Warum „benötigte“ Pinchas den "Preis des Friedens"? - (Raw Frand Pinchas 5781 – Beitrag 1)
Warum „benötigte“ Pinchas den "Preis des Friedens"?
G'tt belohnte Pinchas mit dem "Bund des Friedens", nachdem er mit grosser Hingabe Simri und Kosbi getötet hatte.
Der Neziw erklärt, wieso der "Bund des Friedens" - anders, als wir erwarten würden - die passende Reaktion auf Pinchas' Handlung war. Der Neziw lehrt, dass der Mensch direkt von seinen Handlungen beeinflusst wird: "Du bist, was du tust."
(Das Sefer HaChinuch beschreibt auf ähnliche Weise: Wenn ein Mensch, der von Natur aus gutherzig und mitfühlend ist, aus welchen Gründen auch immer, in unmenschliche oder grausame Tätigkeiten verwickelt wird, so wird er mit der Zeit selbst grausam und brutal.)
Aus diesem Grund, so erklärt der Neziw belohnte G-tt Pinchas mit dem "Bund des Friedens". Da Pinchas‘ Handlungsweise eine gewisse Härte erfordert hatte, also schlecht mit friedlichen Absichten vereinbar war, bekam er als Belohnung, dass diese Handlung nicht die natürliche Wirkung auf ihn haben würde. Er blieb ein friedliebender, gutherziger und mitfühlender Mensch.
Das folgende Gesetz gilt für die Ir HaNidachat (abgefallene Stadt), eine Stadt, die vollständig dem Götzendienst verfallen ist: Wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind (was in Wirklichkeit nahezu unmöglich ist), müssen deren Einwohner umgebracht werden. Nach der Beschreibung der Einzelheiten und aller Strafen, die mit diesem Gesetz verbunden sind, sagt der Passuk "…und Er wird dir Barmherzigkeit gewähren, damit er sich deiner erbarme…" [Dewarim 13:18]. Die Erklärer betonen, dass G-tt den Menschen eine Absicherung gibt.
Üblicherweise wirkt sich die Vernichtung der Bewohner einer ganzen Stadt auf diejenigen aus, die diesen Richtspruch ausführen. Sie verkommen zu grausamen und unbarmherzigen Scharfrichtern. Deshalb kommt die Thora und gibt einen Segen: „…er wird euch Barmherzigkeit gewähren…“ - die Erfüllung dieses Gebotes wird NICHT den üblichen Effekt auf diejenigen haben, die es ausführen, G-tt wird ihnen das Barmherzigkeitsgefühl zurückgeben. Der der Or Hachajim Hakadosch fügt noch hinzu: Und deshalb fügt die Thora bei: „… damit er sich deiner erbarme…“, denn nur wer barmherzig ist, kann mit Barmherzigkeit des Himmels ihm gegenüber rechnen [Traktat Schabbat 151b].
Weil Pinchas "für des Himmel’s Ehre" gehandelt hatte, war sein Lohn G’ttes Versprechen, dass, diese Handlung in seiner Seele keinen bleibenden Eindruck hinterlassen würde. Er bekam deshalb den "Bund des Friedens".
In ähnlichem Zusammenhang stiess ich auf einen Gedanken, der Rav Aharon Kotler sZl. zugeschrieben wird. Die Welt versteht den Gedanken von "Schalom" (Frieden) nicht richtig. Gemäss der volkstümlichen Denkweise besteht Frieden aus dem Beendigen der Streitigkeiten, Umarmungen und Küssen. Gemäss dem allgemeinen Verständnis ist Töten das Gegenteil von "Schalom".
Der Vers bezeugt, dass Pinchas - im Widerspruch zu dieser verbreiteten Ansicht - in Wahrheit eine Tat des "Friedens" ausführte. Es war kein Kampf, also das Gegenteil von Frieden, sondern es war wirklich eine Friedenshandlung. Pinchas stellte den Frieden zwischen Israel und seinem Vater im Himmel wieder her, in dem er der Boshaftigkeit und der darauffolgenden Seuche ein abruptes Ende setzte.
Rav Aharon Kotler erwähnt, dass Awraham, als die Hirten Lots mit seinen Hirten in Streit gerieten, vorschlug: "Es soll doch kein Zank sein zwischen mir und dir - trenne dich von mir." [Bereschit 13:9] Nach volkstümlicher Meinung bestände die Lösung für diesen Streit in "seien wir Freunde". Awraham hingegen meinte "trennen wir uns". Welche Art von "Friedensstiftung" ist denn das? Wieso schlug er nicht vor: "Lasst uns in Frieden zusammenleben"?
Die Antwort ist: Mit gewissen Leuten können wir nicht zusammenleben. Awraham spürte, dass ein sinnvolles Nebeneinander zwischen seinen Hirten und denen von Lot nicht möglich war. Die einzige gangbare Lösung ist in einer solchen Lage: "Trennen wir uns." Dies wird den Frieden zwischen unsere Lager wieder herstellen.
Bei Pinchas war es dasselbe: Der Weg zum "Frieden" bestand darin, zwei Menschen umzubringen - damit wurde der Frieden zwischen Israel und G'tt wiederhergestellt, wie der Allmächtige dies bezeugt: "… Pinchas hat meinen Grimm von den Kindern Israels abgewendet… so dass ich die Kinder Israels in meinem Eifer nicht umgebracht habe."
Quellen und Persönlichkeiten:
Or HaChajim Hakadosch (1696 – 1743): Name des Hauptwerks von Rabbi Chajim ben Mosche ben Atar, berühmter Thorakommentar; Verfasste weitere Werke wie Chefez Haschem, Peri To‘ar, Rischon Lezion .Marokko, Italien, Israel.
Rabbi Naftali Zwi Jehuda Berlin (Der „Neziw“) (1817-1893), Rosch Jeschiwa der berühmten Woloschiner Jeschiwa fast 40 Jahre lang, bis sie von der russischen Regierung im Jahr 1892 geschlossen wurde. Verfasser einiger bekannter Werke wie: Ha‘amek Dawar, Ha‘amek Sche'ejla, Mejschiw Dawar, etc.
Rabbi Aharon Kotler (1891 - 1962): Rosch Jeschiwa in Kletzk (Weissrussland) und Lakewood, USA. Er war ein prominenter Führer des orthodoxen Judentums in Litauen und später in den Vereinigten Staaten, wo er das Beth Medrash Gavoha in Lakewood, New Jersey, mit 15 Schülern gründete. Heute zählt die Jeschiwa und der Kolel rund 7000 Studenten.
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Die Bearbeitung der Beiträge dieser Woche erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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