Das Vater/Sohn-Verhältnis im Vergleich zum Herr/Sklaven-Verhältnis (Raw Frand, Nasso 5783 - Beitrag 1)
Raw Frand auf Paraschat Nasso 5783 - Beitrag 1
Das Vater/Sohn-Verhältnis im Vergleich zum Herr/Sklaven-Verhältnis
Der Stammvater Levi hatte drei Söhne: Gerschon, Kehat und Merari. Diese drei Familien erhielten jeder seine Aufgabe bez. des Dienstes im Mischkan (Stiftzelt).
Paraschat Nasso beginnt mit dem Befehl von Haschem an Mosche Rabbejnu, die Nachkommen der Familie von Gerschon "ebenfalls zu zählen“ (“gam hem“) …von dreissig Jahren an und darüber bis zu fünfzig Jahren…, alle die eintreten, um den Dienst im Mischkan zu verrichten. [Bamidbar 4:22-23]. Raschi kommentiert zu diesen Worten "gam hem" -- "gleich wie dir befohlen wurde bezüglich der Nachkommen der Familie von Kehat – um herauszufinden, wie viele es gibt, die das Dienstalter (30-50) erreicht haben."
Der Kli Jakar zu unserer Parascha erklärt: Von der Logik her, hätten die Nachkommen von Gerschon – dem Erstgeborenen von Lewi – zuerst gezählt werden sollen. Weshalb wurde dann Kehat vor Gerschon gezählt? Der Kli Jakar schlägt vor, der Grund, weshalb Kehat zuerst gezählt wurde, war, weil es die Aufgabe der Kinder von Kehat war, den Aron Haberit (Bundeslade) in dem die Luchot (Bundestafeln) lagen, zu tragen. Um zu betonen, dass Tora das Wichtigste ist, wurde Kehat zuerst gezählt, obwohl er jünger war.
Der Midrasch Rabba anfangs unserer Parascha verbindet diesen Befehl, die Nachkommen von Gerschon zu zählen mit den folgenden Passuk: "jekara hi mi'Peninim wechol Chafazecha lo jischwu ba" [Mischle 3:15] (wörtlich: Die Torah ist wertvoller als Perlen und nichts hat mehr Wert für dich als die Torah). Was ist die Verbindung zwischen diesen zwei Pessukim?
Gemäss der Ansicht des Midraschs ist die Erklärung des Passuks in Mischle, wie folgt: Torah ist wertvoller als "Peninim", hier als Deutung von "lefanim" (vorher, früher), die Würde der Tora kommt vor der Würde der Erstgeburt.
Der Sefat Emet geht noch einen Schritt weiter als der Kli Jakar. Im gleichen Midrasch, gibt es eine weitere Deutung des Verses in Mischle [3:15]: "Jekara hi mi'Peninim" (Peninim=Perlen und Penim=das innere) – das heisst, die Tora ist bedeutender als das Amt des Kohen Gadol (Hohepriester), der hineingeht "lifnai we'lifnim" (in das Innerste/ Allerheiligste des Bejt Hamikdasch).
Nun, wenn das Torah-Studium sogar bedeutender ist als der Dienst des Kohen Gadol - und diese Idee wird unterstützt durch die talmudische Äusserung [Traktat Horiot 13a], die auch hier im Midrasch zitiert wird, dass ein Mamser Talmid Chacham (ein Tora - Gelehrter, der ein Nachkomme einer verbotenen Beziehung ist) Vorrang vor einem Kohen Gadol am haArez (ungebildeter Hohepriester) hat – warum, so fragt er, kann ein Talmid Chacham nicht in das Allerheiligste eintreten?
Der Sefat Emet antwortet, ein Mensch kann zwei Beziehungen haben zu Haschem. Er kann eine Sklave-Herr Beziehung haben oder die eines Vaters zu seinem Sohn. Wir weisen auf diese Idee hin, wenn wir am Rosch haSchana Haschem ansprechen "als Kinder oder als Sklaven“. Wenn die Beziehung eines Menschen zu Haschem die eines Sklaven ist, dann kommt es auf die Nähe an. Der wichtigste Sklave wird in der nächsten Umgebung des Herrn zu finden sein. So auch, lehawdil, im Weissen Haus, im Büro, das dem Haus des Präsidenten am nächsten steht, findet man den wichtigsten Berater. Jemand, der sein Büro unten am Gang hat, ist nicht so wichtig. Und wer im Gebäude auf der anderen Seite der Strasse steckt, der ist “Niemand“.
Das Verhältnis zwischen einem Vater und seinem Sohn aber, ist ganz anders. Ein Sohn kann auf der anderen Seite der Erde sein und dennoch ist er „mein Sohn“. Entfernung macht keinen Unterschied, wenn es sich um einen Sohn handelt.
Der höchste "Ewed" (Diener) im Klal Jisrael ist der Kohen Gadol. Haschem zeigt uns dies, indem nur der Kohen Gadol in das Kodesch Ha’Kodaschim eintreten darf. Kiwejachol (quasi) hat der Kohen Gadol das Büro nebenan. Ein Talmid Chacham – der die Torah lernt und kennt - der ist Haschem’s Sohn. Durch Torah können wir am nächsten zum Ribono schel Olam kommen. Wenn wir diese Beziehung von Torah mit Ihm haben, dann bedeutet Entfernung nichts mehr, da wir eine Vater-Sohn Beziehung eingegangen sind.
Der Torah-Gelehrte ist "wertvoller als derjenige, der 'lifnai we’lifnim' eintreten darf". Wenn er aber wertvoller ist, weshalb darf er dann nicht eintreten? Weil er dies nicht benötigt. Er hat die Nähe eines Sohnes, wo immer er auch ist.
Quellen und Persönlichkeiten:
Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tanna’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
Rabbi Schlomo Efrajim ben Aharon Luntschitz (1550 – 1619): Luntschitz (Polen), Lvov (Lemberg, Galizien, heute Ukraine), Prag (Tschechien). Talmud-Gelehrter, Rabbiner und geistiger Führer der Juden von Prag. Autor von vielen Werken, wie Olelot Efrajim, Siftej Da’at, Amudej Schesch, Ir Giborim und des klassischen Torahkommentars "Kli Jakar".
Sefat Emet: Rabbi Jehuda Leib Alter (1847 – 1905); der zweite Gerrer Rebbe; Polen. Verfasser der bekannten Werke Sefat Emet zum Talmud und Erklärungen zum Chumasch.
Die Bearbeitung des Beitrages dieser Woche erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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