Die Sünde, es "nicht zu kapieren" (Rav Frand, Balak 5782 - Beitrag 2)
Rav Frand zu Paraschat Balak 5782 - Beitrag 2
Die Sünde, es "nicht zu kapieren"
Zu Beginn dieser Parascha lesen wir über die sonderbare, beinahe komische Episode von Bil'am's Schwierigkeiten mit seiner Eselin [Bamidbar 22:21-34]. Von Bil'am unbemerkt verstellte ein G"ttlicher Engel, mit einem gezückten Schwert in der Hand, den Weg der Eselin. Das Tier hatte keine andere Wahl, als dem Engel auszuweichen, und wich in ein Feld aus. Im Beisein der moabitischen Offiziere schlug Bil'am sein Tier, damit sie wieder in den Weg einlenke. Da trat der Engel des Ewigen in den Hohlweg zwischen den Weinbergen, wo eine Mauer auf der einen und eine Mauer auf der anderen Seite war. Als die Eselin den Engel sah, so blieb ihr keine andere Wahl als zur Seite auszuscheren, und drängte sich an die Mauer und drückte so den Fuss Bil’ams gegen die Mauer; da schlug er sie abermals, im Beisein der moabitischen Offiziere.
Nachdem sich eine ähnliche Szene zum dritten Male wiederholte, öffnete Haschem den Mund der Eselin und sie sagte ihrem Herrn: "Was habe ich dir getan, dass du mich nun schon dreimal geschlagen hast?" Bil'am antwortete: "Weil du deinen Spott mit mir getrieben hast; hätte ich nur ein Schwert in meiner Hand, ich hätte dich längst umgebracht!" In der Folge fand eine Diskussion zwischen der Eselin und Bil’am statt.
Plötzlich deckte Haschem Bil'ams Augen auf und er sah den Engel von Haschem mit gezücktem Schwert, auf dem Wege stehen. Der Engel wies Bil'am zurecht, dass er seine Eselin ungerechtfertigterweise drei Mal geschlagen hatte. Bil'am antwortete: "Ich habe gesündigt, ich wusste nicht, dass du dich mir auf dem Wege entgegengestellt hast."
Ist das die Antwort, die wir von Bil'am erwartet hätten? Bil'am hätte dem Engel einfach entgegnen sollen: "Es tut mir leid, ich habe dich nicht gesehen! Ich dachte, mein Esel sei verrückt geworden." Was war die Sünde hier? Wenn man etwas nicht sieht, ist man ja auch nicht schuldig. Er hatte es einfach nicht gesehen!
Der Malbim stellt diese Frage und erklärt, Bil'ams Sünde war, dass er es realisieren sollte, dass dort ein Engel stand. Mit anderen Worten, er gab zu, dass, hätte er darüber nachgedacht, er zur Schlussfolgerung gekommen wäre, dass ein Engel anwesend sei. Unter diesen Umständen war seine Unkenntnis der Anwesenheit des Engels an sich schon eine Sünde. Es genügt nicht, sich zu entschuldigen und zu sagen "Ich habe es nicht begriffen." Genau das könnte dein Fehler gewesen sein. Vielleicht hättest du es begreifen sollen!
Raw Mordechai Kamenetsky erzählt ein Begebnis, das während der Eroberung der Kotel Hama’arawi (Klagemauer) während des Sechs-Tage-Krieges geschah. Im Juni 1967 waren über neunzehn Jahre vergangen, in denen kein einziger Jehudi zur Kotel haMa'arawi gehen durfte. Jetzt war sie seit über 1'900 Jahren, zum ersten Mal, wieder unter jüdischer Herrschaft. Es war ein sehr emotionaler Moment. Die religiösen Soldaten der Einheit, die die Kotel befreit hatten, begannen zu weinen.
Unter ihnen war ein Soldat mit einem gänzlich säkularen Hintergrund, der auch zu weinen begann. Einer seiner Kameraden, der über Jahre hinweg viele Diskussion über G'tt, Torah und das Judentum mit diesem Soldaten geführt hatte, wandte sich ihm zu und sagte "Ich kann verstehen, weshalb ich weine – doch weshalb weinst du?" Der andere Soldat antwortete: "Ich weine, weil ich nicht weine." In anderen Worten, er weinte, weil er von der Reaktion seiner religiösen Kameraden sah, wie bedeutungsvoll dieser Moment für ihn sein sollte, jedoch diese Emotionen nicht verspürte. Er weinte, weil „er es nicht kapierte“, und er realisierte, dass dies ein Grund zum Weinen war.
Dies ist die gleiche Idee, wie das Geständnis „ich habe gesündigt“ von Bil'am zum Engel. "Das Nicht-Realisieren, dass ein Engel anwesend ist, ist etwas wofür ich schuldig bin."
Quellen und Persönlichkeiten:
- Rabbi Meir Leibusch ben Jechiel Michael Weiser (1809-1879); Wreschen und Kempen (Polen), Bukarest (Rumänien). Bekannt mit dem Akronym "MALBIM". Er war ein bedeutender Rabbiner und Talmudist, Possek und Kabbalist, Bibelkommentator und Darschan (Prediger). Seine Bibelkommentare gehören zu den umfangreichsten und populärsten Werken zu TENACH. Er schrieb viele weitere Werke. Er war ein streitbarer Gegner der Reform und litt deshalb sehr viel von Verfolgungen und Verleumdungen.
- Rabbi Mordechai Kamenetzky (Sohn von Rabbi Benjamin Kamenetzky, ein Sohn von Rabbi Ja’akov Kamenetzky), Rosch Jeschiwa der Jeschiwat Torat Chajim von South Shore Woodmere, New York, USA. Verfasser von einigen Werken, wie zum Chumasch, Haschkafa, etc.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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