Schewat/ Paraschat Beschalach

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"Soll ich ihn als meinen Rabbi akzeptieren?" (Rav Frand Schoftim 5781)

Ergänzungen: S. Weinmann

 

"Soll ich ihn als meinen Rabbi akzeptieren?"

In Paraschat Schoftim steht im Passuk: "Wenn dir die Entscheidung über eine Sache zu schwer fällt, es handle sich um Bluttaten, Rechtshändel oder Körperverletzungen, oder sonstige Streitsachen in deinen Toren, dann sollst du dich aufmachen und an den Ort gehen, den der Ewige, dein G"tt, erwählen wird. Da gehe zu den Priestern aus dem Stamme Levi und zu dem Richter, der in jenen Tagen sein wird, und frage sie; sie werden dir die Rechtsentscheidung verkünden" [Dewarim 17: 8-9]

Die Gemara [Traktat Rosch Haschana 25b] bringt einen berühmten Kommentar zu den Worten "der in jenen Tagen sein wird": Die Gemara fragt: "Würde ich denn denken, dass ich zu einem Richter gehen soll, der nicht in meinen Tagen ist, d.h. nicht mehr am Leben ist?" Die Gemara leitet aus dieser präzisen Terminologie eine sehr wichtige Lektion ab: "Du hast keinen anderen Richter als denjenigen, der in deinen Tagen anwesend ist." Du musst zum Gadol (Grossen) und Possek (Dezisor) deiner Generation gehen. Obwohl jede Generation, die sich weiter vom Empfang der Tora am Sinai entfernt, eine Jeridat HaDorot (einen geistigen Abstieg der Generationen) erfährt, haben wir dennoch keine andere Wahl, als zu den Richtern gehen, die in unserer eigenen Zeit zuständig sind.

Wenn wir älter werden, erinnern sich viele von uns an Gedolim der früheren Jahre. Der Sijum Haschass ist ein unvorstellbares, wunderbares Ereignis. Aber an jedem Sijum Haschass – der alle siebeneinhalb Jahre stattfindet – ist ein nostalgisches Gefühl fühlbar, wenn man das Podium sieht und denkt: "Ich erinnere mich, als…" "Ich erinnere mich, als Rav Mosche Feinstein, Raw Ja’akov Kaminetzky, Raw Ruderman und Rav Hutner und viele weitere noch dabei waren. Heute gehen wir zu einem Sijum Haschass und zu Versammlungen und sehen, dass jene Tora-Grössen nicht mehr unter uns sind. Man hat manchmal das begreifliche Gefühl "Soll ich zu ihm (zum heutigen Rabbiner) gehen?" "Ich soll ihn meine Schailes (halachische Abklärungen) fragen…? Ich erinnere mich noch, als er herumrannte und Ball spielte!"

Dies ist, was der Passuk uns sagt. Du hast keine anderen Richter als diejenigen, die in deiner Zeit zuständig sind. Du musst sie respektieren und ihre Entscheide akzeptieren. Dies sind die Richter und die Gedolim, die Hakadosch Baruch Hu für unsere Generation vorgesehen hat. Rabbi Abraham Twerski erwähnt den folgenden Gedanken in einem seiner Sefarim (Werke): Die Tora spricht über die "Seelen, die Awram in Charan gemacht hat". Der Rambam beschreibt zu Beginn von Hilchot Awoda Sara, dass Awraham Awinu Tausende von Menschen unter die Fittiche der G"ttlichen Schechina gebracht hat. Und was ist mit diesen Tausenden von Menschen geschehen? Wir haben in Wirklichkeit nur einen Menschen, der ein wahrer geistiger Nachkomme von Awraham Awinu ist, das ist sein Sohn Jizchak. Was geschah mit all den Seelen, die er in Charan gewann?

Einige der Meforschim mutmassen, dass nachdem Awraham starb und Jizchak übernahm, die Bekehrten von Awraham sagten: "Ich soll zu Jizchak gehen? Ich erinnere mich noch, als Jizchak ein kleines Kind war!" Deshalb akzeptierten sie seine Autorität nicht.

Ich befand mich im Jahr 2016 in Europa. Wir gingen zum Kewer des Chatam Sofer (Rabbi Mosche Schreiber). Als Teil der Vorbereitung für diese Reise stellte ich viele Recherchen über den Chatam Sofer, seiner Jeschiwa, sein Leben etc. an. Der Chatam Sofer wurde niftar, als er 77 Jahre alt war. Als er starb, war sein Sohn, der Ketav Sofer (Rabbi Awraham Schmuel Binjamin Schreiber), etwas über vierundzwanzig Jahre alt. Man kann sich nicht vorstellen, welchen Einfluss der Chatam Sofer hatte. Er war der Gadol Hador (einer der Grössten der Generation)! Hier haben wir es: Sein Sohn, der noch in den Zwanzigerjahren war, übernahm die Jeschiwa und die Stadt.

An der Lewaja (Beerdigung) des Chatam Sofer erhob sich der Dajan (Vorsitzender des jüdischen Gerichthofes) von Pressburg (Bratislava) und kündigte dem Ketav Sofer an: "Ich akzeptiere dich als meinen Raw. Masel Tov!" Der gesamte Zibbur – es befanden sich dort Tausende von Menschen – weinte, der Chatam Sofer war nicht mehr da… und alle schrien "Masel Tov"!

Waren Sie je an einer Lewaja, wo jeder "Masel Tov" schrie? Der Dajan tat etwas sehr Kluges. Der Chatam Sofer war ein Mann in den Siebzigerjahren. Er war während Jahrzehnten der Rosch Jeschiwa, Raw von Pressburg und einer der Grössten seiner Generation gewesen. Und jetzt sollte ein junger Mann in den Zwanzigerjahren sein Amt übernehmen?

Dies war das Problem der Tausenden von Menschen, die durch Awraham Awinu zum Judentum übertraten. Sie konnten sich nicht damit abfinden, dass ihr neuer Führer der junge Jizchak Awinu sein würde.

Raw Chajim Schmulewitz erwähnte einst in einem Schmuss (Vortrag) ein ähnliches Konzept. Die Gemara (Traktat Sanhedrin 11a) erzählt, dass Rabbejnu Hakadosch (Rabbi Jehuda HaNassi) einen Schiur erteilte und jemand Knoblauch gegessen hatte. Der Geruch war abstossend, und Rabbejnu Hakadosch sagte: "Der Mensch, der Knoblauch gegessen hat, soll den Raum verlassen." Der Talmud sagt, dass der grosse Rabbi Chija aufstand und den Raum verliess, darauf standen alle Schüler auf und verliessen den Raum (um Rabbi Chija nicht zu beschämen).

Wir können sicher sein, dass der grossa Rabbi Chija nicht der Mensch war, der vor dem Schiur Knoblauch gegessen hatte, aber er wollte verhüten, dass der Mensch, der Knoblauch gegessen hatte, beschämt würde. Rabbi Schimon, der Sohn von Rabbi Jehuda HaNassi, traf Rabbi Chija am nächsten Tag und sagte ihm: "Bist du derjenige, der meinem Vater Schmerz antat?" (Rabbi Schimons Meinung war, dass Rabbi Chija Knoblauch gegessen hatte und die anderen nur hinausgingen, dass Rabbi Chija nicht verschämt würde). Rabbi Chija antwortete: "Der Himmel bewahre, dass ich es war." Der Grund, dass er hinausging, war – wie Raschi zur Stelle erklärt - um den anderen nicht zu beschämen und wenn er hinausging, würden alle anderen auch hinausgehen, damit man nicht erkenne, wer den Knoblauch wirklich gegessen hatte (obwohl der Schiur dann gänzlich unterbrochen wurde, war seine Meinung, dass die Hinderung vor Beschämung  eines Menschen den Unterbruch des Tora-Lernens berechtige.). Die Gemara fragt: Woher lernte Rabbi Chija, so was zu tun? Der Talmud antwortet, dass er diesen Gedanken – dass es besser ist, sich selbst zu erniedrigen, als dass jemand anders erniedrigt würde – von Rabbi Meir lernte.

Rabbi Meir war ein Tanna der früheren Generation. Was war die Geschichte über Rabbi Meir? Es wurde gelehrt: Es gab einen Vorfall mit einer gewissen Frau, die ins Bejt haMidrasch kam und zu Rabbi Meir sagte: "Einer der Talmidim (Schüler) in dieser Jeschiwa hat mich geehelicht durch Bija" (d.h. dass er den Akt von Kidduschin (ehelichen) ohne den traditionellen Ring, jedoch durch eine eheliche Verbindung ausübte). (Ihre Forderung war, dass entweder diese Person mit ihr ein weiteres normales Leben führe oder ihr einen Get (Scheidungsbrief) geben solle). Obwohl dies in der Mischna (Traktat Kidduschin 2a) eine der anerkannten Weisen von Kidduschin ist (gem. der Tora gibt es drei Wege), wurde es von den Weisen verboten, und als schamloser Akt betrachtet, der für die Festlegung von Kidduschin nicht angemessen ist; sondern es muss mit dem festgelegten Prozedere mit Chuppa-Kidduschin-Hochzeit… ausgeübt werden. Der Talmud sagt, dass Rabbi Meir als Reaktion auf die Behauptung dieser Frau aufstand und ihr einen Get (Scheidungsbrief) schrieb. Danach standen alle Talmidim auf und schrieben ihr ebenfalls eigenen Get.

Die Gemara stellt daraufhin die Frage – von wo lernte Rabbi Meir diesen Gedanken? Sie sagt, dass er ihn von einem früheren Tanna – Schmuel Hakatan – lernte. Die Gemara sagt dann, dass Schmuel Hakatan diese Erkenntnis von Schechnaja ben Jechiel (Esra 10:2) lernte und dass Schechnaja ben Jeschiel ihn von Jehoschua lernte. Andere meinen, dass Schechanja es von Mosche Rabbejnu lernte (wobei jedes Mal Vorfälle zitiert werden, bei der ein grosser Mensch einen anderen vor einer Beschämung rettete, indem er die Schuld für etwas übernahm, das er nicht getan hatte).

Raw Chajim Schmulewitz frägt: "Wenn diese Lektion eigentlich von Mosche Rabbejnu gelernt werden konnte", warum zählt die Gemara diese ganze Kette von Überlieferer auf, warum sagt sie nicht einfach, dass Rabbi Chija es direkt von Mosche Rabbeinu lernte? Warum muss man all diese Mittelsmänner in der Kette der Ableitungen von dieser Lektion einfügen?

Anwortet Raw Chaim Schmulewitz: Es ist, weil Rabbi Chija dies nicht von Mosche Rabbejinu ableiten konnte. Mosche Rabbeinu war nicht der Rebbe von Rabbi Chija. Er war nicht sein Dajan; er war nicht sein Possek. Ein Mensch kann seine Lehre für ein edles Benehmen nach dem Willen der Tora hauptsächlich von jemandem in seiner eigenen Generation übernehmen. Zugegeben, Rabbi Meir war nicht Mosche Rabbejnu, und war nicht einmal Jehoschua. Dies macht aber keinen Unterschied. Jiftach Hagil’adi, der 10. Richter, in seiner Generation war gleichgestellt zu Schmuel Hanawi (einer der grössten Propheten) in seiner Generation. Man muss zum Schofet gehen, der in seiner eigenen Generation zuständig ist.

Quellen und Persönlichkeiten:

Rambam - Rabbi Mosche ben Maimon, (Maimonides) (1135 – 1204), einer der bedeutendsten Rischonim, seine Hauptwerke sind: Das umfassende Werk zum jüdischen Recht „Mischne Tora-Jad Hachsaka“, Erklärung zur Mischna und „Moreh Newuchim (Führer der Unschlüssigen)“, Spanien, Aegypten, Israel

Chatam Sofer (1762-1839) [Rabbi Mosche Sofer / Schreiber]; Pressburg/Bratislava, Slowakei. Rosch Jeschiwa und einer der führenden Rabbiner des 19. Jahrhunderts. Er schrieb zahlreiche Werke, wie acht Bände Responsen, 18 Bände Erklärungen zum Talmud, Kommentare zur Tora, Briefe, Gedichte und ein Tagebuch. Die meisten Werke tragen den Namen „Chatam Sofer“.

Ketav Sofer (1815 - 1871) [Rabbi Awraham Schmuel Binjamin Sofer/Schreiber] Pressburg/Bratislava, Slowakei. Bekannt durch den Namen seines Hauptwerks, als Ketav Sofer; Rabbiner, Führungsfigur des ungarischen Judentums und Rosch Jeschiwa der Pressburger Jeschiwa.

Rav Jaakov Kaminetzky, (1891-1986), Rosch Jeschiwa Tora We'Da'at; Minsk, Slobodka, New York.

Rabbi Mosche Feinstein (1895 - 1986): Rosch Jeschiwa von Mesivta Tiferet Jerusalem, New York. Einer der grössten, zeitgenössischen Autoritäten der Halacha.

Rav Ruderman (1901 -1987): Früherer Rosch Jeschiwa der Jeschiwa Ner Israel (in der Rav Frand lehrt) in Baltimore, USA.

Rav Jizchok Hutner (1906 - 1980): Rosch Jeschiwah der Jeschiwah Mesifta Rabbi Chajim Berlin in New York.

Rav Chajim Schmulewitz (1902 – 1978): Rosch Jeschiwa Mir; Litauen; Kobe; Jerusalem.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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