Raw Frand zu Paraschat Schelach Lecha 5779 – Beitrag 1
Wir brauchen einen "helfenden gegensätzlichen Partner“ – warum?
Wir lesen in der dieswöchigen Parascha über eines der tragischsten Ereignisse der Torah – jenes mit den Meraglim (Spionen). Jeden Tisch’a BeAw, wenn wir die Zerstörung des Bejt HaMikdasch betrauern, begehen wir den Jahrestag der Sünde, die durch die Mission der Meraglim begonnen wurde – "Ihr weintet in dieser Nacht ein unnötiges Weinen, ich werde euch einen triftigen Grund geben um in dieser Nacht während allen Generationen zu weinen. [Ta'anit 29a]"
Dies ist nicht nur ein tragisches Ereignis, sondern auch ein sehr schwer verständliches. Die Torah benutzt den Ausdruck "Anaschim" (vornehme Leute) um die Spione zu beschreiben. Sie waren Führer des jüdischen Volkes! Dies macht es noch unverständlicher, wie solche Leute – die Besten der Besten von einer Generation – die die Spaltung des Schilfmeeres und die Offenbarung am Sinai miterlebt hatten, so schwerwiegend sündigen konnte, indem sie abschätzig über Erez Jisrael sprachen.
Der Sohar erklärt, diese Leute realisierten, dass ihre Führerrollen, die sie in der Wüste innehatten, gefährdet wären, wenn sie nach Erez Jisrael kämen. Eine neue Gesellschaftsordnung würde für die Generation, die nach Erez Jisrael kommt, erlassen werden, um eine gänzlich andere Gemeinschaft zu bilden, als jene, die in der Wüste existiert hatte. Also realisierten sie, dass ein Eintritt nach Erez Jisrael für sie negative persönliche Folgen haben würde.
Leider funktionieren wir Menschen so. Wir werden durch persönliche Motivation beeinflusst. "Denn Bestechung verblendet die Augen der Weisen und verdirbt die Worte der Gerechten." [Schemot 23:8] Normalerweise verbinden wir Bestechung mit geldlichen Zahlungen. Eine Bestechung muss aber nicht unbedingt mit Geld sein. Verlust von Macht oder Einfluss kann auch eine Bestechung sein, die unsere Sicht verzerrt. Alles was diese Meraglim sahen, war durch eine dunkle Sonnenbrille verändert. Dies als eine Folge ihres unterschwelligen Gefühls „Ich werde nach Erez Jisrael kommen, und dies wird das Ende meiner Karriere sein". Als Resultat davon sprachen sie negativ über Erez Jisrael.
Raw Jakow Mosche Kulefsky sz’l, erzählte mir einmal Folgendes im Namen eines der bedeutendsten chassidischen Rebbes, des Koschnitzer Maggids, in seinem Werk Awodat Jisrael. Der Targum Jonatan ben Usiel kommentiert zum Passuk "Und Mosche nannte Hoschea bin Nun, Jehoschua" [Bamidbar 13:16] das Folgende: Als Mosche die grosse Bescheidenheit von Jehoschua sah, wollte er sicherstellen, dass Jehoschua nicht von den Plänen der Spione verführt werden sollte. Deshalb segnete Mosche Jehoschua, "Möge der Allmächtige ('Kah') dich retten (joschiacha) von den Plänen der Spione." Wo sah Mosche diese ausserordentliche Bescheidenheit in seinem Schüler Jehoschua?
Die Tora erzählt, es war Jehoschua, der auf den Bericht, dass "Eldad und Medad im Lager prophezeiten" mit den Worten antwortete: "Mein Herr, Mosche, sperre sie ein (kela’em)." [Bamidbar 11:27-28] Was verletzte Jehoschua so stark an ihren Prophezeiungen? Schliesslich hatte Mosche Rabbejnu selbst gesagt, "wäre nur das ganze Volk von G’tt Propheten...“
Chasal (unsere Weisen) sagen, die Prophetie von Eldad und Medad war: "Mosche wird sterben und Jehoschua wird uns ins Land führen." Das Letzte, das Jehoschua für sich wollte, war, dass er der zukünftige Führer werden sollte. Jehoschua war ein perfekter Schüler. Er war der perfekte Diener von Mosche. Im Gegensatz zu unseren „Führern“, die sich mit persönlichen Ambitionen und Machtgier verzehren, war Jehoschua nicht interessiert, der nächste Führer zu werden. Er wollte, dass Mosche die absolute Macht behalten sollte. Deshalb war er sehr verletzt, als er hörte, dass Mosche sterben und er führen werde. Er verlangte, dass die Menschen, die diese 'Blasphemie' veröffentlicht hatten, eingesperrt werden sollten.
Als Mosche diese grosse Bescheidenheit in seinem Schüler sah, realisierte er, dass Jehoschua eine zusätzliche Beracha (Segen) benötigt, um gegen die Pläne der Spione anzukommen. Jehoschua würde wegen "Bestechung aus persönlicher Motivation", in die gleiche Versuchung kommen wie die anderen Spione, dies jedoch aus dem gegenteiligen Grund.
Die anderen Spione wollten nicht nach Erez Jisrael gehen, da sie sich vor einem Machtverlust fürchteten. Sie sorgten sich, dass die Führung an die jüngere Generation weitergereicht werden würde. Jehoschuas persönlicher Instinkt war es auch,– wegen der Prophetie von Eldad und Medad – nicht nach Erez Jisrael zu gehen. Er befürchtete, dass er Macht und Führungspflichten erhalten würde!
Das Beängstigende an diesem Chasal – und dies sollte jeden Einzelnen zum Erzittern bringen – ist das Folgende: Wenn solch bedeutende Personen wie auch Jehoschua, die mit ihm auf eine Mission geschickt wurden, -- von persönlichen Motiven beeinflusst werden konnten – was können wir über uns sagen?
Dies ist der Grund, weshalb jeder einen Rebben (Lehrer) braucht, jeder braucht einen Berater, jeder braucht einen Ehepartner und jeder braucht einen Freund – jemanden, der ihm eine andere Perspektive zeigen kann. Wir alle müssen in unserem Leben Entscheidungen treffen. Viel zu oft sind persönliche Motive im Spiel. Manche dieser Motive sind uns bewusst, andere nicht. Wir alle sagen "Ich weiss, ich bin ein 'Nogeah beDawar' (persönlich involviert) DOCH...“ Wir behaupten, dass "Ich kann meine persönliche Beteiligung an dieser Sache beiseitelassen." Es ist nicht wahr. Wenn man weiss, dass man persönlich involviert ist, dann kann man seinen Instinkten NICHT trauen. "Denn Bestechung verblendet die Augen der Weisen."
Da wir nicht immer realisieren, wann wir persönlich betroffen sind, gilt für jeden von uns: "Mache dir einen Raw (Lehrer), erwerbe dir einen Chawer (Freund)." [Pirkej Awot,1:6] Wir brauchen einen "helfenden gegensätzlichen Partner," nicht einen Ja-Menschen, der nur immer bestärkt, was wir sagen, sondern einen Menschen, der manchmal widerspricht. Wie würden wir ohne solche Hilfe von allen persönlichen Motivationen und Plänen gerettet werden, die so oft bei wichtigen Entscheidungen auftauchen, die wir machen müssen?
Quellen und Persönlichkeiten:
Rabbi Jisrael ben Schabtai Hopstein von Koschnitz (1733 - 1814), der „Koschnitzer Maggid“, einer der bedeutendsten chassidischen Rebbes und Kabbalisten in Polen. Einer seiner Hauptwerke: Awodat Jisrael, Erklärungen zur Thora.
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Die Bearbeitung der Gedanken dieser Woche erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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