Schewat/ Paraschat Beschalach

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Wer muss wen ehren? (Rav Frand Kedoschim 5781 – Beitrag 1)

Wer muss wen ehren?

Der Beginn von Paraschat Kedoschim enthält einen Passuk (Vers), der eine sehr interessante Gegenüberstellung von Mizwot darlegt:  "Vor Mutter und Vater soll ein jeder von euch Ehrfurcht haben, und Meine Schabbatot sollt ihr beachten; Ich bin Haschem euer G"tt [Wajikra 19:3]. Raschi ist erstaunt über die Verbindung zwischen der Beachtung von Schabbat und dem Ehren der Eltern. Raschi zitiert einen Torat Kohanim, das basierend auf der Gegenüberstellung in diesem Passuk lehrt: "Obwohl Ich euch vorgeschrieben habe, Eltern zu ehren, sollt ihr, falls Eltern euch sagen: 'Entweiht den Schabbat', nicht auf sie hören. Dasselbe gilt auch bei allen anderen Geboten." Dies ist ein halachisches Prinzip, das mehrere Male im Talmud erwähnt wird und auch im Schulchan Aruch festgelegt ist.

Rav Ja’akov Kaminetzky fügt hinzu, dass die Tora uns hier auch eine andere Botschaft vermittelt. Wir glauben als Juden, dass G"tt die Welt in sechs Tagen erschaffen hat und dass Er am siebten Tag ruhte. Vor der Schöpfung existierte die Welt nicht, und offensichtlich gab es noch keine Menschen. Dieses Szenario der "Schöpfung" wird nicht allgemein akzeptiert. Es gibt viele Leute, die sogar jegliche Rolle von G"tt in der Schöpfung abstreiten. Die Theorie von Darwin und anderen Individuen postuliert, dass Menschen sich aus niedrigeren Arten entwickelten; sie weisen die "Geschichte der Schöpfung", wie sie zu Beginn des Sefer Berejschit dargelegt wird, zurück. Dies ist ein philosophisch-theologischer Disput, wie man die Welt betrachtet.

Es gibt einen praktischen Unterschied zwischen diesen zwei Weltanschauungen. Der Unterschied läuft auf die Frage hinaus, wer wen ehren muss? Sollten ältere Leute die jüngeren, oder jüngere Leute die älteren ehren? Wenn man der Meinung ist, dass der Mensch sich aus den niedrigeren Formen der Lebewesen entwickelt hat, dann muss man annehmen, dass je weiter er sich von diesem "ursprünglichen Lebewesen" entfernt, er eine umso höhere Form des Lebens erreicht. Falls der Mensch sich aus einem Affen entwickelt hat, waren die ersten Generationen des Menschen nicht sehr weit von den Affen entfernt. Spätere Generationen "entwickelten sich mehr" und deswegen müssen die früheren Generationen die späteren ehren. Das Fazit wäre, dass Eltern ihre Kinder ehren sollten. Falls jedoch – wie wir glauben – der Allmächtige den ersten Menschen erschaffen hat, folgt daraus, dass der erste Mensch das perfekteste Menschenwesen war, das die Welt je gesehen hat. Es war ein Mensch ohne Mängel, weil er die Handarbeit des Meisters des Alls war. Niemand kann dies verbessern! Während wir uns von diesem Ersten Menschen immer weiter entfernen, verringert sich das Format des Menschen. Wenn wir hinunter statt hinauf schreiten, ist es klar, dass die jüngere Generation die ältere ehren muss.

Mit dieser Einführung ist das Verständnis dieses Verses glasklar. "Ein Mensch soll seine Mutter und seinen Vater fürchten..." Warum? Weil ihr "Meine Schabbatot beachten sollt; Ich bin Haschem euer G"tt." Es besteht eine starke Verbindung zwischen diesen zwei Teilen des Passuks. Nachdem es eine Schöpfung gab – die du bezeugst, indem du am siebten Tag der Woche den Schabbat hältst, dann müssen Eltern, die sich eine Generation näher zur Schöpfung und zum ursprünglichen Menschen befinden, der vom Allmächtigen geschaffen wurde, von der jüngeren Generation geehrt werden!

Diese Einsicht von Rav Ja’akov verbindet sich mit einer Geschichte. In seinen betagten Jahren nahm Rav Ja’akov an einer Knessia Gedola (Gross-Versammlung) der Agudat Jisrael in Erez Jisrael teil. Da er damals schon ein älterer Mann war, wurde er auf seinen Reisen von einem seiner Söhne begleitet. Wie wir alle wissen, ist die Reise nach Erez Jisrael eine lange Reise. Da Rav Ja’akov schon ein bejahrter Mann war, bediente ihn sein Sohn während der ganzen Reise. In ihrer Nähe sass ein Mensch, der über die Liebe, den Respekt und die Hingabe, die der Sohn seinem Vater zeigte, völlig verblüfft war. In  einem gewissen Augenblick bemerkte er zu Rav Ja’akov Kaminetzsky: "Meine Kinder behandeln mich nicht auf eine solche Weise. Was ist dein Geheimnis in der Erziehung, dass dein Sohn dich wie einen König behandelt?"

Rav Ja’akov erwähnte ihm die obenerwähnte Auffassung. Wir pflanzen in unseren Kindern den Glauben ein, dass je weiter wir von Sinai entfernt sind, wir umso mehr das Phänomen der "Jeridat HaDorot" (den Rückgang der Generationen) erdulden müssen. Deshalb verstehen unsere Kinder, dass die ältere Generation eine "erhabenere Generation" ist und ehren und respektieren uns deswegen. "Wenn deine Kinder sich nicht so verhalten", sagte Rav Ja’akov zu diesem Mann, "ist es vielleicht, weil sie das Gefühl haben, dass sie fortschrittlicher sind als du und dass du sie deshalb ehren solltest".

Quellen und Persönlichkeiten:

  • Torat Kohanim: Erklärung der Tana’im (Mischna-Gelehrten) zu Sefer Wajikra. Wird oft in Raschi zitiert. 
  • Raschi (1040-1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
  • Rav Ja'akov Kamenetsky (1891-1986); Rosch Jeschiwa Tora We’Daat; Minsk, Slobodka, New York.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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