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Behalte die Ruhe! (Rav Ciner, Matot-Mass'ej 5782)

Rav Ciner zu Paraschat Matot - Mass’ej 5782

 

Ergänzungen: S. Weinmann

 

Behalte die Ruhe!

 

Diese Woche leinen wir die Doppelparaschot Matot – Mass’ej und beenden somit das Sefer Bamidbar.

Zorn ist ein Thema, das unsere Weisen ausführlich besprechen. Der Talmud [Nedarim 22a und b] beschreibt eine Anzahl unterschiedlicher Lehren über den Zorn: "Die Schechina (G"ttliche Präsenz) ist für denjenigen, der sich erzürnt, als würde sie nicht existieren". Jemand, der zürnt, vergisst, was er gelernt hat". "Alle Arten von Gehinom (Hölle) herrschen über einen Menschen, der zornig wird" (da ein Zorniger die Beherrschung über sich verliert und dadurch zu den schlimmsten Sünden fähig wird).

An einer anderen Stelle im Talmud [Pessachim 66B] lehrt Rejsch Lakisch, dass "wenn ein weiser Mensch zornig wird, seine Weisheit ihn verlässt". Dieser Gedanke wird durch ein Ereignis bewiesen, das in unserer Parascha geschah.

In Paraschat Balak lernten wir, dass die Töchter Midjans Männer von den Benej Jisrael verführt und zusätzlich dazu verleitet hatten, ihren Götzen zu dienen. Dies führte zum Tod von 24’000 Männern des jüdischen Volkes. In unserer Parascha werden die Benej Jisrael aufgefordert, einen vergeltenden Krieg gegen die Nation von Midjan zu führen.

Nach dem Sieg traf sich Mosche mit den Truppenführern. "Und Mosche zürnte über die Befehlshaber des Heeres, über die Obersten der Tausend- und Hundertschaften, als sie vom Kriegszuge zurückkamen. Und Mosche sprach zu ihnen: Ihr habt die Frauen alle am Leben gelassen??!! Diese waren es ja, die die Kinder Israels auf Anraten Bil’ams veranlassten durch den (Götzen) Pe’or Untreue am Ewigen zu begehen, so dass die Seuche in der Gemeinde des Ewigen ausbrach! [31:14-16]"

Einige Pessukim später bespricht die Tora die Gesetze des Kaschern von Gefässen, die für nichtkoschere Dinge verwendet wurden, wie zum Kochen oder Braten. Dies war unmittelbar anwendbar für die Kriegsbeute, die von Midjan genommen wurde. Diese Gesetze werden in ungewöhnlicher Weise eingeführt. "Und El’asar Hakohen sagte zu den Armeetruppen: Dies ist das Gesetz, das Haschem Mosche lehrte … [31:21]." El’asar erklärt ihnen dann die spezifischen Gesetze des Kascherns von verschiedenen Sorten von Gefässen. Mosche stand gerade daneben! Warum erklärte und lehrte El’asar ihnen diese Gesetze, die er selbst von Mosche gelernt hatte und dazu noch in der Anwesenheit von Mosche?

Raschi erklärt, dass nachdem Mosche zornig wurde, er sich an die Gesetze des Kascherns der Gefässe nicht mehr erinnern konnte. Die Nation stand vor Mosche und wartete darauf, von ihm die Gesetze zu hören, die er selbst von Haschem gehört hatte. Mosche schwieg jedoch. Er wusste nicht, wie sie zu lehren. Elasar musste hervortreten und der Nation diese Gesetze lehren. Er hatte sich aufgeregt, und als Folge davon verliess ihn seine Weisheit!

Raw Chajim Schmuelewitz sZl. schreibt, dass wir alle wissen, dass der Zorn kontraproduktiv und schädlich ist. Und dennoch erlauben wir uns, zornig zu werden. Wir lösen diesen scheinbaren Widerspruch, indem wir unseren Zorn rechtfertigen. "Sie taten etwas Furchtbares, und deshalb war es nötig, dass ich über sie zürne."

Vom Fall von Mosche sehen wir, wie unrichtig diese Haltung wirklich ist. Mosches Zorn gegenüber den Offizieren war gänzlich gerechtfertigt! Dieser Krieg war ein Vergeltungskrieg gegenüber Midjan wegen dem schrecklichen Schaden, den sie den Kinder Israels angetan hatten. Dieser Schaden wurde durch die Frauen verursacht. Wie konnten sie sich an Midjan rächen und gleichzeitig die Frauen am Leben erhalten?

Und trotzdem, obwohl Mosches Zorn komplett gerechtfertigt war, vergass er die Gesetze. Es ist keine Strafe für eine falsche Verwendung des Zorns, sondern die Folge des Zornes selbst. Man verliert die Weisheit, einfach und automatisch.

Idealerweise sollte ein Mensch realisieren, dass falls die Dinge sich nicht gemäss unseren Wünschen entwickeln, der Zorn nicht nur nicht helfen, sondern die Situation nur noch verschlimmern wird.

Es wird eine Geschichte von einem grossen Zaddik erzählt, der Rabbi Jechiel Michel von Slotschow hiess, der äusserst arm war. Der Festtag von Sukkot kam immer näher und der Rebbe hatte noch keinen Etrog. Am Tag vor Sukkot hatte er die Gelegenheit, einen aussergewöhnlich schönen - aber sehr sehr teuren - Etrog zu kaufen. Sein innigster Wunsch, die Mizwa mit diesem Etrog zu erfüllen, war unvorstellbar, aber er hatte kein Geld für die normalen Jomtow-Ausgaben und sicherlich nicht für den Etrog.

Sein reiner Wunsch, die Mizwa zu erfüllen, liess ihn etwas einfallen. Er besass ein wunderschönes und sehr teures Paar Tefillin, das er von seinem Vater, dem Zaddik Rabbi Jizchak von Drohobitsch, geerbt hatte. Viele reiche Chassidim wollten bereits diese Tefillin für teures Geld abkaufen, jedoch wollte Rabbi Jechiel Michel nichts davon hören. Jedoch diesen Erew Sukkot änderte der Rebbe plötzlich seine Meinung.  "Ich habe heute die Mizwa von Tefillin schon erfüllt, und diese Mizwa wird in den nächsten neun Tagen von Sukkot nicht aktuell sein", sagte er sich. "Andererseits beginnt die Mizwa eines Etrogs morgen, und wenn ich jetzt nicht einen kaufe, werde ich die Mizwa nicht erfüllen können. Die Mizwa des Etrogs sollte deshalb vor der Mizwa von Tefillin Vorrang haben! Ausserdem habe ich ja zusätzlich ein einfaches Paar Tefillin!"

Er beeilte sich, verkaufte seine Tefillin an einen reichen Mann, der schon lange diese Tefilin für 300 Rubel kaufen wollte und verwendete das Geld, um diesen wunderschönen Etrog zu kaufen. Das überschäumende und reine Glücksgefühl, das dieser Zaddik empfand, war unvorstellbar. Mit diesem strahlenden Gefühl der Freude und Wonne auf seinem Gesicht kam er mit seiner Beute nach Hause. In seinem Zimmer herrschte grosse Feststimmung, er versammelte seine fünf Söhne um sich und erzählte ihnen mit grossem Enthusiasmus von dem grossen Geschäft, das er heute gemacht habe.

Die Rebbezen, neugierig zu erfahren, was diese Feststimmung im Zimmer ihres Mannes bedeute, betrat plötzlich sein Zimmer und fragte, was diese Feststimmung bedeute? Einer der Söhne erzählte ihr kurz die ganze Geschichte, wo der Vater gewesen sei und was ihn so glücklich mache.

"Du hast dein wunderschönes Paar Tefillin für 300 Rubel verkauft?" fragte sie mit Schmerzen in ihrer Stimme, "du hast das ganze teure Geld für einen einzigen Etrog verschwendet, und hast keinen Groschen für Essen für den Jomtow übriggelassen, du weisst doch, dass das Haus leer ist?" Ihr Schmerz verwandelte sich in Zorn und sie schrie, "woher soll ich jetzt Geld für die Festtagsausgaben nehmen?" In ihrem Wutanfall packte sie den Etrog, und biss dem Etrog seinen Pitom (Stil, Griffel) ab, der ihn passul (unbrauchbar) machte.

Der Zaddik betrachtete seinen Etrog, mit dem er die Mizwa auf so wunderschöne Weise hätte erfüllen können, wie er nun wertlos da lag. Wie reagierte er? Er begann zu tanzen und erhob seine Hände zum Himmel und sprach: "Ribono schel Olam (Herr der Welt), meine wertvollen Tefillin – habe nicht mehr. Meinen teuren Etrog – habe ich auch nicht mehr. Jetzt möchte mich der Jezer Hara (böse Trieb) zur grossen Sünde von Zorn und Streit anstiften, nein das werde ich nicht zulassen! Wenn das soeben Geschehene Dein Wille ist, so nehme ich es mit Liebe an!" Der Zaddik tanzte weiter, denn jetzt hatte er noch einen Verdienst hinzugewonnen, nämlich den Sieg über den bösen Trieb!

Obwohl das Niveau dieses Zaddiks für uns als unerreichbar erscheinen dürfte, glaube ich, dass die Geschichte hilfreich sein könnte, wenn wir das Gefühl haben, dass unser Blutdruck ansteigt.

Quellen und Persönlichkeiten:

Rabbi Jechiel Michel von Slotschow (1726-1786); Brody, Solotschiw, Jampol (Ukraine). Sohn des Zaddiks Rabbi Jizchok von Drohobitsch. Bekannt als der „Maggid von Slotschow “. Er war ein Schüler des Ba’al Schem Tov, des Gründers des Chassidismus und seines Nachfolgers, der Maggid von Mesritsch. Er war bekannt für seine Deraschot (Predigten). Er war ein grosser Zaddik und chassidischer Rebbe.

Rav Chajim Schmuelewitz (1902 – 1978), Schwiegersohn von Rabbi Elieser Jehuda (Lejser Judel) Finkel. Rosch Jeschiwa in Mir (Litauen), Schanghai (China) und Jerusalem.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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