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Die verkehrten „Nun“ bezeichnen inkonsequentes Verhalten (Rav Frand Beha'alotecha 5782 - Beitrag 1)

Raw Frand zu Parschat Beha'alotecha 5782 - Beitrag 1

Die verkehrten „Nun“ bezeichnen inkonsequentes Verhalten

Die Parascha dieser Woche beschreibt das erste von vielen unglückseligen Ereignissen, welche im Sefer (Buch) Bamidbar vorkommen. Mitten in dieser Parascha hat es einen kurzen Abschnitt (Parscha), der mit zwei auf dem Kopf stehenden Buchstaben „Nun“, umrahmt ist. Dieser Abschnitt hat nur zwei Pessukim (Verse): „Wenn die Bundes-Lade aufbrach, sprach Mosche: „Erhebe Dich, Ewiger, dass Deine Feinde sich zerstreuen, und Deine Hasser vor Dir fliehen!“ Und wenn sie (die Lade) sich niederliess, sprach er: „Kehre zurück; Ewiger, zu den Myriaden und Tausenden Israels!“ [Bamidbar 10:35-36]. Vor und nach diesen Versen steht ein „Nun“ auf dem Kopf. 

Der Talmud erklärt, dass diese Passage eingeklammert ist, um zu zeigen, dass sie in der zeitlichen Abfolge nicht hierher gehört. Von Rechts wegen hätte sie in die Paraschot Bamidbar oder Nasso gehört, wo die Aufstellung und die Reisen der Lagerstätten beschrieben werden. Sie steht hier, um eine Trennung zwischen „der ersten Beschreibung der Bestrafung“ und „der zweiten Beschreibung der Bestrafung“ zu bewirken (also um die düstere Wirkung, welche eine fortlaufende Beschreibung von Strafen darstellt, etwas zu mildern). [Traktat Schabbat 115b-116a]

Gemäss dem Talmud ist die „zweite Bestrafung“ die Passage, welche mit „Das Volk war gleich Missmutigen, böse vor den Ohren G’ttes“ („Wajehi ha’Am ke’Mit’onanim, Ra be’Ejnej Haschem“) beginnt. [Bamidbar 11:1] Raschi zur Stelle erklärt, die Menschen beklagten sich und sagten, wehe uns, wie haben wir uns angestrengt auf diesem Weg, drei Tage haben wir uns von der Mühe des Weges nicht ausgeruht…“G“ttes Zorn entbrannte“ [ibid.] warum, sagt Raschi, weil G“tt sprach, ich hatte nur euer Wohl im Auge, damit ihr sogleich ins gelobte Land kämet. Die Strafe war ein himmlisches Feuer, welches herniederfuhr und den Saum des Lagers verzehrte. Darauf folgt die Geschichte mit dem „Assafssuf (zusammengelaufene Gesindel)“, das sich nach Fleisch gelüstete, und auch viele vom jüdischen Volk beeinflussten, in der Folge weinten sie und sprachen: „Wer gibt uns Fleisch zu essen? Wir gedenken der Fische, die wir in Ägypten umsonst assen, und der Kürbisse, der Melonen, des Lauchs, der Zwiebeln und des Knoblauchs.  Nun aber ist unsere Seele ausgetrocknet, nichts ist da, unsere Augen sehen nichts als das Man… In der Folge gab der Ewige ihnen Wachteln und viele vom Volke starben.

Welches ist jedoch die „erste Bestrafung“, auf die sich der Talmud bezieht?

Der Hinweis auf die „erste Bestrafung“ ist viel subtiler. Der Talmud [ibid.] findet ihn im Passuk „Und sie zogen vom Berg des Ewigen fort …“ [Bamidbar 10:33]. Rabbi Chama, der Sohn von Rabbi Chanina führt aus: „Sie zogen von Haschem fort.“ Tossafot macht an dieser Stelle klar: Durch das Wegziehen vom Berg Sinai handelten sie ähnlich wie Kinder, die vom Schulhaus wegrennen.“

Es ist wirklich ironisch, dass Paraschat Beha’alotecha immer in die Jahreszeit zu liegen kommt, in der wir den Vergleich mit dem Kind - welches die Tage auf dem Kalender zählt und auf die Uhr blickt, um zu schauen, wann das Schuljahr endlich sein Ende findet - am lebhaftesten nachvollziehen können. Gehen Sie doch am letzten Schultag schauen, wie die Kinder aus der Schule laufen. Dann wird ihnen der Vergleich glasklar.

Beim Lernen dieser Talmud-Stelle störte es mich immer, dass der Passuk „Sie zogen vom Berg von Haschem weg“ mit der Etikette „erste Bestrafung“ („Puranut“) versehen wird. „Sünde“ wäre offenbar die bessere Beschreibung, denn wo ist denn da die Bestrafung? Die zweite „Puranut“ ist klar: Das himmlische Feuer an den Grenzen des Lagers war eine Strafe. Offensichtlich gab es jedoch keine Bestrafung für die Sünde des „Wegrennens vom Har Sinai wie ein Kind, welches vom Schulhaus wegrennt“.

Rav Schimon Schwab stellt diese Frage und gibt eine Antwort. Er sagt, die grösste Strafe besteht darin, dass man vom Berg G’ttes wegrennt, ohne die volle Wirkung von dem erreicht zu haben, was man in der Nähe dieses Berges hätte erreichen können. Wenn ein Mensch mehr erreichen kann, und er schafft es nicht, dies zu vollbringen, so bestraft er sich hiermit selbst.

Es ist deshalb gar keine eigenständige himmlische Strafe vorhanden, wenn man es nicht schafft, Mizwot (Gebote) nicht so freudig zu erfüllen, wie man es sollte – sei es die Schabbat-Erfahrung oder das erhebende Gefühl, welches man spürt, wenn man irgendeine andere Mizwa erfüllt. Schon bereits das Fehlen des Gefühls der Freude und Beglückung ist eine gewaltige Strafe für sich. Es ist eine Strafe, die wir über uns bringen, weil wir nicht richtig darüber nachsinnen und schätzen, was wir bekommen haben und was uns die g’ttlichen Mizwot wert sind.

Dieser Gedanke kann uns verstehen helfen, wieso es so wichtig war, diese zwei „Strafen“ durch die Passage von der Reise der Bundeslade zu trennen. Die Stelle, die unmittelbar folgt, lautet: „Und das Volk war ke’Mitonenim“. Das Wort „Mitonenim“ wird vom Wort „Onen“ abgeleitet, welches „Trauernder“ bedeutet. Die Menschen waren am Trauern. Worüber trauerten sie? Über die Tatsache, dass sie kein Fleisch hatten!

„Darüber regt ihr euch so auf? Weint ihr darüber, dass ihr es gewohnt wart, in Ägypten „Gratis-
Fisch“ zu erhalten? Ihr habt nicht geweint, als ihr euch vom Berg G’ttes entferntet, als ihr die Möglichkeit weiter Torah zu lernen, aufgegeben hattet. Euer Abgang geschah mit einem Lächeln! Und jetzt weint ihr darüber, dass ihr kein Steak zu essen habt!“

Dieser Gegensatz unterstreicht die Sünde und zeigt, wie widersprüchlich das Volk war. Aus diesem Grund musste diese strenge Abfolge von Ereignissen durch eine Passage, die von den beiden umgekehrten „Nun“ eingefasst wird, getrennt werden.

Wir setzen unseren eigenen Massstab. Wir sollten uns fragen: „Was macht mich traurig und was macht mich froh? Worüber freue ich mich und was regt mich auf?“

Sind wir gleich wie der Jude, welcher zum Chiduschej HaRim kam und bedrückt war, weil er nicht von den Sünden des jüdischen Volkes vernehmen wollte? Oder sind wir in tiefer Trauer, weil wir nicht über genug Luxus und Delikatessen verfügen, um unsere kulinarischen Bedürfnisse zu stillen?

Vielleicht lässt sich auf diese Weise bildlich erklären, wieso gerade der umgekehrte Buchstabe „Nun“, das inkonsequente Verhalten dieser zwei sonst zusammenhängenden Passagen unterbricht. Der Buchstabe „Nun“ symbolisiert „Ne‘emanut“ – Glaubwürdigkeit. Das verkehrte „Nun“ symbolisiert Wankelmütigkeit. Das ist die Sünde, die diese zwei Abschnitte im Grunde verkörpern. Als sie vom Berg Sinai wegrannten, war es leicht, sie zufriedenzustellen. Andererseits waren sie schnell gereizt und niedergeschlagen, als sie keinen Zugriff auf alle Leckereien, welche sie sich vorstellen konnten, besassen.

Wir müssen nach Glaubwürdigkeit streben. Wir müssen darum kämpfen, die selbst verschuldete Strafe zu vermeiden, die Nähe zu G’tt nicht hoch genug zu schätzen, welche wir mithilfe Seiner Torah erwerben können.

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi (1040-1105), Akronym von Rabbi Schlomo ben Jizchak; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Tossafot ("Tossafisten"): Talmuderklärer des 12. und 13. Jahrhunderts. Einige unter ihnen waren Enkel von Raschi.

Rabbi Jizchak Meir Rothenberg/Alter (Chiduschej HaRim) (1799 – 1866): Gründer und erster Rebbe der Gerrer Dynastie, Ger, Polen.

Rav Schimon Schwab (1908 - 1995): Rabbiner der Gemeinde Adat Jeschurun in Washington Heights, New York.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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