Schewat/ Paraschat Beschalach

Raw Frand zu Parschat Dewarim 5769

Vorsichtige Abwägung von Zugeständnissen in der Erziehung

Die Sache war gut in meinen Augen. (Dewarim, 1:23)

Parschat Dewarim beginnt damit, dass Mosche Rabbejnu die wichtigsten Ereignisse aufzählte, die während den vierzig Jahren geschahen, seit die Jehudim Ägypten verlassen hatten. Er erwähnt ihre Bitte im zweiten Jahr, vor dem Einzug nach Erez Israel das Land durch Spione auskundschaften zu lassen, und kritisiert sie für die Ungehörigkeit ihrer Bitte. Dennoch sagt er: „Die Sache war gut in meinen Augen."

Der Talmud (Sotah 34b) entnimmt Mosches Bemerkung — "Die Sache war gut in meinen Augen" — dass er dachte, es sei eine gute Idee, Meraglim (Spione) zu schicken, doch Haschem dachte anders. Haschem wusste, dass das Aussenden von Spionen in einer Tragödie enden würde und Er wollte nicht, dass sie gingen.

Dies ist schwierig zu verstehen. Wenn Haschem wusste, dass die Meraglim schliesslich das Volk gegen Erez Jisrael aufhetzen würden, weshalb liess Er sie gehen? Haschem hätte Mosche sagen sollen, "Sag ihnen, dass Ich Haschem bin, Ich sage wo es durchgeht und Ich sage 'NEIN!'"?

Rabbi Mottel Katz, der frühere Rosch Jeschiwa von Tels in Cleveland, Ohio, leitet von dieser Begebenheit eine wichtige Lektion im Chinuch (in der Erziehung) ab.

Manchmal wollen Kinder etwas tun, das ihre Eltern als unangebracht ansehen. Unser elterlicher Instinkt sagt uns, dass wir sie daran hindern sollten, ihr Vorhaben auszuführen. Wir rechtfertigen uns damit, dass wir verpflichtet sind, unsere Kinder mechanech zu sein (zu erziehen), und manchmal bedeutet dies, dass wir "Nein" sagen müssen.

Doch ist es immer richtig, "nein" zu sagen?

Wir lernen von den Meraglim, sagt Rabbi Katz, dass es Situationen gibt, in welchen wir nachgeben müssen, auch wenn wir wissen, dass unsere Kinder etwas Falsches wollen!

Haschem wusste, dass die Menschen ein Nein auf ihre Bitte schlicht und einfach nicht akzeptieren würden. Wäre Mosche mit einer negative Antwort von Haschem zurückgekehrt, so hätten sie gedacht, "Wie sollen wir gehen und ein Land einnehmen, ohne vorher Spione zu schicken? Jeder weiss, dass man nicht in den Kampf zieht, ohne vorher Informationen eingeholt zu haben."

Wäre der Klal Jisrael auf einer derart hohen geistigen Stufe gestanden, um Haschems Weigerung zu akzeptieren, hätte Er nein gesagt. Doch Haschem wusste, sie waren nicht bereit, Seinen Entschluss vollständig zu akzeptieren, deshalb schlug Er ihnen ihre Bitte nicht ab.

Manchmal, so bemerkt Rabbi Katz, geht es beim Chinuch um Nachgeben. Wir müssen wissen, wann unsere Kinder ein "Nein" akzeptieren können und wann sie derart darauf versessen sind, das zu tun, was sie vorhaben, dass sie unsere Weigerung nicht akzeptieren werden.

Dieses Konzept wird deutlich auch im Talmud (Jewamot 65b) erwähnt: "Ebenso wie es eine Mizwa (Gebot) ist, Worte zu sagen, die akzeptiert werden, so ist es eine Mizwa Worte nicht zu sagen, die nicht akzeptiert würden."

Rabbi Mottel Katz ergänzt dies mit einer persönliche Anekdote, die so unglaublich anmutet, dass ich sie hier nicht erwähnt hätte – wenn ich sie nicht selbst in seinen Notizen gesehen und mir von seinem Sohn hätte bestätigen lassen. Das Ereignis, das er beschreibt, hat er zwar nicht datiert, doch muss es sich in den späten 1940er oder frühen 50er Jahren zugetragen haben.

"Eines Tages kamen die Jungen in der Jeschiwa zu mir und baten mich, den Stundenplan für eine Nacht zu ändern", schreibt Rabbi Katz. “Sie wollten früher als üblich Ma’ariw beten”.

Als ich sie fragte, warum sie früher beten wollten, erklärten sie, dass an diesem Abend in New York die Endausscheidung im Kampf der Schwergewichte stattfinden würde und sie die Übertragung am Radio zuhören wollten. Würden wir aber zur üblichen Zeit beten, so würden sie den Kampf verpassen.

Natürlich war ihre Bitte unangebracht, ganz abgesehen davon, dass es sich für Jeschiwa-Studenten nicht gehörte, einen Kampf zwischen Boxern zu verfolgen, deren Ziel es war, einander so lange zu schlagen, bis einer von ihnen nicht mehr auf seinen Beinen würde stehen können. Ich realisierte, wenn ich mich weigern würde, würden die Jungen dies nicht verstehen. Sie waren in Amerika aufgewachsen und daran gewöhnt, dass die besten, angesehensten Menschen aus dem ganzen Land angeflogen kamen, um diesen Kämpfen beizuwohnen. Sie betrachteten ein Zuschauen oder Zuhören, wenn sich zwei

Erwachsene schlugen, als ein normales Tun."

" Diese Jungen", schloss Rabbi Katz, "würden schlicht und einfach nicht begreifen, weshalb ich ihre Bitte abschlage, und so war es besser, ihnen zu gestatten, früher zu beten um den Kampf zu verfolgen.

Ich bin sicher, dies war wahrscheinlich eines der schwierigsten Entscheidungen, denen sich Rabbi Katz stellen musste. Er hatte in Europa in Tels gelernt. Was hätte sein Rosch Jeschiwa von einer solchen Bitte gehalten?

Rabbi Mordechai Gifter erzählte oft von seinen Eindrücken, als er im "ursprünglichen" Tels in Europa ankam und sah, dass dort nur Torah existierte. Wie schwierig musste es für jemanden, der Zeuge einer derart erhabenen Hingabe zur Torah gewesen war, sein, seinen Schülern zu gestatten, ihr Lernen frühzeitig zu beenden, damit sie einen Wettkampf verfolgen konnten.

Doch dies war eine neue Welt. Die damaligen Schüler von Tels stammten aus kleinen Gemeinden aus der ganzen USA; viele von ihnen hatten eine öffentliche Schule besucht. Von ihnen konnte nicht erwartet werden, dass sie den Wert von Torah vollständig schätzten.

Natürlich geschieht es oft, dass Eltern und Mechanchim (Erzieher) nein sagen müssen. Doch in diesem Fall lernte Raw Mottel vom besten Lehrer und sagte „ja“. Wenn Haschem dem Klal Jisrael erlaubte, etwas zu tun, von dem Er wusste, das es falsch war, so musste der Rosch Jeschiwa von Tels über den eigenen Schatten springen und das selbe zu tun.

Und das, liebe Eltern, gilt auch für uns.



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