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Raw Frand zu Parschat Ki Tawo 5765 (Beitrag 1)

Die Ausführung der Mizwot soll uns Freude bereiten

Mitten in der Aufzählung der schrecklichen Flüche, die wir in der dieswöchigen Parscha finden, steht folgender Pasuk (Vers): „Weil du Haschem, deinem G’tte nicht in Freude und in Hingebung gedient hast, als du Überfluss an allem hattest.“ [Devarim 28:47]. Die Torah lehrt gewissermassen, dass die Tochachah (Zurechtweisung unter Strafandrohung) vom Fehlen der Freude bei der Ausführung der Mizvot (Gebote) herrührte.

Diese Aussage ist offensichtlich nicht leicht zu verstehen. Die Tochachah ist eine haarsträubende Litanei von Unglücksfällen, die über uns hereinbrechen werden. Für Raschi und die klassischen Kommentatoren, welche ihre Erklärungen zu den Versen über diese schrecklichen Katastrophen in dieser Parscha abgaben, handelte es sich um Voraussagen über künftige Ereignisse. Wir sind leider in der Lage zu bestätigen, dass alles genau so eintrat, wie es in diesen Pesukim dargestellt wurde. Die Pesukim sind keine Übertreibungen. Alles traf buchstäblich wie beschrieben ein.

Die Frage liegt auf der Hand: Trafen uns diese Strafen einzig deshalb, weil wir nicht die Freude und den Enthusiasmus verspürten, welcher für G’ttes Mizvot angebracht ist? Ist es wahr, dass wir allein für unsere geistige Einstellung bestraft wurden, obwohl wir alle Mizvot erfüllten?

Rav Simche Zissel Ziv, der „Alte von Chelm“, meint, dass die Tochachah nicht deshalb erfolgte, weil die Menschen beim Ausführen der Mizvot keine Freude verspürten. Sie traf ein, weil sie aufhörten, die Mizvot zu erfüllen, Punkt! Wieso führt dann der Passuk die Tochachah darauf zurück, dass die Mizvot nicht mehr freudig ausgeführt wurden? Der Alte von Chelm erklärt dies mit einem Hinweis auf die Natur des Menschen.

Dinge, die keine Freude bereiten, werden nicht getan. Damit etwas getan wird, braucht es einen Ansporn. Manchmal ist der Ansporn ein finanzieller Vorteil. Manchmal liegt der Anreiz in einem körperlichen Wohlgefühl. Manchmal liegt der Ansporn in emotioneller Zufriedenheit. Eine Tätigkeit muss uns einen Vorteil verschaffen oder wir lassen es sonst bleiben.

Wer ein Leben voll Torah und Mizvot nicht als Bürde, sondern als ein erstrebenswertes Ziel und gewaltigen Vorteil empfindet, wird unweigerlich fortfahren, Torah zu lernen und Mizvot zu erfüllen. Sicher gibt es bei jedem Zeiten, in denen sein Interesse zunimmt oder sich verringert. Solange jedoch gegenüber Torah und Mizvot die Grundeinstellung vorhanden ist, dass „dies der Sinn unseres Daseins ist“, werden ihm diese Zufriedenheit und zu guter Letzt auch Sinn im Leben verschaffen. In diesem Fall wird er mit ihnen fortfahren. Wenn nicht, so werden Torah und Mizvot für ihn zu Banalität und Routine. Dann werden sie ihm eine Last. Wenn es soweit gekommen ist, hört man dann vielleicht vollständig damit auf. Wenn man aufhört die Mizvot zu erfüllen, dann ist die Tochachah nicht mehr weit.

Ich versuche, meine Studenten in der Jeschiva immer darauf hinzuweisen, dass es entscheidend ist, dass jeder beim Lernen seine eigene Nische findet. Irgendwann im Leben muss ein Student Freude („Geschmack“!) an seinem Lernen entwickeln. Für jemanden, der, unabhängig vom Alter, die Jeschiva verlässt und 40, 50 oder 60 Jahre ohne Jeschiva-Aufsicht (Maschgiach) vor sich hat, der ihm sagt „Komm zum Lernen ins Bejt HaMedrasch!“, gibt es nur etwas, das ihn am Lernen hält: Er muss Freude daran haben! Er muss ein Gefühl von Freude und Erfolg verspüren. Sonst wird er rasch aufhören zu lernen. Falls jemand mit Lernen aufhört, sind die geistigen Auswirkungen nicht unbedingt angenehm.

Jedermann sollte sich bemühen, an irgendeinem Aspekt des Lernens Gefallen zu finden. Es kann mehr das ausführliche Studieren („be’kius“) oder das analytische Studium („be’ijun“) sein. Es kann sich um das Tenach (Bibel) oder den Talmud, um Halacha (Recht) oder Haschkafa (Philosophie) handeln. Jeder sollte irgendwo im riesigen Universum des Torahlernens Erfüllung finden. Er muss eine Stelle in der Torah finden, wo er „be Simchah“ (mit Freude) lernen und damit den Fortbestand seiner Zuwendung zum Torahstudium sicherstellen kann.

Wenn es eines gibt, das Eltern ihren Kindern weitergeben sollten, so ist es die wunderbare Schönheit und die Freude, welche von den Mizvot ausgeht. Wenn es uns gelingt, die Freude am Leben eines ehrlichen Juden, an der richtigen Erfüllung des Schabbat, das Erlebnis, welches Sukot, der Familienseder und das Erfüllen jeder Mizva bietet, an die nächste Generation weiterzugeben, dann können wir zuversichtlich sein, dass diese Erlebnisse während ihrem ganzen Leben warme Gefühle hervorrufen. Der Pasuk „Weil du Haschem, deinem G’tte nicht in Freude und in Hingebung gedient hast ...“ deutet auf das Resultat hin, wenn man sich nicht daran hält.


Quellen und Persönlichkeiten:
Alter von Chelm (1824 – 1898) [Rav Simcha Zissel Ze’ev]: Gründer und Rosch Jeschiwa der Talmud Torah in Chelm, Polen.
Raschi (1040 - 1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]: Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland), "Vater aller Torahkommentare".



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