Das grösste Glaubensbekenntnis: "Und Aharon schwieg" (Rav Frand, Schmini 5783)
Rav Frand zu Paraschat Schemini 5783
Ergänzungen: S. Weinmann
Das grösste Glaubensbekenntnis: "Und Aharon schwieg"
Angesichts der fürchterlichen Tragödien in den vergangenen Tagen und Wochen – durch den arabischen Terror in Erez Jisrael – ein äusserst aktueller Beitrag!
Paraschat Schemini enthält eines der grössten Glaubensbekenntnisse der gesamten Tora.
Das jüdische Volk brachte nach der Spaltung des Jam Suf (Roten Meeres) seinen Glauben "an G’tt und Seinen Diener Mosche" in einem grossen Glaubensbekenntnis zum Ausdruck [Schemot 14:31]. Die Parascha dieser Woche beinhaltet aber auch das grösste in der Tora vorkommende uneingeschränkte Glaubensbekenntnis eines Individuums. Dieser Ausdruck eines vollendeten Glaubens war die Reaktion von Aharon Hakohen (Aharon, dem Priester) auf den Tod seiner beiden Söhne.
Aharon hatte zwei aussergewöhnliche Söhne. Sie waren grosse Zaddikim (Fromme, Gerechte). Diese Söhne waren würdig, einst zu Führern der Gemeinschaft zu werden. Diese Söhne wurden Aharon weggenommen, gerade während der besonders freudigen Einweihungszeremonie des Ohel Mo’ed (Stiftszeltes).
Wie reagiert Aharon? Mit Schweigen und mit vollständiger Annahme [Wajikra 10:3]! Aharon war dazu nur wegen seinem unerschütterlichen Glauben an G‘tt fähig. Eine Person, die den Tod zweier seiner Söhne erleben muss, und dennoch mit Schweigen und Akzeptanz reagiert, gibt damit das aufschlussreiche und stärkste Zeugnis seines Glaubens ab, das man sich überhaupt vorstellen kann.
In Paraschat Re'eh – zum Passuk "Ihr seid Kinder G‘ttes, ihr sollt euch aus Trauer keine Einschnitte machen“ [Dewarim 14:1] – schreibt der Ramban, dass die Verbote der Tora gegen Selbstverstümmelung aus Trauer dazu dienen, unseren Glauben in die Ewigkeit der Seele zu bezeugen. "Da du an die Ewigkeit der Seele
glaubst, und daran, dass, was immer G‘tt beschliesst, nie schlecht sein kann, sollst du auch nicht übermässig trauern - auch nicht angesichts tragischer Todesfälle von jungen Menschen.“
Viele von uns sahen in unserer Gemeinde ein ähnliches Glaubensbekenntnis wie dasjenige von Aharon Hakohen. Herr Israel Weinstein und seine Frau erlitten an einem Erew Pessach (Vortag von Pessach) durch den Verlust von zwei Kindern bei einem Verkehrsunfall eine Tragödie enormen Ausmasses. Ich selbst war an diesem Pessach, an dem sich diese Geschichte zutrug, nicht in der Jeschiwa in Baltimore. Diejenigen, die dabei waren, und die sahen, wie Herr Weinstein nach dieser schrecklichen Nachricht reagierte, waren in höchstem Masse erstaunt über den Glauben, den er damit zeigte.
Es ist schlicht unvorstellbar, wie ein Jude, der am Sederabend am Pessach hört, dass er soeben zwei seiner Kinder verloren hat, sich wieder dem Seder zuwendet, sich hinsetzt, und Schehechejanu (Segensspruch an G‘tt dafür, dass Er uns am Leben erhält und uns diese Zeit hat erleben lassen) aussprechen kann. Es verlangt ein ganz besonderes Mass an Glauben ab, um am nächsten Morgen nach Schul (Synagoge) zu gehen, zu beten, und die Anwesenden mit "Gut Jomtov" (Festtags-Gruss) zu begrüssen, ohne seine Gefühle zu zeigen oder die Stimmung des Festtages zu stören. An diesem Pessach-Vormittag lief ein kleiner Junge in die Jeschiwa hinein, den Gang hinunter und an dem Platz vorbei, an dem Herr Weinstein sass. Herr Weinstein streichelte dem Jungen die Wange.
Der Vater des Jungen besuchte Herr Weinstein während der Schiw’ah (Trauerwoche, die in der Regel auf das Begräbnis folgt – in diesem Falle, erst nach Pessach, da an einem Feiertag keine Schiw’a begonnen werden darf) und fragte diesen wie er dies überhaupt fertig gebracht hatte. "Wie konnten Sie es fertig bringen, in der Zeit Ihrer grössten Trauer, sich über einen Jungen zu beugen und ihm die Wange zu streicheln?" Herr Weinstein antwortete, dass er gerade dann realisierte, wie kostbar jedes jüdische Kind ist. Er musste dieses Kind streicheln, weil er gerade dann fühlte, wie speziell jedes unserer Kinder ist.
Oft kommt es vor, dass wir unsere Kinder als selbstverständlich hinnehmen. Manchmal ärgern wir uns übermässig über sie und realisieren nicht, wie kostbar sie sind.
Eine Person, die in einer solchen Tragödie in der Lage ist, einen solch tiefen Glauben auszudrücken, und die Tat von "Und Aharon schwieg" nachzuahmen, kann nur ein Mensch sein, der erkennt, dass es auch auf der anderen Seite der Welt weiteres Licht gibt. Möge diese Familie – und all die auf gleicher Weise Trauernden - inmitten all den Trauernden um Zion und Jerusalem Trost finden.
Es ist fast unfassbar, wie wir in unserer Zeit ausnahmslos die gleichen Glaubens- bekenntnisse von den Eltern der ermordeten Kinder vernehmen. In diesem Verdienst allein sind wir würdig, die Erlösung aus dem Galut zu erleben. Amen
Quellen und Persönlichkeiten:
Ramban: Rabbi Mosche ben Nachman – "Nachmanides" (1194 - 1270); Gerona, Spanien; Erez Jisrael; einer der führenden Toragelehrten (Rischonim) des Mittelalters, einer der Haupterklärer des Chumasch (fünf Bücher Moses), wie Verfasser weiterer Werke in Haschkafa (Kitwej haRamba“n) und Abhandlungen zum Talmud.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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