Eifer ist wie Strahlung: Sie kann Nutzen bringen, kann jedoch auch sehr gefährlich sein - (Rav Frand Pinchas 5779)
Eifer ist wie Strahlung: Sie kann Nutzen bringen, kann jedoch auch sehr gefährlich sein
Die Parascha dieser Woche beginnt mit der Fortsetzung der Ereignisse in der letztwöchigen Parascha. Voller Entschlossenheit verübte Pinchas eine gewagte Tat für den Allmächtigen. Er tötete einen jüdischen Stammesfürsten und eine moabitische Prinzessin, ein Paar, welches öffentlich Unzucht trieb und den g’ttlichen Namen verhöhnte. Als Belohnung für diese Heiligung des g’ttlichen Namens, bekam Pinchas den Bund des ewigen Priestertums.
Raschi weist darauf hin, dass Pinchas vor diesen Ereignissen kein Kohen (Priester) war, obwohl er Aharons Enkel war. Die ursprüngliche Ernennung als Priester schloss Aharon ein, seine dannzumal lebenden Söhne (sie wurden gesalbt) sowie diejenigen Nachkommen, die diesen Söhnen später noch geboren wurden. Da Pinchas, der Sohn des Elasar zur Zeit der erstmaligen Einsetzung bereits auf der Welt war und nicht als Kohen gesalbt wurde, erfüllte er die ursprünglichen Bedingungen für das Priestertum nicht.
Zusätzlich zum Priestertum, wurde Pinchas auch mit dem Friedensbund gesegnet [Bamidbar 25:12]. Zu diesem Passuk (Vers) gibt es einen sehr wichtigen Hinweis des Neziw. Er sagt, dass bei einem Menschen, welcher einen anderen tötet, ein unauslöschlicher Eindruck entsteht. Er verändert sich für alle Zeiten. Der Segen, welchen Pinchas als Lohn für die Ausübung dieser eifervollen und tollkühnen Handlung erhielt, war, dass er von dieser Gewalttat keinen geistigen Schaden davontrug. Diese Handlung hatte nicht die erwartete Nachwirkung, weil sie zur Heiligung G’ttes ausgeübt wurde.
Der Neziw sagt, dass religiöser Eifer sehr, sehr gefährlich ist. Er ist wie eine Strahlung. Diese kann Krebs heilen und Genesung bewirken. Wird bei einem Menschen diese Strahlung nicht richtig eingesetzt, kann sie ihm den Tod bringen. Eifer ist wie Strahlung. Sie hat auf den Menschen, der sie verwendet, seine Auswirkungen. Pinchas benötigte einen besonderen Segen, der ihm für die unangenehmen Folgen seiner Tat Schutz gewährte.
Golda Meir, die frühere israelische Ministerpräsidentin, sagte einmal, dass sie den Arabern eventuell verzeihen könne, dass sie Juden umgebracht haben. Nicht verzeihen könne sie ihnen aber, dass Araber die Juden gezwungen haben, Araber zu töten. Totschlag, auch wenn dies in einem Verteidigungskampf zugelassen ist, hat am Schluss immer eine Auswirkung auf den Nationalcharakter. Ich zitiere Golda Meir nicht oft, aber dieser Ausspruch ist treffend.
Auf die gleiche Weise äussert sich der Neziw in Parschat Re’eh (wie auch bereits der Or Hachajim Hakadosch dies dort zur Stelle erklärt), wenn es um die Ir ha’Nidachat (eine Stadt, die zerstört werden musste, weil sich ihre Bewohner dem Götzendienst hingaben) geht [Dewarim 13:13-19]. Ist es notwendig, eine Stadt mit jüdischen Einwohnern mit Waffen anzugreifen, so ist dies mit geistigen Gefahren aller Art verbunden (der Mensch verliert sein Barmherzigkeitsgefühl, etc.). Aus diesem Grund ist es nötig, dass die Torah am Ende dieses Abschnittes betont: „und Er wird dir Barmherzigkeit gewähren (bedeutet: Die Barmherzigkeit deinem Herzen wieder zurückgeben), damit Er sich deiner erbarme und dich vermehre, wie Er es deinen Vätern zugeschworen hat.“ Obwohl ihr eine Stadt mit jüdischen Brüdern auslöscht, wird dies nicht die unguten geistigen Folgen zeitigen, welche sonst unter diesen Umständen zu erwarten wären. Falls ihr dies für den g’ttlichen, höheren Zweck tut, ist hier eine g’ttliche Garantie für geistigen Schutz eingebaut. Das ist die gleiche Garantie, mit welcher Haschem Pinchas bedachte.
Wir finden einen interessanten Midrasch-Kommentar bei der Begebenheit mit Elijahu Hanawi beim Berg Karmel [Melachim/Könige I, Kapitel 18]. Elijahu forderte die Priester des Ba’al’s (Götzen) heraus, sie mögen doch ein himmlisches Feuer herabbringen, welches ihre Opfergaben verzehre. Sie waren dazu nicht imstande. Elijahu schaffte es, ein Feuer hinunter zu beschwören, welches sein Opfertier verzehrte. Alle Menschen fielen auf ihr Angesicht, bückten sich nieder und riefen aus: „Haschem, Er ist G’tt“ („Haschem Hu ha’Elokim“). Dies ist der berühmte Ausruf, der in allen unseren Synagogen zum Abschluss des Jom Kippur ertönt.
Diese Geschichte wird in der Haftara von Paraschat Ki Tissa wiedergegeben. Die Haftara schliesst mit diesen Worten „Haschem Hu ha’Elokim“. Im Tenach ist dies jedoch nicht das Ende der Geschichte. Die Erzählung im Buch Melachim geht so weiter: „Elijahu sagte ihnen: „Ergreift die Ba’alpriester! Lasst keinen entkommen!“ So ergriffen sie sie. Elijahu liess sie zum Bach Kischon hinabführen und metzelte sie dort nieder.“ [Melachim I 18:40]. Die boshafte Königin Isewel vernahm, was Elijahu ihren Propheten angetan hatte und schickte eine Botschaft, in der sie gelobte, mit ihm genau gleich zu verfahren, wie er es mit den Ba’alpriestern getan hatte.
Elijahu floh und tauchte unter. Er versteckte sich in einer Höhle am Berg Chorew und dort erging das Wort von G’tt an ihn, indem Er ihn fragte: „Wieso bist du hier, Elijahu?“ [Melachim I 19:9] Elijahu antwortete: „Ich habe mit grossem Eifer für Haschem, den G’tt der Heerscharen geeifert, denn die Kinder Israels haben Deinen Bund verlassen; Deine Altäre haben sie niedergerissen und Deine Propheten haben sie mit dem Schwert umgebracht. Nur ich allein bin übriggeblieben und jetzt trachten sie nach meinem Leben.“ [Vers 10]
Daraufhin sagte G’tt zu Elijahu: „Gehe heraus aus der Höhle und stelle dich auf den Berg vor Haschem.“ „Und siehe, Haschem zog vorüber, und ein starker, mächtiger Wind, welcher Berge zerschmettert und Felsen zertrümmert, ging vor Haschem. ‚Haschem ist nicht im Wind!’ (wurde Elijahu gesagt.) Nach dem Wind folgte ein Erdbeben. ‚Haschem ist nicht im Erdbeben.’ Nach dem Erdbeben kam ein Feuer. ‚Haschem ist nicht im Feuer.’ Und nach dem Feuer kam ein sanfter, stiller Ton.“ [Pessukim 11-12].
Elijahu vernahm dies alles. Er hüllte sich in seinen Mantel und ging und stand am Eingang der Höhle. Wiederum (sprach) eine Stimme zu ihm: „Wieso bist du hier, Elijhahu?“ [Passuk 13]
Elijahu gibt daraufhin die haargenaue gleiche Antwort [Passuk 14]. wie vorhin im Passuk 10.
Was ging hier vor? Wenn wir nicht über den Midrasch (Tana dewej Elijahu, Kapitel 8) verfügten, wären wir nie auf das, was jetzt folgt, gekommen. Der Midrasch erklärt, dass G’ttes Frage an Elijahu ein gewisses Mass an Kritik enthielt. G’tt warf Elijahu vor, dass er nicht richtig über Sein Volk geredet hatte. „Sprich nicht so von Meinen Kindern: Sie haben Deinen Bund nicht eingehalten!“ So darfst du nicht über Juden reden! Du hättest sagen sollen: „Sie sind Deine Kinder, Sprösslinge von Awraham, Jizchak und Ja’akow, die Deinen Willen erfüllt haben.“
Elijahu hatte diesen Zugang nicht. Seine Sichtweise war: „Ich habe voll Entschlossenheit gehandelt.“ Daraufhin war es, als ob G’tt gesagt hätte: „Also, versuchen wir es noch einmal.“ Er gab Elijahu drei Stunden, um sich für eine andere Sichtweise zu erwärmen, aber Elijahu bestand auf seinem harten Kampfspruch: „Kano kinejti la’Haschem“ („Ich habe mit grossem Eifer für Haschem, den G’tt der Heerscharen geeifert“) In diesem Moment sagte ihm G’tt (Pirkej deRabbi Elieser, Ende Kapitel 29): „Du verhältst dich dauernd wie ein Hitzkopf.“ Pinchas und Eljahu sind ein und derselbe. G’tt sagte Elijahu: „Bei Schittim warst du ein Eiferer (bei der Begebenheit, welche in der letztwöchigen Parascha beschrieben wurde). Hier bist du ein Eiferer und damals warst du ein Eiferer – du verhältst dich fortwährend wie ein Hitzkopf!“
Rav Mordechaj Katz, seligen Angedenkens, deutet diesen Midrasch. Obwohl die eifrigen Taten von Pinchas/Eljahu mit den besten Absichten ausgeführt wurden und trotz der Tatsache, dass Pinchas deswegen das Priestertum zugesprochen erhielt, waren seine Handlungen nicht makellos. Pinchas/Eljahu war zu streng und stellte das jüdische Volk zu rasch an den Pranger.
Es gab nie einen Kämpfer in der Weltgeschichte, der in löblicherer Absicht handelte, als der Prophet Eljahu. Er ist der Leuchtturm für die richtige Form der Verfolgung eines Ziels. G’tt belohnte ihn dafür. Aber sogar dieser Kämpfer war nicht makellos, weil er bei der Verteidigung von G’ttes Ehre zu schonungslos mit dem jüdischen Volk umsprang. Die Juden hatten zwar eine Zurechtweisung verdient, aber dies war ein bisschen zu stark. Er hätte nicht sagen dürfen: „Sie haben Deinen Bund (Brit) nicht eingehalten.“
Es heisst (Pirkej deRabbi Elieser, Ende Kapitel 29), dass der Prophet Elijahu bei jeder Beschneidung (Brit) eines jüdischen Knaben anwesend ist und auch gehört es zum Ritual, dass ein Stuhl für Elijahu bereitgestellt wird. Warum? Es war eine g’ttliche Verfügung, dass Eljahu bei jedem Brit dabei sein muss, damit er erkennt, dass er Unrecht hatte. Klal Jisrael hält den Bund (Brit) aufrecht.
Eifer ist ein gefährlicher Charakterzug. Sogar der edle Pinchas/Eljahu schlug über die Stränge, auch wenn er nur ein zu strenges Wort äusserte. Dies zeigt wie delikat und vorsichtig man sich verhalten muss, wenn man das Schwert des Eifers ergreift.
Quellen und Persönlichkeiten:
Midrasch: Erklärung zur Torah, in der Regel geschrieben von den Tana’im (Mischna-Gelehrten), oft mit Gleichnissen.
Raschi (1040 - 1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]: Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); "Vater aller Torahkommentare".
Rabbi Naftali Zwi Jehuda Berlin [Neziw] (1817 – 1893): Rosch Jeschiwa der berühmten Jeschiwa von Woloschin, Russland.
Rabbi Mordechaj Katz: (1894 - 1964) Geistiger Leiter der Jeschiwa in Tels, Litauen, nachher Rosch Jeschiwa der Telser Jeschiwa in Cleveland, Ohio, Buchautor und eine herausragende Persönlichkeit in der Führung des amerikanischen Judentums.
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Die Bearbeitung der Gedanken dieser Woche erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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