Schewat/ Paraschat Beschalach

Raw Frand zu Parschat Mezora 5770

Zwei Vögel: Einer für "schlechtes Reden" und einer für "gutes Reden"

Der Passuk (Vers) sagt: "So befehle der Priester: Man soll für den, der sich reinigen lässt (von der Zara'at-Plage) zwei lebende, reine Vögel bringen …" [Wajikra 14:4]. Der Sohar deutet an, dass ein Vogel für schlechtes Gerede und ein Vogel für gutes Gerede sühnt.

Zara'at, von der in dieser Woche gesprochen wird, ist nicht die körperliche Krankheit, die üblicherweise Lepra genannt wird. Es handelt sich eher um ein geistiges Gebrechen, das sich körperlich äussert. Unsere Weisen sagen uns, dass das Wort Mezora (welches denjenigen umschreibt, der von der Zara'at-Plage geschlagen wird) ein Zusammenzug der Worte "Mozi Ra" (einer, der Übles ausspeit) ist. Dies, weil Zara'at als Strafe für üble Nachrede (Laschon Hara) auftritt. Der Sohar lässt uns jetzt wissen, dass der zweite Vogel für das "gute Reden" sühnt. Was soll das bedeuten?

Der Schemen HaTov gibt folgende Erklärung. Es gibt zwei Gründe, wieso ein Mensch mit Zara'at geschlagen wird: für schlechtes Reden und für den unangebrachten Gebrauch der Sprache. Missbrauch der Sprachfähigkeit bedeutet, dass man sich von "guter Rede" zurückhält, wenn sie angebracht gewesen wäre. Genau wie Klatsch manchmal eine Ehe, eine Gemeinschaft oder eine Freundschaft zerstören kann, so können manchmal ermutigende und freundschaftliche Worte einem Niedergeschlagenen, Einsamen oder Entmutigten neue Lebenskraft einflössen. Manchmal kann ein Mensch dadurch verletzt werden, indem man ihm kleine Freundlichkeiten wie ein "Guten Morgen", ein "Wie geht’s?", "Dankeschön" oder "Gut gemacht!" vorenthält. Manchmal kann das Zurückhalten eines Kompliments oder eines guten Wortes ebenso destruktiv sein, wie üble Nachrede.

Wir können vielleicht noch etwas weitergehen und sagen, dass diese zwei Sünden, üble Nachrede und das Zurückhalten von aufmunternden Worten, eigentlich von der gleichen Sünde herrühren. Wenn wir uns in die Eigenheiten der Sünde von Laschon Hara vertiefen, stellen wir fest, dass beides eigentlich zwei Seiten derselben Medaille sind.

Ein Weg, um die Quelle eines Gedankens in der Tora zu finden, besteht darin, die Stelle in der Tora näher zu betrachten, in der dieses Thema zum ersten Mal erwähnt wird. Damit finden wir den Schlüssel dazu, worum es bei einer Mizwa (Gebot) oder einem Verbot wirklich geht.

Die erste Stelle in der Tora, wo wir Laschon Hara (üble Nachrede) finden, ist bei der Schlange. Chava (Eva) schlägt den Rat der Schlange aus, vom Ejz haDa’at (Baum der Erkenntnis) zu essen. Sie erklärt, dass G'tt ihr verboten hat, davon zu essen. Die Schlange tut dies als üble Machenschaften von Seiten G'ttes ab: "…sondern G’tt weiss, dass am Tage, da ihr davon esset, euch die Augen aufgehen und ihr G’tt gleich werdet …" [Bereschit 3:5]. Raschi erläutert das Argument der Schlange wie folgt: "Jeder Berufsmann hat etwas gegen Wettbewerber. G'tt hat von diesem Baum gegessen und erwarb sich so die Kenntnis, wie die Welt zu schaffen sei. Er ist argwöhnisch und will nicht, dass du die gleichen Fähigkeiten bekommst wie Er."

Adam befand sich in der bestmöglichen Lage. Er sass im Garten Eden. Engel versorgten ihn mit allem. Es gab nichts Besseres! Aber dann kam die Schlange und behauptete: "Na! Es ist nicht alles so gut! Du nennst den Baum der Erkenntnis nicht dein eigen; du bist nicht gleich G'tt!" Die Schlange betrachtet eine Situation, die im Wesen perfekt ist und findet einen Makel. Und genau darauf richtet sie ihr Augenmerk.

Dies ist der Kern von Laschon Hara. Laschon Hara ist nicht so sehr ein Verbrechen des Mundes. Es ist ein Verbrechen der falschen Lebenseinstellung. Jemand kann auf seinen Nachbarn schauen und einen netten Kerl sehen, seine Talente sehen und das, was er erreicht hat. Ein anderer kann den gleichen Menschen betrachten und sieht nur seine Fehler und Unzulänglichkeiten. Ein Mensch, der zu Laschon Hara neigt, hat eine voreingenommene Sicht der Welt. Die Wurzel dieser Sünde ist, immer nur das Schlechte zu sehen, statt das Gute. Das Glas ist immer halb leer.

Das andere klassische Beispiel für Laschon Hara in der Tora handelt von den Meraglim (Kundschaftern). Sie gingen nach Erez Israel (Land Israel). Die Früchte waren riesig und köstlich. G'tt beschäftigte alle Bewohner mit Beerdigungen, damit die Anwesenheit der Kundschafter nicht bemerkt wird. Und was sehen die Kundschafter? "Ein Land, das seine Einwohner verzehrt" [Bamidbar 13:32]. Es braucht schon eine sehr verdrehte Sicht, um in dieser fast idyllischen Situation etwas Schlechtes zu finden.

Wenn dies der Fall ist, so bezieht sich die "gute Rede" und die "schlechte Rede", von der der Sohar redet, auf das Gleiche. Der Grund, wieso wir über jemanden schlecht reden, ist, weil wir es nicht schaffen, das Gute in ihm zu sehen. Wir erfassen nur das Schlechte. Und die gleiche Situation besteht, wenn wir jemanden beobachten, wie er Gutes tut und ein einfaches Kompliment täte ihm gut. Wenn wir nicht hochherzig genug sind, um ihm dieses Kompliment zu geben, ist dies ebenso auf dieselbe voreingenommene Sicht zurückzuführen, auf die Unfähigkeit, etwas Gutes zu verstehen und zu schätzen. Laschon Hara ist im Grunde nichts anderes als eine verdrehte Auffassungsgabe. Sie ist nicht so sehr ein Verbrechen der Zunge, als ein Verbrechen, welches wegen einer verdrehten Weltsicht begangen wird.

Rabbejnu Jona bringt in seinem Werk Scha'arej Teschuwa folgendes Gleichnis zum Pasuk (Vers) "der Dumme schaut auf das Üble, der Gerade aber sieht das Gute" [Mischlej (Sprüche) 14:9]: "Zwei Menschen kommen an einem Tierkadaver vorbei. Der Kadaver war bereits am Verwesen. Einer sagt: "Das stinkt ja schrecklich"; der andere sagt: "Schau, wie weiss seine Zähne sind". Rabbejnu Jona sagt, dass der erste dumm genannt wird und der zweite gerade. Dass der erste nur das Negative sieht, heisst nicht, dass er ein schlechter Mensch ist. Aber er ist dumm, denn ein Mensch, der immer nur das Schlechte sieht, wird selber negativ, destruktiv und bitter. Ein Mensch, der Laschon Hara spricht, beeinflusst zuallererst sich selbst zum Schlechten. Vergiss Rechtschaffenheit, vergiss Recht und Unrecht – ein solcher Charakterzug ist schlichtweg dumm!


Quellen und Persönlichkeiten:
Schemen HaTov: Rabbi Dov Weinberger. Zeitgenössischer Autor; Rabbiner in Brooklyn, New York.
Sohar: Jüdische Mystiklehre verfasst von Rabbi Schimon bar Jochai zur Zeit der Römischen Besetzung von Erez Israel.
Raschi (1040-1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller Torakommentare“.
Rabbejnu Jona (1200 – 1263): Mittelalterlicher Tora-Gelehrter; sein Hauptwerk ist Scha’arej Teschuwa („Tore der Rückkehr“); Gerona, Spanien.



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