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Rav Frand zu Paraschat Schemini 5779 – Beitrag 2

Kenne die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vor dem Verkünden des "Tameh hu" (Unrein ist er)

Dieser Wochenabschnitt enthält die erste Erwähnung der Gebote, die sich mit der Identifikation koscherer Tiere, Fische und Geflügel befassen. Der Vers besagt: "Doch dies ist, was ihr nicht essen sollt aus jenen Wiederkäuern oder Paarhufern: das Kamel (Gamal), weil es ein Wiederkäuer ist, aber kein Paarhufer – unrein sei es euch; sowie den Hasen (Schafan), weil er ein Wiederkäuer ist, aber kein Paarhufer - unrein sei es euch; sowie das Kaninchen (Arnewet), weil es ein Wiederkäuer ist, aber kein Paarhufer - unrein sei es euch." (Wajikra 11:4-6)

Hier gibt es eine auffällige Ungereimtheit. Beim Kamel wird das Verb, das gebraucht wird, um die Tatsache zu beschreiben, dass es kein Paarhufer ist, [im hebräischen Originaltext] in der Gegenwartsform konjugiert („Parsah ejnenu mafriss“). Beim Hasen hingegen wird das Verb in der Zukunftsform gebraucht („Parsah lo jafriss“). Und beim Kaninchen schlussendlich in der Vergangenheitsform („Parsah lo hifrissah“). Es ist offenkundig, dass die Begriffe alle (konsistent) in der Vergangenheits-, Gegenwarts- oder Zukunftsform genannt werden sollten. Es muss eine Botschaft darin geben, dass die Tora unterschiedliche Formen des Verbes für die jeweiligen Tiere verwendet.

Ich sah einen wunderschönen, homiletischen Gedanken über diese Angelegenheit. Wenn jemand "Tameh" (unrein) über eine Gattung oder jegliche andere Einheit verkünden will, muss man deren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kennen. Ohne sich der Situation in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewusst zu sein – man kennt nicht die ganze Geschichte – sollte man sich nicht beeilen, die Worte "tameh hu" (dieser ist unrein) zu verkünden.

Einer der Lehrer an der "Bejt Ja’akow Schule" erzählte meiner Frau die folgende Geschichte: Es gab ein Ehepaar, das den Holocaust überlebte. Vor dem Holocaust hatten sie die Tora und Mizwot vollständig eingehalten. Doch nach dem Holocaust - leider, verlor der Mann seinen Glauben und sagte: "Das war's! Genug mit G-tt!" Der Mann gab alles auf, was mit religiöser Ausübung und Glauben zu tun hat. 

Seine Frau reagierte nicht so. Sie bettelte ihren Mann an: "Gehe wenigstens zur Synagoge." Der Mann lehnte dies ab. Dies zog sich eine Weile so hin. Schliesslich sagte die Frau zu ihrem Mann: "Hör zu, tue mir einen Gefallen. Jeden Morgen, wenn du rausgehst und eine Zeitung kaufst und sie von Anfang bis Ende liest - halte mich bei Laune. Wenn du die Zeitung am Zeitungsstand holst - anstatt damit nach Hause zu kommen, um sie zu lesen, gehe zur Synagoge und lies die Zeitung in der Synagoge - nur um mich glücklich zu machen!"

Der Mann wollte seine Frau zufriedenstellen. Er verbrachte die Zeit ohnehin damit, die Zeitung zu lesen, also stimmte er ihrem Vorschlag zu. Er ging jeden Morgen zur Synagoge, sass in der letzten Reihe und las die Zeitung. Dies zog sich sehr lang so hin.

Nun fragt Euch selbst: Wenn Ihr jemanden gesehen hättet, der jeden Morgen zur letzten Reihe Eurer Synagoge reingekommen wäre, weder Tallit noch Tefillin angezogen hätte, keinen Siddur aus dem Regal genommen hätte, sondern es sich einfach gemütlich gemacht und 45 Minuten lang die Zeitung gelesen hätte - was wäre Eure Reaktion gewesen?"

Mit grösster Wahrscheinlichkeit wäre unsere Reaktion sehr negativ ausgefallen. "Wenn Sie die Zeitung lesen wollen, dann gehen Sie bitte nach Hause und lesen dort die Zeitung! Wie können Sie es wagen, sich in diesem heiligen G-tteshaus so respektlos zu verhalten?" Man kann den Menschen in dieser Synagoge zugutehalten, dass sie ihm nichts Kritisches gesagt haben. Es gab von ihrer Seite keine Schelte. Sie begannen, mit ihm zu plaudern; sie luden ihn zum "LeChajim" nach dem G-ttesdienst ein, als jemand "Jahrzeit" hatte; sie luden ihn zu gesellschaftlichen Zusammenkünften ein. Um die Geschichte abzukürzen: Dieser Holocaust-Überlebende ging vom Zeitunglesen in der Synagoge über zum dreimal täglichen beten am Tag! Letztendlich wurde er sogar der Vorsitzende der Synagoge!

Was sagt uns das? Unser Trieb wäre gewesen, sofort auszurufen: "Tameh hu lachem!" [Er ist Euch unrein!] - Diese Gattung ist definitiv kein koscheres Tier! Aber wir kannten seine Vergangenheit nicht. Wir waren uns über seine gegenwärtige Situation nicht im Klaren - und wir konnten sicherlich nicht erahnen, was seine Zukunft bringen würde. Dies ist es, was die Tora uns beibringen will. Um auszurufen, "dieser (oder dies) ist unrein!" - müssen wir wissen, dass die Hufe nie gespalten war, ist oder sein wird (in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft). Solange man diese Informationen nicht hat, sollte man sich nicht beeilen, jemanden oder etwas als unrein zu bezeichnen. 

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Die Bearbeitung dieses Wochenblatts erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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