Eine Zeit für Glauben und eine Zeit für Ketzerei - Rav Frand Bechukotai 5782 - Beitrag 2
Raw Frand zu Paraschat Bechukotai 5782 – Beitrag 2
Eine Zeit für Glauben und eine Zeit für Ketzerei
Wir haben vorhin vom Wert eines Menschen gesprochen. Ein Mensch, der Schreckliches durchmacht - und sein Glaube wird nicht beeinträchtigt - zeigt seinen wirklichen Wert.
Noch einen Gedanken möchte ich zum Schluss ausführen. Es ist wahr, dass wir uns in Bezug unseres Lebensunterhaltes auf unseren Glauben und unser Vertrauen („Bitachon“) stützen sollen. Wir dürfen aber nie vergessen, dass wir dieses Konzept nur für uns, nie aber für andere anwenden sollen.
Ich habe einmal eine Bemerkung des Brisker Rav vernommen. Es ist kaum zu glauben, dass er dies gesagt hat, jedoch nur jemand wie der Brisker Rav konnte sich erlauben, so etwas zu äussern.
Jede Gemütsneigung hat ihren Platz in dieser Welt; sogar Wut, Hochmut, Neid und Streitsucht. Üblicherweise sind dies zwar sehr negative Eigenschaften, aber manchmal sind sie angebracht. Manchmal muss man auch für seine Ehre einstehen. Es gibt sogar Momente, bei denen man einen Streit (Machloket) vom Zaune brechen muss.
Es gibt eine weitere abscheuliche Eigenschaft, die „Kefirah“, Ketzerei, genannt wird. Ein Mensch, der G’tt leugnet hat diese schreckliche Eigenschaft und wird „Kofer“ genannt. Wann ist aber „Kefirah“ angebracht? Sagt der Brisker Rav: “Wenn dein Freund deine Hilfe braucht, dann musst du ein „Kofer“ sein.“
Mit anderen Worten: Falls eine andere Person Probleme hat, ist die Haltung: G’tt wird schon für ihn sorgen, G’tt wird ihm sicher eine Stelle verschaffen, G’tt wird ihm selbstverständlich ein Darlehen besorgen, nicht am Platz. In solchen Momenten, so sagt der Brisker Rav, soll ein Mensch quasi „nicht an G’tt glauben“. Hier soll man das Gefühl haben, dass G’tt nicht für ihn sorgen wird. Vielmehr: der Mensch muss hier selbst Verantwortung übernehmen. Das ist nicht die Zeit für Glauben und Vertrauen. Jetzt muss in die Hände gespuckt und ohne Zögern und mit Schwung sich an den Einsatz für den andern heran gemacht werden.
Ich brauche nicht über die Arbeitswelt zu reden. Ich muss nicht erzählen, dass viel zu oft nicht das zählt, „was ich kann“, sondern eher „wen ich kenne“. Ich muss nicht aufzählen, wie viele Stellen unter der Hand vermittelt werden. Wenn es um deinen Lebensunterhalt geht, musst du Glauben bewahren. Wenn es aber um den Lebensunterhalt eines anderen geht, musst du handeln. In dieser Situation ist - nach den Worten des Brisker Rav - die negative Eigenschaft von „Kefirah“ angebracht.
Quellen und Persönlichkeiten:
Brisker Rav (1887 – 1959): Rav Jizchak Ze’ev (Welwel) Soloweitschik. Gelehrter und Rosch Jeschiwa, Nachfolger seines Vaters, Rav Chaijim Soloweitschik (1853-1918) in Brisk (Brest-Litovsk); floh im 2. Weltkrieg nach Israel.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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