Wo der Mensch hinwill, dort führt G'tt ihn auch hin - (Rav Frand Schemini 5781 – Beitrag 1)
Ergänzungen. S. Weinmann
Wo der Mensch hinwill, dort führt G'tt ihn auch hin
Es gibt einen interessanten Midrasch zum Passuk [Wajikra 10:8-9]: "Und der Ewige sprach zu Aharon: Wein und andere berauschende Getränke sollst du und deine Söhne nicht trinken, wenn ihr in das Stiftzelt geht..." Der Midrasch [Midrasch Raba 12:1] erzählt die Geschichte eines Trinkers. Seine Sucht war so stark, dass er bereit war, alles, was ihm gehörte, für dieses Laster wegzugeben. Um Wein zu bekommen, verkaufte er schlussendlich sogar seine Möbel und seinen Hausrat. Seine Kinder sahen dieses Treiben und entschieden, dass etwas Dramatisches getan werden müsse, um ihrem Vater die zerstörerische Kraft seiner Gewohnheit zu zeigen und den Rest des Vermögens zu retten.
Als er wieder einmal vollkommen betrunken dalag, fesselten sie ihn, fuhren ihn auf den Friedhof und liessen ihn dort liegen. Sie dachten sich, dass er dort seine Trunkenheit ausschlafen solle. Beim Aufwachen am kommenden Morgen würde er sehen, wo er war. Es sollte ihm einen heilsamen Schock versetzen, wenn er sich auf dem Friedhof wiederfinden würde. Sie hofften, dass er auf diese Weise die Botschaft, dass Alkohol tödlich ist und er mit Trinken aufhören sollte, verstehen würde.
Der Midrasch erzählt, dass in der Nacht eine Karawane, die Weinfässer beförderte, beim Schlafenden vorbeizog. Plötzlich hörten sie Kriegs-Getümmel und vor Angst luden sie ihre Fässer mit hoher Geschwindigkeit von ihren Eseln im Friedhof ab. Eines dieser Weinfässer kam genau neben dem Kopf des schlafenden Trunkenbolds zu stehen.
Als der Vater am nächsten Morgen aufwachte, bemerkte er das Weinfass neben seinem Kopf und begann zu trinken, bis er wieder stockbetrunken war. Nach einer gewissen Zeit kamen die Kinder auf den Friedhof und sahen, was geschehen war. Enttäuscht sagten sie: "Sogar hier lässt G'tt nicht zu, dass du dein Laster aufgibst. Da Er es dir gibt, sehen wir nichts, was wir gegen dein Laster unternehmen können." Mit anderen Worten: "Das ist Schicksal. G'tt will, dass du ein Trunkenbold bleibst, und da gibt es nichts zu machen."
Was meint der Midrasch? Was will er uns mit dieser Geschichte sagen?
Rav Eljahu Dessler schreibt, dass der Midrasch uns lehrt, dass G'tt einem Menschen auf allen seinen Wegen hilft. Dorthin wo der Mensch hin will, wird er von oben geführt. Wenn jemand ein rechtschaffener Mensch werden will, wird ihm G'tt helfen, ein rechtschaffener Mensch zu werden. Wenn jemand ein Bösewicht werden will, ebnet G'tt ihm einen Weg, dass er böse werden kann. Wenn jemand ein Trinker sein will, wird G'tt dafür sorgen, dass sich neben seinem Kopf ein Fass Wein findet.
Man kann sich jedoch fragen: Wollen wir nicht alle rechtschaffene Menschen sein? Wer will nicht ein Zaddik (Gerechter) sein? Wollen wir nicht alle Tora-Gelehrte sein? Und doch sehen wir, dass G'tt es uns nicht leicht macht! Rav Dessler fragt deshalb, was denn der Unterschied zwischen dem Trunkenbold und uns ist. G'tt besorgte dem Trinker ein Fass Wein, aber wir bekommen das, was wir benötigen, um rechtschaffen und gelehrt zu werden nicht so einfach. Für uns ist es manchmal schwierig, hinzusitzen und zu lernen. Wir finden es so schwer, ungestört zu dawenen (beten). Für uns gibt es so viele Dinge, die wir tun möchten, und so schwierig zu erreichen sind!
Der Unterschied liegt darin, so sagt Rav Dessler, dass der Trinker bereit war, sogar seine Möbel, sogar sein letztes Hemd herzugeben, um noch einen Becher Wein zu erhalten. Wenn der Wille wirklich stark ist, zeigt dies, dass ein Mensch etwas WIRKLICH will. Wenn jemand etwas WIRKLICH will, macht G'tt es ihm leicht, dieses etwas zu erwerben. Leider ist es sehr oft der Fall, dass unser Wille, das Richtige zu tun - zu lernen, zu beten oder was es auch immer sein mag - nicht so stark ist, wie der Drang des Trunkenboldes nach dem nächsten Glas Wein.
Quellen und Persönlichkeiten:
Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tana’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
Rav Eljahu Dessler (1891 - 1954): Eine der herausragendsten Persönlichkeiten der "Mussar-Bewegung" (moralische Erneuerung); London, Gateshead, Benej Berak (Israel). Verfasser von "Michtav mi'Elijahu".
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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