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Raw Jisrael Ciner zu Parschat Balak 5764

Leben wie Bil’am und Sterben wie die Jescharim (Geraden) - funktioniert das?

An diesem Schabbat vor dem Beginn der drei Wochen, die auf das Fasten von Tischa Be’Av hinführen, lesen wir Parschat Balak.

„Balak, der Sohn von Zipor (König von Moav) sah alles, was Israel den Emoritern getan hatte“ [Bamidbar 22:2]. Die Bnej Israel hatten die Emoriter vernichtend geschlagen und Balak und seine Nation waren deshalb zutiefst verunsichert. Sie erkannten, dass die Kraft der Bnej Jisrael nicht in ihrer körperlichen Stärke oder ihren Kriegskünsten lag, sondern in ihren Lippen - in ihrer Fähigkeit, sich durch Prophetie und Gebet mit Haschem zu verbinden. Aus diesem Grund sicherten sie sich die Dienste von Bilam, damit der grösste Prophet der nichtjüdischen Völker die Bnej Jisrael verfluche.

Bilam wusste, dass das Verfluchen der Bnej Jisrael dem Willen Haschems zuwiderlief. Trotzdem versuchte er, den Augenblick zu erwischen, in dem ein Fluch angebracht werden konnte. Seine Versuche misslangen, einer nach dem anderen, weil Haschem den Bnej Jisrael nicht einmal für einen kurzen Augenblick zürnte. Schliesslich erkannte er, dass er die Bnej Jisrael nicht verfluchen konnte und begann deshalb, sie zu loben und zu segnen. Er schloss mit der innigen Bitte: „Möge doch meine Seele den Tod der Jescharim (ein Ausdruck, der die Gerechten beschreibt; wörtlich: „die Geraden“) erleben.“ [23:10]

Obwohl er nicht bereit war, sein Leben auf anständige Weise zu leben, beabsichtigte Bilam am Todestage zu bereuen, um damit die künftige Welt wie ein Gerechter geniessen zu können. Jeder Moment vorher hätte seinen Lebensstil unnötig geschmälert, aber einen Tag wollte er für sein Ewiges Leben hingeben.

Der Talmud [Avoda Sara 25a] zeigt das volle Ausmass von Bilams Chuzpa (Dreistigkeit). „Jescharim“ werden Avraham, Jizchak und Ja’akov genannt – die Avot (Patriarchen) der Bnej Jisrael! Bilam wünschte, dass sein Tod auf keiner niedrigeren Stufe stehe, wie derjenige der Gründer der jüdischen Nation!

Wieso nannte er die Avot „Jescharim“ („Gerade“) und nicht „Zadikim“ („Gerechte“)?

Der Neziv erklärt dies in der Einleitung zu seinem Kommentar von Sefer Berejschit (1. Buch Moses) und verwendet dazu einen Pasuk (Vers) vom Ende von Sefer Dewarim (5. Buch Moses). „(Haschem ist) ein G’tt der Treue, ohne Fehl. Er ist Zadik (Gerecht) und Jaschar (Gerade)“ [Dewarim 32:4]

Der Neziv erklärt, dass diese Beschreibung des gerechten, g’ttlichen Urteils im Grunde genommen eine Vorhersage der Zerstörung des zweiten Tempels darstellte. Die Menschen zur Zeit des zweiten Tempels waren gesetzestreu und befassten sich intensiv mit der Torah. Ihre Haltung und ihr Umgang mit anderen waren jedoch nicht von Aufrichtigkeit geprägt. Ihr grundloser Hass führte dazu, dass sie jeden, der ein wenig anders war als sie, als Abweichler verschrien. Dies führte zur Zerstörung des Tempels.

Der Pasuk bezeugt, dass G’tt recht daran tat, den Tempel zu zerstören. Ihr Weg bestand nur aus Streit und Erniedrigung, was dem Jischuv ha’Olam, dem Aufbau der Welt, zuwiderlief.

Der Weg der Avot, so schreibt der Neziv, war genau das Gegenteil. Sie waren nicht nur Zadikim mit einer tiefen Liebe zu Haschem, sie waren auch gerade. Ihr Umgang mit den anderen Nationen, sogar mit solchen, die Götzen dienten, war von Liebe und Mitgefühl geprägt.

Avraham flehte und betete, Haschem möge die Stadt Sedom retten. Er hasste ihre Götzen und ihre Bosheit, aber er wollte doch, dass sie weiter bestehe. Er wollte, dass Haschems Welt voll und bewohnt sei. Deshalb wurde sein Name geändert, von Avram in Avraham, was Vater aller Völker bedeutet. Ein Vater will für alle Kinder das Beste, nicht nur für diejenigen, die sich gut benehmen. Aus diesem Grund wird Avraham ein Jaschar genannt.

Als Avimelech auf Jizchak zukam, versöhnte sich Jizchak sofort mit ihm und schloss Frieden. Sein Umgang mit den Völkern war Jaschar.

Ja’akov wurde unrechtmässig von Lavan verfolgt. Dieser wollte ihn mit allem, was er hatte, vernichten. Trotzdem redete er sanft mit ihm und schloss mit ihm einen Bund. Auch er wird ein Jaschar genannt.

Es ist sogar so, dass das ganze Sefer Bereschit den Namen Sefer HaJaschar (das Buch der Geraden) erhielt, weil hier beschrieben wird, wie die Avot sich gegenüber den übrigen Völkern verhielten. Nicht deren Zerstörung war ihr Wunsch, sondern ihr Aufbau.

Bilam verstand dies und ihm war klar, dass er kein Zadik wie die Avot war. Seine Sorge war jedoch, dass sogar sein Bemühen für die anderen und für den Aufbau der Welt nicht mit demjenigen der Avot vergleichbar war. Sie bemühten sich um Frieden und setzten sich für die anderen ein. Er hingegen versuchte, eine ganze Nation zu verfluchen und zu zerstören.

Deshalb schrie er in tiefer Not: Lass mich doch wenigstens den Tod der Jescharim sterben! Ich will doch zu denen gehören, die zu Frieden, Stabilität und Fortdauer von Haschems Welt beigetragen haben.

Er sehnte sich danach, wenigstens beim Sterben das zu tun, wozu er während seinem ganzen Leben nicht bereit gewesen war. Wie wir wissen, wird diese Welt „Olam ha’Assija“, die Welt der Tat, genannt. Unser Leben bietet uns den beschränkten Zeitraum, um zu handeln. Die Periode, die folgt, die Zeit der ewigen Belohnung, bietet die Möglichkeit nicht mehr, Vergangenes zu ändern.

Unser ganzes Streben und Hoffen sollte sein, ein Leben von Jescharim zu führen …


Gut Schabbes!


Quellen und Persönlichkeiten:
Rabbi Naftali zwi Jehuda Berlin [Neziv] (1817 – 1893): Rosch Jeschiwa der berühmten Jeschiwa von Volschin, Russland.



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