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Die Seelenstärke eines Jehudi - Perspektiven zu Paraschat Behar 5781

Die Seelenstärke eines Jehudi

Aus „Die Jüdische Zeitung“, 26. Ijar 5778/11. Mai 2018

Bearbeitet und ergänzt von S. Weinmann

Wir stehen jetzt vier Monate vor dem Schmitta- (Schabbat-) Jahr. Die dieswöchige Parascha bespricht dieses hochaktuelle Thema.

Paraschat Behar beginnt mit der Mizwa von Schmitta (Brachjahr), wobei die Tora betont, dass alle Details dieser Mizwa am Berg Sinai gegeben wurden, wie es heisst: ‘Und G-tt sprach zu Mosche ‘BeHar Sinai’ (am Berg Sinai)…’ Von hier lernen wir – so Raschi zur Stelle – dass auch alle Details aller anderen Mizwot am Berg Sinai gegeben wurden.

Das Einhalten der Mizwa von Schmitta wird in der Tora als ‚Dwar Haschmitta – das Wort von Schmitta‘ [Dewarim 15:2] beschrieben. Rabbi Jizchak im Midrasch Raba [Wajikra 1:1] verbindet damit einen anderen Passuk, der auch vom ‚Wort‘ spricht [Tehilim/Psalm 103:20]: ‘Lobet G-tt Seine ‘Mal’achim’, die ‘Giborej Koach’ (starke Helden / Seelenstarken), die Sein ‘Wort’ ausführen…’ Der Midrasch bezeichnet demzufolge die Schmitta-Hüter als ‘Mal’achim’ (Boten G-ttes)‚ die ‘Giborej Koach’ (starke Helden / Seelenstarken) sind, weil sie das ‚Wort‘ G“ttes ausführen. (Nach der einfachen Erklärung des Verses, bezieht sich dies auf die Engel).

Rabbi Jizchak erklärt, warum die Schmitta-Hüter als ‚Helden‘ bezeichnet werden. In der Regel führt ein Mensch eine spezielle Mizwa vielleicht einen Tag, eventuell eine Woche oder vielleicht sogar einen Monat aus. Hier jedoch geht der Landbesitzer während einem ganzen Jahr an seinem brach liegenden Feld vorbei und schweigt. Er geht ein ganzes Jahr an seinem unbearbeiteten Weinberg vorüber, bezahlt dafür sogar Staats-Steuern und schweigt. Gibt es denn einen stärkeren Menschen als diesen Jehudi?!

Der Midrasch Tanchuma [Wajikra 1.1] geht einen Schritt weiter und schreibt über den Schmitta-Hüter: „Er sieht, dass seine Felder offen dastehen, dass all seine Bäume herrenlos dastehen, dass alle Grenzzäune offen sind und die Früchte geplündert werden, dennoch bezwingt er seinen Jezer Hara (bösen Trieb) und sagt kein Wort!“

Aus diesen Midraschim ist also ersichtlich, dass die Stärke der Schmitta-Hüter hauptsächlich im Bezwingen ihres Jezer Hara liegt, dadurch dass sie schweigen und kein negatives Wort über diese Mizwa sagen.

Rav Gedalje Schorr sz’l erklärt, dass man sicher nicht von einem Menschen spricht, der gezwungenermassen und mürrisch seinen Mund schliesst und nichts dagegen sagt. Denn einen solchen Menschen würde der Passuk nicht als ‘starken Helden’ beschreiben. Er erfüllt die Mizwa zwar, wie sie ihm befohlen wurde; er ist aber nicht ‚seelenstark‘. Man spricht hier vielmehr über einen Menschen, der wahrhaftig ein Gefühl der Ruhe, Vertrauen und Sicherheit verspürt, dass er sich in keiner Weise zu fürchten braucht. Er geht zwar an seinem Feld vorbei und wird ständig an seine eigentliche Einkommensquelle erinnert und dennoch bezwingt er seinen Trieb und verlässt sich vollkommen auf HKB“H. Er schweigt aus Überzeugung, da er sich vollkommen auf HKB“H verlässt, Der Seine Beracha für die Hüter der Schmitta garantiert hat.

Diese Seelenstärke des G“ttesvertrauen, die sich der Jehudi während des ganzen ‘Schabbat-Jahres’ aneignet, nimmt er danach für alle sechs ‚gewöhnlichen‘ Jahre mit. Die Bemühungen um seine Parnassa (Einkommen) werden von G“ttesvertrauen geprägt sein.

Der Vers der Seelenstarken, der sich eigentlich auf die Mal’achim (Engel) bezieht und auch über die Schmitta-Hüter gesagt wird, wird im obenerwähnten Midrasch auch auf den ganzen Klall Jisrael bezogen, als sie beim Berg Sinai ‚Na’asse Wenischma‘ (wir wollen machen und hören) ausriefen. Denn im Passuk steht zuerst das Erfüllen von Haschems Wort – ‘Osse Dewaro’ - und erst danach spricht der Passuk über das Zuhören Seiner Worte – ‘Lischmo’a beKol Dewaro’. Der Klall Jisrael verhielt sich damals wie die Mal’achim, die bereit sind den Willen G“ttes zu erfüllen, bevor sie den Befehl überhaupt gehört haben. Deshalb bezieht sich auch auf den Klall Jisrael, dass sie ‘Giborej Koach ‘stark und heldenhaft‘ waren.

Wir können daraus lernen, welche Seelenstärke die Jehudim damals hatten, als sie sich bereit erklärten, die Tora auf sich zu nehmen. Kabbalat Hatora (das Empfangen der Tora) bestand nicht einfach darin, G-ttes Dekrete schweigend zu akzeptieren und die Mizwot mürrisch auszuführen, sondern es war auch hier das ‚Schweigen‘ in Form der Bereitschaft, alle eigenen Interessen und Wünsche vollkommen zu ignorieren!

Wollen wir uns auf Kabbalat Hatora vorbereiten, müssen wir auch darauf bedacht sein, alle unsere Interessen und persönlichen Begehren vor dem Willen der Tora zurückzustellen. Dabei sollen wir das Bewusstsein stärken, dass der Wille G“ttes das Beste für uns ist und wir die Mizwot deshalb erfüllen, weil wir begreifen, dass dies das Erstklassigste für uns ist. Als Folge davon werden wir es als Vergnügen empfinden, unsere persönlichen Interessen und Begehren zu ignorieren.

Demnach ist der Zusammenhang von Mizwat Schmitta mit dem ‚Berg Sinai‘ gut verständlich. Denn die Seelenstärke von Mizwat Schmitta war eine selbstverständliche Fortsetzung von Kabbalat Hatora. So wie der Klall Jisrael die Tora gerne, mit ‚Schweigen‘, ohne ‘aber und wenn’ auf sich genommen hat, sind auch die Landbesitzer gerne bereit, schweigend an ihren Feldern vorbeizugehen und die Mizwa von Schmitta tadellos zu erfüllen!

 Quellen und Persönlichkeiten:

  • Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tana’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
  • Midrasch Tanchuma: Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch. Wird nach dem Amora (Talmudgelehrten) Rabbi Tanchuma Bar Abbabenannt, da er am häufigsten in diesem Midrasch zitiert wird. Er war ein jüdischer Amora der 6. Generation, einer der bedeutendsten Aggadisten seiner Zeit.
  • Raschi (1040-1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
  • Rabbi Gedalyahu Schorr (1910 - 1979), war ein prominenter Rav und Rosch Jeshiwa der Jeschiwa Tora Vodaas, Brooklyn, N.Y.

 

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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