Gedenke, was G’tt Mirjam tat - (Raw Frand Mezora 5779 – Beitrag 1)
Gedenke, was G’tt Mirjam tat
Sowohl Paraschat Tasria als auch Paraschat Mezorah befassen sich ausführlich mit den Gesetzen von Zara’at. Der Talmud sagt [Eruchin 15b], dass die aussatzähnliche Plage von Zara’at auf die Sünde von Laschon HaRah (böse Reden) zurückzuführen ist. Zara’at war eine „wundersame“ Krankheit, die auftrat, als das Bejt HaMikdasch (der Tempel) noch stand. Wenn ein Mensch schlecht über jemand anders redete, wurde zuerst sein Haus in Mitleidenschaft gezogen. Falls er es nicht bereute, nahmen seine Kleider Schaden. Falls das immer noch nicht half, wurde sein Körper mit dieser Plage geschlagen. Er musste sich aus der zivilisierten Welt verabschieden. Man tat öffentlich kund, dass er wegen seinen bösen Reden eine „unreine Person“ sei.
In Paraschat Ki Teze schreibt die Torah: „Hüte dich vor der Zara’at-Plage, beachte dies sorgfältig und tue alles, was euch die Kohanim und die Levi’im lehren werden; was Ich ihnen geboten habe, sollt ihr sorgfältig ausüben“ [Dewarim 24:8]. Unmittelbar nach diesem Passuk befiehlt die Torah: „Gedenke, was Haschem, dein G’tt, Mirjam getan hat, auf dem Wege, als ihr aus Ägypten gezogen seid“ [24:9].
Mirjam redete „Laschon HaRah“ über ihren Bruder. Sie wurde mit Zara’at geschlagen. Aus diesem Grund schickte man sie aus dem Lager hinaus. Die Torah erinnert uns an diese Begebenheit.
Das ganze Lager wartete sieben Tage auf Mirjam, nachdem sie wegen Zara’at das Lager verlassen hatte. Niemand reiste weiter. Jeder wartete auf Mirjam. [Bamidbar 12: 1-16]
Wieso warteten sie auf sie? Wieso zogen sie nicht weiter? Sie hätte das Volk ja später einholen können. Unsere Weisen sagen, dass das Warten des jüdischen Volkes auf Mirjam als eine „Belohnung“ oder als „Rückzahlung“ betrachtet wird, weil sie auf ihren Bruder Mosche gewartet hatte, als sein Schilfkörbchen in den Nil ausgesetzt worden war. [Schemot 2:4] Nun wartete das jüdische Volk auf sie.
Wenn ich in Mirjams Schuhen gesteckt hätte, hätte ich noch so gerne auf diese Art „Belohnung“ verzichtet. Wenn sie die Wahl gehabt hätte, hätte sie es wohl vorgezogen, wenn die jüdische Nation ohne sie weitergereist wäre und sie sie nachher hätte einholen können. Höchstwahrscheinlich hat sie sich nie und nimmer gewünscht, dass alle wegen ihr eine volle Woche warten mussten und nirgends hingehen konnten. Jeder fragte den anderen: „Wieso ziehen wir nicht weiter?“ Die Antwort war: „Es ist Mirjams Fehler. Der Grund ist, dass sie schlecht über ihren Bruder geredet hat.“ Was für eine „Belohnung“ oder „Rückzahlung“ ist dies für sie?
Die Antwort auf diese Frage finden wir in einem Abschnitt in Rambams Werk „Mischne Torah/Jad HaChasakah“ [Tum’at Zara’at 16:10]. Üblicherweise verzettelt sich der Rambam in der Mischne Torah, seiner Schrift über die jüdische Rechtslehre, nicht in philosophische Abhandlungen. Hier schreibt er jedoch folgendes:
„…und zu dieser Angelegenheit erhalten wir von der Torah eine Warnung. „Gedenke, was Haschem, dein G’tt, Mirjam auf dem Weg getan hat.“ Die Torah sagt: Denke darüber nach, was Mirjam, der Prophetin, geschah. Sie redete über ihren jüngeren Bruder, den sie liebte und den sie erziehen half. Für ihn hatte sie ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um ihn aus dem Nil zu retten. Im Grunde genommen sprach sie nichts Böses über ihn. Sie irrte sich nur darin, dass sie seine Grösse mit derjenigen anderer Propheten (die sich nicht von ihren Frauen trennten) verglich. Und Mosche fühlte sich von ihren Bemerkungen überhaupt nicht verletzt, so wie es steht: „Und der Mann Mosche war äusserst bescheiden.“ Und trotzdem wurde sie sofort mit Zara’at bestraft. Kal we’Chomer (umso mehr) wird die Bestrafung grösser sein für die bösartigen Narren, die wiederholt schwere und schlimme (Kritik) aussprechen.“
Der Rambam sagt, dass Mirjams Laschon HaRah kein typisches Laschon HaRah darstellt. Es wurde nicht in böser Absicht ausgesprochen. Es ging nicht darum, jemanden zu schädigen. Es kam auch niemand zu Schaden. Es war ein unschuldiger Fehler. Doch dies ist die Stärke von Laschon HaRah, möge es gut oder schlecht gemeint sein: Es ist wie Gift. Es kommt nicht darauf an, aus welchem Grund Gift geschluckt wird: Es ist tödlich. Dasselbe gilt auch für Laschon HaRah.
Wenn die Torah also sagt [Bamidbar 12:15]: „Mirjam ward ausserhalb des Lagers sieben Tage verschlossen und das Volk zog nicht weiter, bis Mirjam wieder aufgenommen wurde". „Gedenke, was Haschem, dein G’tt, Mirjam getan hat, auf dem Wege… [Dewarim 24:9] aber denkt auch daran, was Mirjam für Mosche getan hat, als sie am Nil auf sein Weidenkörbchen wartete, so will die Torah Mirjam sicher nicht schlechtmachen. Man tadelt sie nicht. Sie ist eine rechtschaffene Frau. Die Torah sagt nur: „Denkt doch über die zerstörerische Kraft von Laschon HaRah nach, während ihr auf Mirjam wartet.“ Wenn das, was sie getan hat, als Laschon HaRah betrachtet wird und eine so schwere Strafe verursacht, dann ist verleumderisches Laschon HaRah noch viel schlimmer.
Mirjam war wahrhaft rechtschaffen und brauchte sich über nichts zu schämen. Ihre Tat war wirklich keine grosse Sünde. Es war nur ein kleiner „Fehler“. Und trotzdem sehen wir, welch schwere Konsequenzen dies hatte. Dies ist die Lehre von: „Erinnere dich an das, was Haschem Mirjam antat.“
Quellen und Persönlichkeiten:
Rambam, Rabbi Mosche ben Maimon (1135 – 1204), einer der bedeutendsten Rischonim, seine Hauptwerke sind „Mischne Tora-Jad Hachsaka“, Erklärung zur Mischna und „Moreh Newuchim“, Spanien, Aegypten, Israel.
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Die Bearbeitung dieses Wochenblatts erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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