Raw Frand zu Parschat Ki Teze 5762
Amon und Moaw gaben uns kein Brot und kein Wasser; was war daran so schlimm?
In Parschat (Wochenabschnitt) Ki Tejze steht:“ Weder ein Amonite noch ein Moabiter darf in die Gemeinde G’ttes eintreten; sogar die zehnte Generation darf nicht in die Gemeinde G’ttes eintreten, für immer.“ [Dewarim 23:4]. Es ist ein Gesetz, dass wir keinem männlichen Amoniten oder Moabiten – auch nach dem Übertritt – erlauben dürfen mit einem jüdischen Mädchen zu heiraten. Obwohl sie unsere Vettern sind (die Nachkommen von Lot, Awrahams Neffen) dürfen sie niemals in die Gemeinde G’ttes eintreten. (Heute jedoch können wir die Angehörigen dieser Nationen nicht mehr identifizieren, weil die Assyrischen Könige vor der Zeit der Zerstörung des 1. Tempels Völker miteinander verschmolzen.)
Die Torah erklärt, warum diese Völker derart streng behandelt werden: “Weil sie euch, als ihr unterwegs wart, als ihr aus Ägypten zogt, nicht mit Brot und Wasser entgegengekommen sind, und weil sie gegen dich den Bil’am, Sohn des Be’or aus Pessor, in Aram Naharajim gedungen haben, damit er dich verfluche.“ [23:5]
Es tönt, als ob ihnen der Eintritt in die jüdische Nation verwehrt wird, weil sie „nicht nett“ gewesen waren. Was war denn ihr grosser Fehler? Wir waren Vettern auf der Durchreise, etwa 4'000‘000 Menschen, und wollten Brot und Wasser; sie weigerten sich jedoch, zu kommen und uns die Speise, die wir wünschten, zu verkaufen. Für dieses Unrecht sind sie für immer aus unserem Volk ausgeschlossen.
Dies scheint ein nicht so verheerendes Verbrechen gewesen zu sein, wenn wir dies damit vergleichen, was die Nichtjuden dem jüdischen Volk über die Jahrtausende hindurch angetan haben. Es verdient kaum der Erwähnung! Wir kennen unsere Geschichte nur allzu gut: Kreuzzüge, Inquisition, Vertreibungen, Folter, Pogrome etc. Wieso ist die Torah mit den Amonitern und den Moabitern so streng, nur weil sie nicht anständig genug gewesen waren, uns Wasser und Brot zu bringen? Vielleicht sollten wir vielmehr dankbar sein, dass sie uns nicht töteten! Es ist eigentlich gar nicht so schlimm, dass sie uns kein Wasser und kein Brot anboten.
Zudem: Was hat die erste Anklage mit der Tatsache zu tun, dass sie „gegen uns Bil’am, den Sohn Be’ors einsetzten ...“? Sind dies zwei Anklagepunkte gegen Amon und Moaw? Ist der erste Punkt nicht schlimm genug für die Begründung der Strafe? Viele Erklärer sprechen darüber.
Eine schöne Erklärung sah ich von Raw Nissan Alpert szl. Amon und Moaw wurden nicht deswegen bestraft, weil sie nicht „brav“ gewesen waren. Wir verlangten und erwarteten dies nicht. Wir weisen Amon und Moaw weg, weil ihr Hass auf das jüdische Volk so stark und tiefgründig war, dass sie deswegen sogar gegen ihre eigenen Interessen handelten.
Das jüdische Volk hatte soeben Ägypten verlassen „Die Völker hörten dies und schauderten; ein Zittern ergriff die Philister ...“ [Schemot 15:14]. Die ganze Welt zitterte vor dieser Menschenmasse, die sich in Bewegung gesetzt hatte. Jedermann hatte Angst: „Was passiert, wenn sie hierherkommen? Was geschieht wohl mit uns?“
Was wäre für Ammon und Moaw politisch am günstigsten gewesen? Wir haben sie nicht um Rechtschaffenheit gebeten, aber zumindest hätten sie gemäss ihren eigenen nationalen Interessen handeln sollen. Es wäre in ihrem ureigensten Interesse gewesen, nett zu sein – nicht wegen dem Nettsein an sich – sondern um es sich politisch und diplomatisch nicht mit uns zu verderben. Ausserdem hätten sie bei diesem Geschäft noch ein hübsches Geldsümmchen verdient. Sie hätten uns entgegenkommen, Frieden anbieten und Wasser und Brot verkaufen können und hätten sich damit selbst einen Gefallen erwiesen. Sich dem jüdischen Volk entgegenzustellen, widersprach ihren eigenen Interessen.
Warum verwarfen Amon und Moaw diese „intelligente“ Handlungsweise? Weil ihr Hass auf das jüdische Volk so stark war, dass sie bereit waren, sich dafür allesamt tief ins eigene Fleisch zu schneiden. Das ist es, was sie für uns so verwerflich macht und ihnen den Eintritt in unser Volk verwehrt.
Man könnte argumentieren, dass sie Menschen mit Prinzipien waren und sich deshalb uns gegenüber nicht nett verhielten. Sie wollten nicht „doppelzüngig“ sein. Vielleicht waren sie zu ehrlich und zu aufrichtig, um uns den Arm um die Schultern zu legen, Wasser und Brot zu verkaufen und sich nachher umzuwenden und zu zischen: „Wie hassen wir diese Juden!“
Die Torah schliesst mit dem zweiten Punkt „und sie setzten Bil’am den Sohn von Be’or gegen dich ein ...“ um klarzustellen, dass sie bei weitem nicht prinzipientreu waren. Zu diesem Ereignis gibt es nämlich eine Vorgeschichte. Amon und Moaw erlitten im Krieg gegen Sichon (den König des Volkes Emori) eine Niederlage. Wen setzte Sichon ein, um Amon und Moaw zu zerstören? Niemand anderen als den Bil’am höchstpersönlich! Bil’am war berühmt-berüchtigt. Sichon setzte Bil’am ein, um Amon und Moaw zu verfluchen und jetzt planten Amon und Moaw gerade dies gegen Israel. Obwohl Bil’am der Erzfeind dieser beiden Völker war, waren sie bereit, sogar mit dem Teufel einen Pakt zu schliessen, als sie ihn brauchten, um die Juden zu verfluchen. Jetzt waren sie bereit, die Vergangenheit ruhen zu lassen und Bil’am aus der Versenkung zu holen. Sie schmeichelten ihm, feierten ihn, verwöhnten ihn. Offensichtlich haben wir es nicht mit prinzipientreuen Nationen zu tun!
Sie hatten gar keine Prinzipien und sie waren sogar bereit, mit dem Teufel Geschäfte zu machen. Als es jetzt um die Juden ging, stand der Hass im Vordergrund. Ihr Hass sass so tief, dass sie kein zivilisiertes Verhalten mehr zeigten. Sie verzichteten sogar auf Geschäfte, die zu ihrem eigenen Vorteil gewesen wären. Darum können wir diese Völker nie aufnehmen. Sie haben einen Charakterzug, der nie im jüdischen Volk aufgenommen werden kann.
Quellen und Persönlichkeiten:
Rav Nissan Alpert [Limudej Nissan] (gest. 1986): Rav der Agudah Long Island in Far Rockaway und Lehrer an der Jeschiwa ‚Rabbenu Jitzchak Elchanan‘. New York City.
Rav Frand, Copyright © 2007 by Rav Frand und Project Genesis, Inc und Verein Lema'an Achai / Jüfo-Zentrum.
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