Rav Frand zu Parschat Ki Teze 5770
Heirats- und Scheidungsgesetzte passen gut in das Buch Dewarim
In dieser Parscha finden wir die biblischen Quellen für drei Talmudtraktate. Die Grundzüge der Masechtot Gittin, Kidduschin und Jewamot (Gesetze von Scheidung, Eheschliessung und Schwagerehe) stammen alle aus Parschat Ki Teze. Raw Ja’akow Kaminetsky (in seinem Werk Emet l’Ja’akow) stellt dazu eine interessante Frage.
Raw Ja’akows Frage basiert auf der Prämisse – welche er einige Mal in seinem Werk diskutiert – dass die Gesetze des Buches Dewarim mit dem jüdischen Volk als nationale Einheit (Zibbur) zu tun haben. Sefer Dewarim wurde dem Klal Jisrael am Ende von Mosche Rabbejnus Leben gesagt. Mosche war sich bewusst, dass er das jüdische Volk nicht nach Erez Jisrael bringen würde. Deshalb wollte er den Menschen als Gemeinde sagen, wie sie leben sollten.
Die ersten drei Parschiot (Dewarim, Wa’etchanan, Ejkew) sind im Grunde genommen Mussar Lektionen, in denen die Menschen für ihre Fehler und schlechten Taten während der Wüstenwanderung zurechtgewiesen werden. Immer wieder warnt Mosche, sie sollen nicht den sündenhaften Wegen der Völker folgen, deren Land die Jehudim einnehmen werden. Die folgenden Parschiot jedoch – Parschat Re'eh, Schoftim und Ki Teze – beinhalten nahezu jedes Gesetz, welches das jüdische Volk als Ganzes betrifft. Re'eh beinhaltet die Gesetzte von Ir HaNidachat (die Stadt, welche Götzen dient), die Gesetze der (echten und falschen) Propheten, die Gesetze des Verführers (Mejsis). Parschat Schoftim beinhaltet die Gesetze von Richtern, Polizei und Monarchie – die juristischen und verwaltenden Abteilungen der Regierung, die Essenz von Gemeindeeinrichtungen. Parschat Schoftim spricht auch über die Vorschriften im Kriegsfall, die Zufluchtsstädte für Mörder aus Versehen, die Gesetze bei Mord – alles gesellschaftliche Belange. Ki Teze fährt mit den Gesetzen für Kriegszeiten weiter.
Basierend auf eine Raschi im Sefer Jehoschua ist Raw Ja’akow Kaminetsky in der Tat der Meinung, dass die zweite Sefer Torah, welche ein König schreiben muss (wie in Parschat Schoftim beschrieben) nicht die ganze Torah enthält (was die Meinung vieler Rischonim ist), sondern nur das Buch Dewarim. Diese zweite Sefer Torah war die Sefer Torah, welche er ständig bei sich haben und aus welcher er an allen Tagen seines Lebens lernen musste. Sefer Dewarim wurde also das Handbuch des Monarchen, die Rolle, welche von den nationalen Gesetzen des jüdischen Volkes handelt.
(Raw Ja’akow bemerkt in einer Fussnote, dass er einmal einen Schochet kannte, der sämtliche Gesetze des Schlachtens alle sechs Monate wiederholte. Er studierte die ersten drei Kapitel des Traktat Chullin gefolgt vom Tur, dem Bet Josef und den Abschnitten des Schulchan Aruch, die von den Gesetzen der Schechita handeln. Er sagte jeweils „Dies ist mein Beruf. Ich muss die Hilchot Schechita im Schlaf kennen!" Raw Ja’akow wandte auf diesen Schochet den Pasuk "Denn die Torah von Haschem ist sein Begehren und über „seine Tora“ sinnt er nach Tag und Nacht." [Tehillim 1:2]. Raw Ja’akow erklärt, dass der rechtschaffene Mensch idealerweise die ganze Torah lernen möchte, doch er muss ständig "seine Torah" lernen – das, was mit ihm und seinem Beruf zu tun hat. Er muss diesen Teil im Schlaf kennen! Sefer Dewarim ist das Handbuch des Königs, welches er ständig wiederholen muss.)
Basierend auf dieser Prämisse, fragt Raw Ja’akow Kaminetsky, was die Gesetze von Heirat und Scheidung im Buche Dewarim verloren haben? Die Gesetze von Gittin, Kidduschin und Jewamot gehören in Parschat Achrej Mot im Buche Wajikra. Dort ist die Quelle der Gesetze, wen man heiraten darf und wen nicht. Ebenfalls gehören die Gesetze, die einen Mamser (Kind von verbotener Verbindung), Ägypter, Moabiten und Amoniten ausschliessen, welche in dieser Parscha stehen, alle in Achrej Mot! Was tun sie in Ki Teze?
Raw Ja’akow Kaminetsky antwortet, dass die Positionierung dieser Vorschriften in Parschat Ki Teze uns lehrt, dass eine Ehe nicht nur etwas ist, das einen Mann oder eine Frau und ihre Familien angeht. Ehen betreffen das ganze jüdische Volk. Klal Jisrael ist in Wirklichkeit eine kleine Anzahl von Familien, die miteinander verheiratet sind. Dies ist das alte Sprichwort – eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Die Glieder, die den Klal Jisrael ausmachen, sind die Familien.
Folgerichtig gehören die Vorschriften darüber, wen eine Person heiraten darf und wen nicht und alle dazugehörenden Gesetze in das Buch Dewarim. Wir wünschen jeweils einem Brautpaar, sie mögen “ein getreues Haus IN ISRAEL aufbauen". Die Menschen welche wir nicht heiraten dürfen, werden "Pesule Kahal" genannt (ungültig, um Teil der Gemeinde zu werden). Die Einschränkungen bei Eheschliessungen bezwecken, die Heiligkeit des Kahal aufrecht zu erhalten. Wir können keine Ammoniten, Moabiten und Mamserim unter uns haben.
Die Halacha widerspiegelt dieses Prinzip: Wenn ein Chatan (Bräutigam) während der sieben Tage nach seiner Hochzeit in die Synagoge kommt, so wird kein Tachanun gesagt. Der Chatan feiert seinen eigenen persönlichen Jom Tow und am Jom Tow wird kein Tachanun gesagt; also sagen auch wir kein Tachanun, wenn ein Chatan anwesend ist. Auch ein Trauernder sagt kein Tachanun. Wenn jedoch ein Trauernder in der Synagoge sein muss, sagt der Rest der Gemeinde dennoch Tachanun. Nur der Trauernde sagt es nicht. Das Awejlut (die Trauer) ist eine private Sache. Es betrifft nicht die Gebete der andern. Das Mitfreuen mit dem Bräutigam ist jedoch eine gemeinsame Simcha. Wir alle freuen uns mit der Errichtung eines neuen jüdischen Haushalts.
Aus diesem Grund gehören die Gesetze über Heirat und Scheidung in das Buch Dewarim. Sie haben nationale Auswirkungen!
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