tora-Jad Hachsaka“, Erklärung zur Mischna und „Moreh Newuchim (Führer der Irrenden / Unschlüssigen), wie weitere Werke.
3. Rabbi Jehuda HaLevy ben Schmuel (1074 – 1141); Tudela, Toledo, (Kastilien, Spanien). Arzt und Gelehrter, sephardischer Philosoph und gilt als der bedeutendste hebräische Dichter des Mittelalters. Autor des Buches „Kusari“. Das Buch schrieb er in Arabisch, in Form eines Gesprächs zwischen dem König der Chasaren und einem jüdischen Weisen über die Grundlagen des Judentums. Als historischer Hintergrund dient dem Autor der überlieferte Bericht eines freiwilligen Übertritts der Chasaren zum Judentum, etwa vierhundert Jahre zuvor. Das Buch Kusari hat bis heute grundlegende Bedeutung für die jüdische Philosophie und allgemein für die jüdische Geisteswelt. Er arbeitete an diesem Buch während zwanzig Jahren und vollendete es 1139, kurz vor seinem geplanten Aufbruch nach Erez Israel.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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