Mosches Bitte an Haschem: Selbstlos oder ein Hauch von Vetternwirtschaft? - (Rav Frand Pinchas 5780 - Beitrag 1)
Mosches Bitte an Haschem: Selbstlos oder ein Hauch von Vetternwirtschaft?
In Paraschat Pinchas sagt uns Raschi [Bamidbar 27:15], dass Mosche Rabbejnu schon wusste, dass es ihm nicht vergönnt war, mit dem jüdischen Volk nach Erez Jisrael zu kommen: deshalb wollte er sicherstellen, dass sie nach seinem Ableben einen gebührenden Führer haben würden. Raschi spricht über die Selbstlosigkeit von Mosche Rabbejnus Bitte an den Ewigen unter diesen Umständen: "Dies wird hier erwähnt, um euch das lobenswerte Verhalten der Zaddikim (Gerechten) aufzuzeigen. Wenn sie die Welt verlassen, legen sie ihre eigenen Anliegen beiseite und kümmern sich um die Angelegenheiten der Gemeinde."
Mosche fährt mit seiner Bitte fort und beschreibt die wünschenswerten Eigenschaften eines würdigen jüdischen Führers: "Möge Haschem, G"tt des Geistes aller Menschen, einen Mann über die Gemeinde ernennen, der vor ihnen aus- und eingeht, der sie aus- und einführt, damit die Gemeinde von Haschem keine Herde ist, die keinen Hirten hat." [Bamidbar 27:16-17]
Trotz der Worte, die Raschi im obenerwähnten Passuk [27:15] schrieb, sagt Raschi in seinem Kommentar auf den nächsten Passuk etwas, das seinen früheren Bemerkungen über Mosches Selbstlosigkeit zu widersprechen scheint. Raschi schreibt im Passuk [27:16]: "Als Mosche hörte, wie der Ewige sagte 'Gib Zelochfads Erbschaft seinen Töchtern' [27:7], sagte er: "Die Zeit ist gekommen, dass ich meine Bedürfnisse (d.h. diejenigen meiner Familie) geltend machen sollte, nämlich dass meine Söhne meine hohe Position erben sollten." Wie verstehen wir den scheinbaren Widerspruch in Raschi? War Mosche selbstlos oder sorgte er sich um die Bedürfnisse seiner eigenen Familie?
Das Sefer Abir Josef verweist im Zusammenhang mit diesem Problem auf die Erklärung des Sefer Hachinuch, warum die Tora einen Absatz über Gesetze der Erbschaft geschrieben hat. Warum legt die Tora fest, dass wenn ein Mensch stirbt, all seine Grundstücke und all seine Besitztümer an seine Kinder gehen sollen? Der Chinuch schreibt, dass wir alle mit einer Mission in diese Welt kommen, die der Allmächtige für uns bestimmt hat. Alle Dinge, die Er uns in dieser Welt bereit stellt, sind Mittel, um unsere vorgesehene Mission zu erfüllen. Zum Zeitpunkt, da ein Mensch diese Welt verlässt, ist seine Mission zuweilen noch nicht vollendet worden. Aber auch wenn sie vollendet ist, will Er, dass Leute an dem anknüpfen, was der Mensch bis anhin in seiner Mission erreicht hat. Deshalb, so schreibt der Chinuch, sind die Kinder normalerweise die geeignetsten, um die Mission ihres Vaters weiterzuführen. In Bezug auf Genetik, Emotionen und Talente erhalten Kinder ihre Stärken und Talente oft von ihren Eltern. Kinder sind gewiss keine Kopien ihrer Eltern, aber sie sind ihnen in vielen Hinsichten ähnlich. Wenn es also Leute in der Welt gibt, die typischerweise geeignet sind, die Mission ihrer Eltern weiterzuführen, sind es in der Tat ihre Kinder. Aus diesem Grund sagt der Chinuch, dass die Tora festlegt, dass Kinder die Mittel ihrer Eltern in Besitz nehmen sollen, um deren Mission weiterzuführen.
Wenn ein Mensch diese Welt verlässt und erwartet, dass seine Kinder seine Mission weiterführen, benötigen sie tatsächlich dessen weltlichen Besitz, um die Aufgabe ihres Vaters fortzusetzen. Wenn dies der Fall ist, ist der Grund, dass Mosche Rabbejnu darum bat, dass seine Kinder seine Position übernehmen sollen, nicht, dass er an einer Vetternwirtschaft interessiert war oder dass er einen Posten für seine Kinder suchte. Mosche Rabbejnu stand weit über solchen Gedanken.
Mosche Rabbejnus Mission im Leben war es, der Lehrer Jisraels, der Führer des jüdischen Volkes, und der Herr aller Propheten zu sein. Er empfand, dass seine Kinder die geeigneten waren, um diese Mission zu übernehmen. Sie waren schliesslich seine Kinder, die bei ihm aufgewachsen waren; es lag sicherlich im Bereich der Eventualität, dass sie diejenigen waren, die für die Weiterführung dieser Mission fähig sind.
Offensichtlich hatte der Ewige andere Pläne. Er sagte zu Mosche, dass "dies nicht in Meinem Plan war". "Es ist angebracht, dass Jehoschua jetzt für seine Jahre des Dienstes belohnt wird. Er war dein treuer Schüler und Anhänger, der nie dein Zelt verliess." Darüber schreibt Schlomo Hamelech (König Salomon) [Mischlej/Sprüche 27:18]: "Derjenige, der den Feigenbaum bewacht, soll seine Frucht essen."
Wir sehen also, dass Mosche Rabbejnu nicht gänzlich danebenlag. Denn als loyaler Schüler und Diener während vierzig Jahren war Jehoschua die geeignete Person geworden, um Mosches Mission im Leben zu übernehmen. Hier ging es nicht um die Position, die seine Kinder im Leben haben würden. Es handelte sich, wie Raschi sagt, in der Tat um Klall Jisrael - die Zukunft des jüdischen Volkes und die Eigenschaften des zukünftigen Führers des jüdischen Volkes. Dies war Mosche Rabbejnus Motivation.
Mosches Motivation war immer das Wohl des Volkes. Es gab keine persönliche Agenda. Dies ist der Grund, warum Raschi diese Lehre von Chasal (unsere Weisen) mit den Worten "Betrachtet die Grösse der Gerechten. Sie sind nicht um ihre eigenen Bedürfnisse besorgt. Sie sorgen sich um die Bedürfnisse der Gemeinde" einführt. In diesem Zusammenhang empfand Mosche, dass die Leute, die am meisten dazu geeignet waren, seine Mission fortzusetzen, seine Kinder waren. Deshalb sagte er, mit dem Wohl des Volkes vor seinen Augen: "Es ist jetzt an der Zeit, dass meine Kinder meine Position der Führung übernehmen sollten." Der Allmächtige stellte aber klar, dass Mosche Rabbejnu sich bezüglich der Frage, wer der Geeignetste für die Übernahme seiner Führung in Klall Jisrael zu diesem historischen Zeitpunkt sei, im Irrtum befand. In Seinen Augen sollte Jehoschua diese Stelle erhalten. Dies mindert jedoch nicht die Tatsache, dass Mosche Rabbenus einzige Sorge war, dass das Volk den angemessenen Führer erhalten soll.
Quellen und Persönlichkeiten:
- Raschi (1040-1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
- Sefer HaChinuch („Das Buch der Erziehung zu Mizwot“): Der mögliche Autor ist Rabbi Aron Halevi; Barcelona, Spanien.
- Abir Josef: Werk von Rav Ja’akow Josef Reinman, zeitgenössischer Rabbiner, Lakewood, N.J., USA
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Die Bearbeitung der Beiträge dieser Woche erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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